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wie er ihn nannte, ungemein, er sagte von ihm: „Schlachten haben Viele gewonnen, Provinzen Viele erobert, aber etwas so vollkommnes, wie die Vorrede zur Encyclopédie ist, haben nur Wenige geschrieben.“ Die vier Jahre des Rheinsberger Aufenthalts bis zu seiner Thronbesteigung wurden für Friedrich besonders dadurch wichtig und unvergeßlich, daß er während derselben den großen Kampf durchkämpfte, den die Seele jedes denkenden Menschen in dem unabweisbaren Verlangen nach Aufschluß über die höchsten religiösen Gegenstände durchzukämpfen hat. Friedrich gelang es, aus diesem Kampfe mit einer selbstständigen freien Ueberzeugung hervorzugehen. Er liebte es, während dieser Zeit sich mit den beiden französischen Predigern in Berlin, Isaac de Beausobre und Achard, über Glaubenslehren schriftlich zu unterhalten. Er schrieb an Achard von Rheinsberg unterm 8. Juni 1736: "Ich habe das Unglück, einen sehr schwachen Glauben zu haben, und ich muß ihn oft durch gute Gründe und folide Argumente mir stüßen." Den alten siebenundsiebzigjährigen Beaufobre, den Friedrich zum erstenmal am 11. März 1736 in Berlin predigen gehört hatte, suchte er unmittelbar nach dieser Predigt, die ihn mit der höchsten Bewunderung erfüllt hatte, kennen zu lernen. Beaufobre starb aber schon im Junius 1738. Außer Beausobre fand Friedrich nur noch einen einzigen Prediger, der ihm genügte, den Oberhofprediger Quandt in Königsberg, den er im Jahre 1739 kennen lernte. Als König hat Friedrich nur

neun Predigten gehört, wie man nachgerechnet hat, es waren theils Huldigungspredigten som Propst Reinbeck und dem Hofprediger Jablonsky in Berlin, und von Quandt in Königsberg, theils Predigten während des schlesischen und des siebenjährigen Kriegs gehalten vom Inspector Burg und dem Bischof von Sinzendorf in Breslau, sowie vom Superintendent am Ende in Dresden. Friedrich kannte die Bibel durch und durch sehr genau und hatte die katholischen Predigten von Bourdaloue, Massillon und Fléchier und die des Protestanten Saurin sehr fleißig gelesen. Sein Hauptstudium in Rheinsberg wurde unter Suhm's Anleitung die Wolf'sche Philosophie; er schrieb Suhm unterm 13. April 1740, kurz vor seiner Thronbesteigung: „Mein Jnneres ist ruhig, und ich kann Sie versichern, daß ich nie mehr Philosoph gewesen bin, als jegt. Mit gleichgültigem Blicke betrachte ich Alles, was mich erwartet, ohne das Glück weder zu wünschen noch zu fürchten, voll Mitgefühl gegen Leidende, voll von Achtung gegen Rechtschaffne und voll von Zärtlichkeit für meine Freunde."

Später genügte Friedrich die Wolf'sche Philosophie und überhaupt keine Philosophie mehr, er fand 1770 in feinem Auffah über Erziehung auch Leibniz Monadenlehre und vorherbestimmte Harmonie ungereimt und unverständlich. Mit der Philosophie," schreibt er unterm 24. Juli 1774 an d'Alembert, "giebt sich seit Leibnizens Genie und Wolf's dicker Monade niemand mehr ab." Er ward entschiedner

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Skeptiker und bekannte sich zu den Ansichten des Epicur, die er aus Lucrez und zu den Lehren der Stoa, die er aus Cicero schöpfte. Das dritte Buch des Lucrez," schrieb er unterm 26. October 1776 an d'Alembert, „lese ich, wenn ich traurig bin und das tröstet mich." Er schrieb unterm 25. November 1769 an Voltaire: "Ich liebe die schönen Wissenschaften bis zur Thorheit. Sie allein erheitern unfre Muße und gewähren uns wahres Vergnügen. Die Philosophie würde ich völlig eben so lieben, wenn unsre schwache Vernunft in ihr die Wahrheiten zu entdecken vermöchte, die sich vor unsern Augen verbergen und nach denen doch unsre eitle Neugierde so begierig verlangt. Sobald man sich Kenntnisse erworben hat, lernt man zweifeln. Ich verlasse also dieses Meer, das so sehr von Klippen und Ungereimtheiten wimmelt." "Alles wohl erwogen," schrieb er unterm 1. November 1770 an d'Alembert, „ist es für Jedermann wichtiger, gut zu verdauen, als das innere Wesen der Dinge zu erkennen."

