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9. Friedrich's Aufklärungstendenzen. Die Religionsfpötterei: Scene mit dem alten Ziethen. Glaube an Ustrologie uud Wahrsagekunst, Ulchemie, glückliche und unglückliche Tage. Verhältniß zum Freimaurer Orden. Geheime Polizei: Auftritt mit dem Hamburger Meyer.

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Friedrich's Hauptforge durch sein ganzes Leben hindurch war die Aufklärung seiner Staaten. Er schrieb darüber unterm 16. September 1770 an Voltaire: "Das ist meine Hauptbeschäftigung, daß ich in den Ländern, zu deren Beherrscher mich der Zufall der Geburt gemacht hat, die Unwissenheit und die Vorurtheile bekämpfe, die Köpfe aufkläre und die Sitten cultivíre und die Leute so glücklich zu machen suche, als die menschliche Natur es erlaubt und die Mittel, die ich darauf wenden kann, es gestatten." Moses Mendelssohn schrieb im Septemberheft 1784 der Berliner Monatsschrift von Biester zum erstenmal über den Begriff der Aufklärung, worauf der Königsberger Philosoph im December desselben Jahres in demselben Journal mit seinem so berühmt gewordenen Auffag: "Was ist Aufklärung?" folgte.

"Aufklärung, sagt Kant in diesem Auffah, ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines Andern zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Muths liegt, fich

seiner ohne Leitung eines Andern zu bedienen. Sapere aude! Habe Muth, dich deines eignen Verstands zu bedienen! ist also der Wahlspruch der Aufklärung." Funfzehn Jahre später segte Kant in seinen Vermischten Schriften zu dieser Erkärung hinzu: „Nur ein einziger Herr in der Welt, Friedrich sagt: „Raisonnirt, soviel ihr wollt und worüber ihr wollt, aber gehorcht! In diesem Betracht ist dieses Zeitalter das der Aufklärung oder das Jahrhundert Friedrichs."

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Friedrich hatte sich durch die Geschichte belehrt, daß das Haupthinderniß der Aufklärung zeither die Priesterherrschaft und die Schultheologie gewesen sei. Er hatte es mit Bestimmtheit erkannt, daß bis auf · seine Zeit herab in beiden herrschenden Kirchen, sowohl in der katholischen, als in der protestantischen, die stolze Hierarchie und die blinde Orthodorie das Licht verdunkelt, die Liebe in Haß und Verfolgungssucht ver= kehret, die Geister in Fesseln geschlagen, die freie Entwicklung der Erforschung der Wahrheit gehindert hatten. Er schämte sich, unter seinem Volke, namentlich unter den Bauern, noch so viel Barbarei und Rohheit, so viel Verdummung und thörichte Beschränktheit antreffen zu müssen. Der Zelotismus, der geistliche Hochmuth und die Scheinheiligfeit der graduirten Priester, ihre langen geistlosen Predigten, ihre salbadernden Katechismusübungen, waren ihm ein Greuel, er nannte sie in seiner derben Sprache "pietistische Kerle, evangelische Jesuiten, intriguante Pfaffen, Schekers, Mucker", er verfolgte sie in seinen Schriften und selbst in Cabinetsbescheiden mit seinem

herbsten Wige und Spotte. Er machte es sich zum Gefeß, ihnen die angemaßte Herrschaft über das Volk abzudringen und sie auf ihren ursprünglichen und wahren Standpunkt als Lehrer des Volks zurückzustellen. Ebenso arbeitete er dem todten und öden Wort- und Formel-Christenthum, der orthodoren Schul-Theologie, die ihm seine eigene Jugend so verleidet hatte, entgegen; um die breite schwülstige Pedanterie, den steifleinenen Schlendrian dieser Schul-Theologie auszutreiben, ließ er die freie Forschung zu und führte eine vernünftige Preßfreiheit in seinen Staaten ein. Die Toleranz und die Gewissensfreiheit, welche die beiden protestantischen Staaten Holland und England so groß und blühend gemacht hatten, machte er auch in seinem Staate zum festen Principe, er erkannte die Stellung Preußens in voller Klarheit, daß es der Hort des Protestantismus in Deutschland sein müsse. Von der Zeit an, wo er den fiebenjährigen Krieg als einen Krieg zur Vertheidigung der protestantischen Religion darstellte, hatte Friedrich jederzeit diese große und mächtige Rücksicht im Auge. Er sicherte in Cassel, er sicherte in Stuttgart die Fortdauer der protestantischen Religion. Sein Heiliger war der „St. Humanus“.

