Page images
PDF
EPUB

STANFORD Lin

Der Hof

des

großen Königs von Preußen.

1740-1786.

Friedrich II., der Große.

1740-1786.

Die fechsundvierzigjährige Regierung Friedrich's des Großen von 1740-1786 war eine außerordent lich wichtige Regierung nicht blos für Preußen, sondern für ganz Deutschland. Nie, so lange noch eine deutsche Seele athmet, darf Deutschland der Regierung des großen Königs vergessen. Es kam durch fie der große Wendepunkt in unsre nationale Entwicklung, durch den endlich das größte Hinderniß derselben, die die deutsche Blödigkeit, Schwerfälligkeit und Unbehülflichkeit in der Gedankenbewegung, die alte mittelalterliche Barbarei und Rohheit in der Sitte und der traurig gedrückte und gebückte Gang in allen Lebensgeschäften, überwunden wurde. An Friedrich's Hofe culminirte 'zwar jener französische Einfluß, dem Deutschland seit dem dreißigjährigen Kriege beständig unterworfen geblieben war, in den die freigestellten höheren Stände eingegangen waren und

neben welchem immer noch das Volk in der alten banalen Beschränktheit in Folge der von allen Auctoritäten abergläubisch festgehaltenen Gedankendämpfung sich fortbewegt hatte. Friedrich's Regierung aber schaffte dem deutschen Geiste im Volke Luft, indem sie den Geist überhaupt wieder in Freiheit ftellte. Sie stürzte die Pedanterie und die Spießbürgerei, fie zerbrach die Feffeln der stupiden, starren und blinden Auctoritäten, durch welche die Deutschen so lange wie Schulbuben gegängelt worden waren. Und damit kam dem Volke als Volk wieder ein weiterer und freierer Horizont, wieder ein Selbstbewußtsein und ein Selbstgefühl, und was das allerwichtigste ist, eine Selbstachtung, ohne welche kein Volk zu etwas Großem fähig wird. Die Griechen und Römer in der alten, die Engländer nnd Amerikaner in der neuen Welt, sind nur dadurch, daß sie sich selbst fühlten, zur Größe emporgekommen. Die nothwendige Consequenz der inneren Befreiung des deutschen Volks war auch eine freiere, frischere Bewegung nach Außen hin in allen politischen, kirchlichen, gesellschaftlichen und literarischen Lebenskreisen.

"

Goethe hat in Wahrheit und Dichtung diese glückliche Wandlung zunächst in Beziehung auf die Literatur mit Entschiedenheit nachgewiesen. Der erste wahre und höhere eigentliche Lebensgehalt," sagt er, kam durch Friedrich den Großen und die Thaten des siebenjährigen Kriegs in die deutsche Poesie. Die Preußen und mit ihnen das protestantische Deutschland gewannen dadurch für ihre

[ocr errors]

Literatur einen Schaß, welcher der Gegenpartei fehlte und deffen Mangel sie durch keine nachherige Be= mühung hat erseßen können. An dem großen Begriffe, den die preußischen Schriftsteller von ihrem Könige hegen durften, bauten sie sich erst heran und um desto eifriger, als derjenige, in dessen Namen sie Alles thaten, ein für allemal nichts von ihnen wissen wollte. Schon früher war durch die französische Colonie, nachher durch die Vorliebe des Königs für die Bildung dieser Nation und für ihre Finanzanstalten eine Masse französischer Cultur nach Preußen gekommen, welche den Deutschen höchst förderlich ward, indem sie dadurch zu Widerspruch und Widerstreben aufgefordert wurden; ebenso war die Abneigung Friedrich's gegen das Deutsche für die Bildung des Literarwesens ein Glück. Man that Alles, um sich von dem Könige bemerken zu machen, nicht etwa, um von ihm geachtet, sondern nur beachtet zu werden; aber man that's auf deutsche Weise, nach innerer Ueberzeugung, man that, was man für Recht erkannte und wünschte und wollte, daß der König dieses deutsche Recht anerkennen und schäßen solle."

Auf diese von Goethe mit Meisterblick hervorgehobene Weise fiel das Moment des größtmöglichsten Einfluffes, den fremde, französische Bildung jemals in Deutschland gehabt hat und das Moment der Befreiung des nationalen deutschen Geistes in der Regierung Friedrich's des Großen zusammen. Der französischen Bildung an Friedrich's Hofe trat eine nationale Bildung aus dem Volke wieder entgegen.

« PreviousContinue »