Das vorliegende Buch soll als Wegweiser bei praktischphysikalischen Arbeiten, insbesondere Messungen dienen. Nachdem die erste, zunächst für meine Prakticanten in Göttingen gedruckte Auflage auch anderweitigen Eingang gefunden hat, habe ich die jetzige durch bessere Anordnung und Vervollständigung zum Gebrauch in weiteren Kreisen tauglich zu machen gesucht. Die Aufgaben, welche der praktischen Physik gestellt werden können, lassen sich in folgende vier Punkte zusammenfassen. Zunächst steht erfahrungsgemäss fest, dass ein Theil der physikalischen Lehren, und zwar vorzugsweise der quantitative also nicht der unwichtigste, durch blosses Hören nicht begriffen wird. Interesse und Verständniss für diese Sätze werden nicht durch den blossen Vortrag geweckt, wogegen oft die einmalige praktische Anwendung eines Satzes genügt, um den Schüler mit ihm vertraut zu machen. Zweitens gibt es eine Reihe von Aufgaben, deren Ausführung dem Chemiker, Mineralogen, Mediciner, Pharmaceuten oder Techniker bekannt sein soll. Die Vorlesung, wenn sie überhaupt auf eine solche Aufgabe eingeht, kann dieselbe nur in principieller Weise behandeln; von hier aber bis zur praktischen Ausführung ist noch ein weiter Schritt. Der Stand der Kenntnisse in diesen Dingen macht denn auch den bisherigen Mangel an praktischem Unterricht fühlbar genug: ihre geringe Verbreitung, die oft eine erstaunliche Scheu vor den einfachsten physikalischen Aufgaben zur Folge hat, ist eben so bekannt, wie erschreckend gross. Sodann aber liegt für die Physik selbst das Bedürfniss einer Vorschule für die experimentelle wissenschaftliche Forschung vor. Unterrichtsgegenstand kann freilich die eigentliche Forschung nur in sehr beschränktem Maasse sein, wohl aber fordern die Pflicht und das eigene Interesse von der Physik, dass sie den künftigen Physiker mit seinem, ich möchte sagen wissenschaftlichen Handwerkszeug vertraut macht. Es bleibt immer noch mehr als genug Detail übrig, welches bei einer Untersuchung selbständig beschafft werden muss. Die genannten drei Disciplinen sind es in erster Linie, welche das Buch in's Auge fasst, indem es Vorschriften zur Ausführung physikalischer Messungen gibt und dabei diejenigen bevorzugt, welche als Anwendungen ausserhalb der Physik oder als Elemente wissenschaftlicher Untersuchung eine besondere Bedeutung haben. Soll auch die vierte Aufgabe, nämlich die Heranbildung physikalischer Lehrer durch Versuche mit Unterrichtsapparaten hereingezogen werden, so glaube ich, dass auch diese Uebungen am besten, durch eine passende Auswahl der instrumentellen Mittel, mit messenden Aufgaben zu verbinden sind. Dadurch wird die Gefahr vermieden, dass die Anstellung von Versuchen ohne ein unmittelbares Ziel in Spielerei ausarte. Ein eigentlicher Cursus in Unterrichts- Experimenten würde manchen Schwierigkeiten begegnen; er erscheint aber auch unnöthig, denn wer sich in den quantitativen Aufgaben einige Gewandtheit erworben hat, wird auch die Vorlesungsversuche ohne Schwierigkeit bewältigen. Inhalt und Umfang einer Anleitung zur physikalischen Arbeit wird vor Allem durch die Grenze der Genauigkeit bestimmt, bis zu welcher die Aufgaben durchgeführt werden sollen, und darin bleibt natürlich ein weiter Spielraum. Ich habe diejenige Grenze inne zu halten gesucht, bei welcher die um der Einfachheit willen vernachlässigten Correctionen mindestens nicht grösser sind, als die unfreiwilligen Beobachtungsfehler bei den gewöhnlich gebrauchten Instrumenten und bei mittlerer Geschicklichkeit im Beobachten. Bei den sehr auseinandergehenden individuellen Zwecken und Mitteln kann ich selbstverständlich nicht daran denken, Jedermanns Wünschen gerecht geworden zu sein; vielmehr wird ohne Zweifel an manchen Stellen der Eine noch eine gründlichere Behandlung vermissen, wo dem Anderen die Strenge schon als Pedanterie erscheint. An bestimmte Instrumente schliessen sich die Anleitungen, wo es möglich war, nicht an, und auch Beschreibungen von Apparaten finden sich selten, denn letztere sind ja dem Arbeitenden meistens gegeben, und in den Lehrbüchern der Experimentalphysik