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Staaten in Deutschland, wo es möglich war, mit einheimischem Adel zu regieren: alle andre. deutsche Staaten mußten fremden Adel herbeiziehen, ihm die Hof- und Minister- und Generalstellen anvertrauen, um nur ihren eignen widerspenstigen Junkern die Wage einigermaaßen zu halten. In Preußen geschah das, nachdem seit dem großen Kurfürsten das Regiment der Schlicke und Schwarzenberge aufgehört hatte, seit ihm nur einmal mit den „drei Wehen" unter Friedrich I. und nicht wieder. Friedrich Wilhelm I. regierte nur mit seinen eingebornen Leuten. In Destreich mußte schon seit den Tagen Rudolfs II. eine Italienerpartei den Hof steifen, eine Italienerpartei, die im dreißigjährigen Kriege unter den Ferdinanden den verderblichsten Einfluß ausübte. In Sachsen zeugen die Namen Fürstenberg (der Stathalter), Sulkowsky und Marcolini, daß die Regenten den Willen, aber nicht die Kraft hatten, durch fremden Adel den einheimischen zu bezwingen. Dieselbe Thatsache der Herbeiziehung fremden Adels treffen wir in allen andern deutschen Staaten bis auf die kleinsten herunter, wir treffen fie in Baiern, wo noch heut zu Tage der vierte Theil des Adels ausländisch ist, in Würtemberg, wo namentlich mecklenburgischer Adel in Maffe herbeigezogen wurde, in Hessen und Braunschweig, wo wir wiederholt Ausländer auf den höchsten Stellen finden u. s. w. Friedrich Wilhelm's Herz neigte mehr zu den Bürgern, als zu den Junkern. Es hing damit

seine tiefe Abneigung gegen steifen und exclusiven Hofprunk zusammen.

Als Friedrich Wilhelm einmal äußerte, daß er ein wahrer Republikaner“ sei, verstand er darunter, daß er gut bürgerlich gesinut sei. Das war er wirklich. Er liebte es, unmittelbar mit dem Volke ganz bürgerlich und - freilich auf seine eigenthümliche Weise -- leutselig zu verkehren. Er besuchte Gastmähler, Hochzeiten bei Vornehmen und Geringen, nur, wie schon erwähnt, verbat er sich bei Mittagseffen die Anwesenheit von Damen. Selbst bei Hochzeitsschmäusen durften nur die Braut und die Brautmutter zugegen sein. Sehr häufig hat Friedrich Wilhelm im König von Portugal beim Gastwirth Nicolai auf der Burgstraße, ohnweit der langen Brücke, gespeist, dessen Frau ihm sein Lieblingsgericht, Schinken und Grünkohl, so zu Tanke, wie Niemand sonst machen konnte. Den Wirth belohnte der König mit seinem Bildniß en miniature, welches dieser dankbare Gasthalter auch bis zu seinem Ende im Knopfloch eingeknüpft mit sich herumtrug. Friedrich Wilhelm wollte populair sein und genoß auch unzweifelhaft eine gewiffe Popularität in seinem Volke. Die Hoffahrt seines Kronprinzen war ihm ein Greuel: er warf ihm in einem Billet vom Jahre 1728, auf das ich zurückkomme, ganz ausdrücklich vor, daß er „hoffärthig, recht bauernstolz sei, mit keinem Menschen spreche, als mit welche und nit populer und affabel sei."

Gesandten im Haag Samuel Schmettau 1701 und den Gesandten in London Ezechiel Spanheim 1702 baronifirt hatte, so erhob Friedrich Wilhelm I. in die preußische Adelsreihe folgende Bürgerminister: 1718 den Kaufmannssohn Samuel Marschall, 1728 Thulemeyer und Franz Moriz Viebahn, der früher Advocat war und der Nachfolger von Katsch ward und 1739 August Friedrich Boden, der früher Domainenbeamter in Kalbe war, Grumbkow im Ministerium folgte und noch unter Friedrich dem Großen als Finanzminister fungirte. Gundling ward 1724 baronifirt - der Pfarrerssohn und Hofnarr mit sechzehn Ahnen, noch einmal so viel als die Gräfin Lichtenau siebzig Jahre später erhielt. Wie die Minister, waren auch die von Friedrich Wilhelm angestellten Gesandten zum Theil Bürgerliche. Nicht dem altadeligen Grafen Christoph Dohna als Gesandten in Wien, sondern dem bürgerlichen Residenten Christian Friedrich Bartholdi, Sohn des Berliner Bürgermeisters, war 1700 der Abschluß des Kronenvertrags und die Erlangung der preußischen Königskrone geglückt. Deßhalb stellte Friedrich Wilhelm auch Bürgerliche und Neugeadelte, wie 1732 den Baron Gotter als Gesandten in Wien auf diplomatischen Posten an. Der Comitialgesandte in Regensburg, Heinrich Pollmann, war ein Bürgerlicher: Friedrich der Große adelte ihn gleich nach seiner Thronbesteigung 28. Juni 1740. Friedrich Wilhelm beförderte selbst, was sein großer Sohn nur ausnahmsweise und höchft selten that, in der Armee