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Am 27. Mai 1740 fam Friedrich zu seinem sterbenden Vater nach Potsdam, eines Freitags Abends, am 31. Mai, Dienstag darauf, Nachmittags zwischen ein und zwei Uhr, starb Friedrich Wilhelm.

4. Friedrich's Regierungkantritt. Die ersten schlesischen Kriege. Die schlesischen Minister Münchow, Massow, Schlabrendorf und Hoym. Der fiebenjährige Krieg.

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Die Thronbesteigung Friedrich's war ein Freudenfest für Preußen. Ausschweifend," schreibt Bielefeld aus Charlottenburg unterm 20. Juni 1740, „ist die Freude aller Unterthanen; es ist hier ein solcher Andrang Andrang von von Fremden, daß daß man erstickt zu werden fürchten muß, wenn man über den Schloßhof geht. Unter ihnen befindet sich auch eine Unzahl von Glücksrittern, die sich einbilden, der König habe bloß ihretwegen den Thron bestiegen. Vielleicht erregte nie ein Regierungswechsel so allgemeine Bewegung. Die Poeten schwärmen um den Thron Friedrich's wie die Bienen. So wie man den König erblickt, ist das Jubelgeschrei ohne Ende. Es zeigt sich aber, daß man sich ziemlich allgemein in dem neuen König irrte. Seine Widersacher zitterten vor ihm: er ist zu edel und groß, um sie zu strafen; seine Anhänger hofften von ihm mit Gold überschüttet zu werden: er ist zu weise, um thörichten Erwartungen zu entsprechen." Bielefeld selbst, der so etwas, wie das Portefeuille des Aeußern erwartet hatte, erhielt dieses Portefeuille nicht; Jordan, der Präsident der Akademie zu werden gehofft, ward nur Vicepräfident, aber Präsident der Bettelvoigte von Berlin, indem er die Direction eines Armen- und Arbeitshauses erhielt; auch Kayserling erhielt keinen hohen

Posten: die Rheinsberger pflegten daher den Tag der Thronbesteigung la journée des dupes zu nennen. Als der ausgelaffene Markgraf Heinrich von Schwedt aber sich einst in der Weise der luftigen Brüder von Rheinsberg einen unpassenden Scherz in Gegenwart mehrerer Generale erlaubte, sah ihn Friedrich mit großen Augen an und sagte sehr ernst zu ihm: Monsieur, à présent je suis Roi!" ähnlich wie Heinrich V. von England dermaleinst zu Falstaff.

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Gleich bei seinem Regierungsantritt überraschte Friedrich alle seine Umgebungen mit seiner Rührigkeit: er stand im schönsten Alter, fr war jest achtundzwanzig Jahr alt. Bei der Huldigung schon brach er die Fesseln des Hofceremoniels. Gegen die Gewohnheit und Etikette blieb der König nach der Ceremonie noch eine halbe Stunde auf dem Balcone des königlichen Schloffes zu Berlin mit festem, aufmerksamen Blick auf die vor demselben versammelten Volksmassen hinabschauend. Von Berlin nach Potsdam ritt er mit unterlegten Pferden in einer Stunde, immer Galop und Carriere; seine Reisen im Wagen mit acht Pferden waren Flüge. Von der Huldigungsreise nach Königsberg kehrte er in drei Tagen trog der schlechten Landstraßen zurück.

Als die Staatsminister am 2. Juni zu dem neuen König nach Charlottenburg kamen, um den Eid abzulegen, erklärte er ihnen seine Regierungsgrundsäge, welche die Zeitung vom 6. Juni zur Veröffentlichung

Preußen. III.

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