Das ist die Lichtseite des Friedrich'schen Aufklärungssystems auf die Schattenseite wird später zurückzukommen sein. Kaum hatte Friedrich den Thron bestiegen, so ließ er unterm 22. Juni 1740 in einer Marginalverordnung folgende Weisung an den Minister des geistlichen Departements ergehen: "Die Religionen Müsen alle Tolleriret werden und Mus der Fiscal Preußen. IV.

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nuhr das Auge darauf haben, das keiner den andern abrug Tuhe, den hier mus ein jeder nach Seiner Fasson Selich werden." Zehn Jahre darauf erließ er unterm 4. October 1750 eine Instruction für das lutherische Oberconsistorium, worin § 6. anbefohlen wird, dahin zu sehen: „daß das Wort Gottes von den Geistlichen rein und lauter gepredigt werde." Neunundzwanzig Jahre später endlich, gegen Ende seiner Regierung erließ er unterm 5. September 1779 an den geistlichen Minister von Zedlig die berühmte Cabinetsordre, worin stand: „daß die Schuhlmeister aufm Lande die religion und die moral den jungen Leuten lernen ist recht gut und müssen sie davon nicht abgehen, damit die Leute bei ihrer religion hübsch bleiben und nicht zur katholischen übergehen, denn die Evangelische religion ist die beste und weit beffer wie die katholische; darum müssen die Schuhlmeister sich Mühe geben, daß die Leute attachement zur religion behalten."

Den Unterschied in der Richtung und dem Geiste der drei christlichen Hauptconfeffionen drückte Friedrich einmal sehr geistreich gegen den Cardinalbischof von Breslau Grafen Zinzendorf (Sohn des bekannten östreichischen Premiers) bei einem Hochamte dafelbft in den Worten aus: Die Calvinisten behandeln Gott als ihren Diener, die Lutheraner als ihres Gleichen, die Katholiken aber als ihren Gott."

Friedrich's Marime der Religion als König gegen= über war die, die er im sechsundzwanzigsten Capitel feines Antimacchiavelli aussprach: ", die weltliche

Regierung mit Kraft empor halten, jedermann Gewissensfreiheit gewähren, stets König sein und rie den Priester machen." Friedrich glaubte, daß alle Menschen von Gottes Gnaden seien, was sie seien, deßhalb legte er auf die Worte: "Von Gottes Gnaden" in feinem Königs-Titel keinen Werth. Auf den Münzen wurden kurz nach Anfang der Regierung Friedrich's die Worte D. G. Dei gratia, nicht gebraucht, daher die wenigen Thaler und Friedrichsd'or, die diesen Beisag haben,

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Münzsammlern theuer bezahlt werden. Die Münzen des großen Königs hatten die Umschrift: "Fridericus Borussorum Rex." Seine Patente und Edicte aber enthielten stets die Worte „Von Gottes Gnaden." Und eben so brauchte er die königliche Formel am Schlusse der Briefe: "Sur ce Je prie Dieu qu'il vous ait en sa sainte et digne garde." Die alte pedantische Aufschrift in den Eingaben an ihn: Allerdurchlauchtigster König, Allergnädigster König und Herr" verbat er sich aber. Er nannte sich in seinen Briefen nicht Wir", sondern Ich." Auch den Titel „Majestät“ verbat er sich in den Kirchengebeten. Dagegen erklärte er sich in dem Versuche über die Regierungsformen und über die Pflichten der Fürsten“ vom Jahre 1777, den er 1781 drucken ließ, für „den ersten Diener des Staats und wer um des Genuffes willen sein erles Amt versäume, das Wohl des Volks zu fördern, für unnüg auf dem Throne und eines Verbrechens schuldig." Er nannte sich in einem Briefe an de Launay vom 16. März 1766: P'Advocat

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