findet er fast immer Abbildungen und Beschreibungen. Nur bei einigen neueren oder weniger bekannten Apparaten ist eine Ausnahme gemacht. Die ausführliche Begründung aller Rechnungsregeln würde zu weit gehen, doch sind häufig kurze Beweise und Erläuterungen (mit kleiner Schrift) beigefügt worden, um dem Prakticanten die Einsicht in den Zusammenhang zu erleichtern. Zum Verständniss der magnetischen und elektrischen absoluten Messungen, denen eine übersichtliche Literatur fehlt, auf welche aber die praktische Physik das grösste Gewicht legen muss, wird im Anhang eine kurze Darlegung der wichtigsten Puncte des absoluten Mafssystems gegeben. Der mathematische Apparat beschränkt sich, ausser an wenigen Stellen in den Erläuterungen, auf Elementar-Mathematik. Dass die Zeichen der chemischen Grundstoffe mit derjenigen Zahlenbedeutung angewandt werden, welche sie vor etwa 15 Jahren eine Zeitlang stabil besassen, ist darin begründet, dass diese Bedeutung auch den in der neueren Chemie Unterrichteten niemals zu einem Irrthum veranlassen wird, während das Umgekehrte vorkommen könnte. Von den zum Theil neu berechneten Tabellen dürften manche auch für Physiker nützlich sein. Ich habe mich bemüht, sie auf das beste Beobachtungsmaterial zu gründen. Inhalt. Einleitung. 1. Beobachtungsfehler. Mittlerer und wahrscheinlicher Fehler. 2. Einfluss der Beobachtungsfehler auf das Resultat Näherungsregeln für das Rechnen mit kleinen Grössen. 3. Bestimmung empirischer Constanten mit kleinsten Quadraten . 4. Correctionen und Correctionsrechnungen. 5. Regeln für das Zahlenrechnen Aufgaben der praktischen Physik. Wägung und Dichtigkeitsbestimmung. 6. Aufstellung und Prüfung einer Wage. 7. Wägung durch Beobachtung der Schwingungen einer Wage 8. Bestimmung der Empfindlichkeit einer Wage. 9. Bestimmung des Verhältnisses der Wagebalken. 10. Absolute Wägung eines Körpers. Doppelwägung. Tarirung. 34 35 39 39 40 42 11. Reduction der Wägung auf den leeren Raum . 12. Correctionstabelle eines Gewichtsatzes 13. Dichtigkeit oder specifisches Gewicht. Bestimmungsmethoden für Flüssigkeiten 14. Dichtigkeitsbestimmung mit dem Tarirfläschchen 15. Dichtigkeit. Reduction der Wägung auf Wasser von 4o und auf den leeren Raum. 44 . 16. Dichtigkeit. Reduction auf eine Normaltemperatur 46 17. Dichtigkeitsbestimmung mit dem Volumenometer 47 18. Berechnung der Dichtigkeit der Luft oder eines Gases aus Druck und Temperatur 48 19. Bestimmung einer Dampf- oder Gasdichte. Dampfdichtebestimmung nach Dumas Dampfdichtebestimmung nach Gay-Lussac (Hofmann) 48 49 53 Gasdichte 54 Luftdruck. VII Seite 20. Bestimmung des atmosphärischen Druckes (Barometerstandes). Correction wegen Temperatur, Capillardepression, Dampfspannung und Aenderung der Schwere . 21. Barometrische Höhenmessung (Hypsometrie) -Wärme. 22. Eispunct und Siedepunct eines Thermometers Ablösen eines Fadens von beliebiger Länge Mit mehreren Fäden Vergleichung mit dem Quecksilber-Thermometer 25. Temperaturbestimmung mit einem Thermoelement. 26. Bestimmung des Wärme-Ausdehnungscoefficienten Durch Längenmessung Durch Wägung . 27. Siedepunct einer Flüssigkeit. Correction wegen des herausragen den Fadens und des Barometerstandes 28. Bestimmung der Luftfeuchtigkeit (Hygrometrie). Daniell'sches und Regnault'sches Hygrometer August'sches Psychrometer. 29. Specifische Wärme. Mischungsmethode. Feste Körper. 30. Specifische Wärme. Erkaltungsmethode 31. Specifische Wärme. Methode der Eisschmelzung Eiscalorimeter von Bunsen . 32. Vergleichung des Wärmeleitungsvermögens zweier Stäbe Elasticität. 33. Elasticitätsmodul durch Ausdehnung . 34. Elasticitätsmodul aus Longitudinalschwingungen Zweite Definition des Elasticitätsmodul 35. Elasticitätsmodul durch Biegung 36. Elasticitätsmodul durch Torsionsschwingungen 37. Bestimmung der Schallgeschwindigkeit durch Staubfiguren nach 54 56 58 59 60 61 63 65 66 68 69 70 70 70 71 72 73 73 75 75 77 78 79 80 81 83 85 86 87 89 39. Bestimmung eines Brechungsverhältnisses mit dem Spectrometer 94 Messung des brechenden Winkels des Prisma Messung des Ablenkungswinkels. Fraunhofer'sche Linien 94 95 96 |