bürgerliche Unteroffiziere zu Offizieren. Unterm 19. Febr. 1717 schrieb er an den Herzog von Holstein: „Ew. Liebden sollen nur von Dero Regiment zehn Unteroffiziers vorschlagen, die capables sind, daß ich sie zu Offiziers machen kann, davon E. L. auch versichert sein müssen, daß sie teine Brandweinsäufer sind." Friedrich Wilhelm wies die lächerlichen Rangstreitigkeiten des Adels zuweilen sehr ernstlich in ihre Schranken. Ein Herr von Strundede in Cleve von altem Adel hatte sich bitter darüber beklagt, daß ein Herr von Pabst von weit jüngeren Adel `sich über ihn gesezt habe in der Kirche. Der König schrieb eigenhändig auf die Beschwerdeschrift: „Dieses sein Thorheit, in Berlin ist kein Rang, in Kleve mus feiner sein. wen Pabst über mir sizet in der Kirche so bleibe doch was ich bin, mein extraction bleibet allezeit." Als Friedrich Wilhelm im Jahre 1732 den Titel eines Fürsten von Ostfriesland noch vor dem Aussterben dieser Familie, das erst unter Friedrich dem Großen eintrat, annahm und der Kaiser ihm durch Seckendorf dagegen Vorstellungen machen ließ, schrieb er diesem:

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Ich kann in Wahrheit sagen, daß die Annahme des Titels von Ostfriesland feine Malice von mir ist, da ich in Wahrheit geglaubt, daß es ein Bagatell ist, als wenn man einen Baron nennt. (Gundling und Rabenpreis, der Jagds und Tafelrath waren solche Bagatell - Barone.) Indeffen affecuriren Sie dem Kaiser, daß durch solche Lumperei in nichts meine wahre Freundschaft soll alteriret werden.“

Preußen. III.

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Doch befahl Friedrich Wilhelm dem Abel 1739 schlechterdings und pour cause an: „sich nicht zu unterstehen, eines geringen Bürgers oder Bauers Tochter oder Wittwe oder wohl gar eine unehrbare Person zu heirathen" er selbst legte in diesem Edicte ein großes Gewicht auf das, was ihm vor Allem wichtig war Geld. Seitdem die Geld= heirathen Mode wurden, seitdem Minister und Generale aus den ältesten Häusern, wie Knyphaufen und Haake sich mit den reichen Erbtöchtern der neugeadelte: Ilgen und Creus verheirathet hatten seitdem beim Adel im achtzehnten Jahrhundert der fortwährende Güterschacher anfing - feit die Handlung die Städter reich machte und ihnen durch diesen Reichthum an Geld dieselbe Unabhängigkeit gab, die dem alten Adel sein Güterbefiß gegeben hatte, seitdem der alte Adel sich durch den Hoflurus ruinirte, herunterkam, verarmte, während zu den neuen reichen Kaufleuten sich nach und nach ganze Schaaren noch reicher gewordnen Lieferanten, Banquiers und Fabrikherrn gesellten, seitdem kam dieser alte Adel in cine ganz neue Stellung. Die größte Veränderung aber brachte der vom Venusberg in Paris einreißende Cavaliergeist; er seßte den alten, sonst so ehrenwerthen Abel in der Achtung herunter. Wer es nicht verstand, gegen die Leute aus dem Volke "bie Canaille", wie man sie nannte, sein Wort zu brechen, Gläubiger und Mädchen zu betrügen, ungeheure Schulden zu machen, sie nicht zu bezahlen und noch dazu mit der Nichtbezahlung zu prahlen, die

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