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die Wirklichkeit der äußeren Erscheinungen im jeßigen Zustande (im Leben) beruhe, mithin auch nicht, daß die Bedingung aller außeren Anschauung, oder auch das denkende Subject selbst nach demfelben (im Tode) aufhören werde.

"So ist denn also aller Streit über die Natur unseres denkenden Wesens und der Verknüpfung desselben mit der Körperwelt lediglich eine Folge davon, daß man in Ansehung dessen, wovon man nichts weiß, die Lücke durch Paralogismen der Vernunft ausfüllt, da man seine Gedanken zu Sachen macht und sie hypostafirt, woraus eingebildete Wissenschaft, sowohl in Ansehung dessen, der bejahend, als dessen, der verneinend behauptet, entspringt; indem ein Jeder entweder von Gegenständen etwas zu wissen vermeint, davon kein Mensch einigen Begriff hat, oder feine eigenen Vorstellungen zu Gegenständen macht und sich so in einem ewigen Zirkel von Zweideutigkeiten und Widersprüchen herum drehet. Nichts, als die Nüchternheit einer strengen, aber gerechten Kritik, kann von diesem dogmatischen Blendwerke, der so Viele durch eingebildete Glückseligkeit unter Theorien und Systemen hinhält, befreien und alle unsere speculativen Ansprüche blos auf das Feld möglicher Erfahrung einschränken, nicht etwa durch schalen Spott über so oft fehlgeschlagene Versuche, ober fromme Seufzer über die Schranken unferer Vernunft, sondern vermittelst einer nach sicheren Grundfäßen vollzogenen Grenzbestimmung derfelben, welche ihr nihil ulterias mit großester Zuverlässigkeit an die herculischen Säulen heftet, die die Natur selbst aufgestellt hat, um die Fahrt unserer Vernunft nur so weit, als die stetig fortlaufenden Küsten der Erfahrung reichen, fortzusehen, die wir nicht verlassen können, ohne uns auf einen uferlofen Ocean zu wagen, der uns unter immer truglichen Aussichten am Ende nöthigt, alle beschwerliche und langwierige Bemühung, als hoffnungslos aufzugeben.

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Wir sind noch eine deutliche und allgemeine Erörterung des transscendentalen und doch natürlichen Scheins in den Paralogismen der teinen Vernunft, imgleichen die Rechtfertigung der systematischen

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und der Tafel der Kategorien parallel laufenden Anordnung derselben bisher schuldig geblieben. Wir hätten sie im Anfange dieses Abschnitts nicht übernehmen können, ohne in Gefahr der Dunkelheit zu gerathen, oder uns unschicklicher Weise selbst vorzugreifen. Jetzt wollen wir diese Obliegenheit zu erfüllen suchen.

Man kann allen Schein darin sehen, daß die subjective Bedingung des Denkens für die Erkenntniß des Objects gehalten wird. Ferner haben wir in der Einleitung in die transscendentale Dialektik gezeigt, daß reine Vernunft sich lediglich mit der Totalitát der Synthesis der Bedingungen zu einem gegebenen Bedingten beschäftige. Da nun der dialektische Schein der reinen Vernunft kein empirischer Schein sein kann, der sich beim bestimmten empirischen Erkenntnisse vorfindet, so wird er das Algemeine der Bedingungen des Denkens betreffen, und es wird nur drei Fålle des dialektischen Gebrauchs der reinen Vernunft geben,

1) die Synthesis der Bedingungen eines Gedankens überhaupt; 2) die Synthesis der Bedingungen des empirischen Denkens; 3) die Synthesis der Bedingungen des reinen Denkens.

In allen diesen dreien Fällen beschäftigt sich die reine Vernunft blos mit der absoluten Totalität dieser Synthesis d. i. mit derjenigen Bedingung, die selbst unbedingt ist. Auf diese Eintheilung gründet sich auch der dreifache transscendentale Schein, der zu drei Abschnitten der Dialektik Anlaß gibt, und zu eben so viel scheinbaren Wissenschaften aus reiner Vernunft, der transscendentalen Psychologie, Kosmologie und Theologie die Idee an die Hand gibt. Wir haben es hier nur mit der ersteren zu thun.

Weil wir beim Denken überhaupt von aller Beziehung des Gedankens auf irgend ein Object, (es sei der Sinne oder des reinen Verstandes,) abstrahiren, so ist die Synthesis der Bedingungen eines Gedankens überhaupt (Nro. 1) gar nicht objectiv, sondern blos eine Synthesis des Gedankens mit dem Subject, die aber fälschlich für eine synthetische Vorstellung eines Objects gehalten wird.

Es folgt aber auch hieraus, daß der dialektische Schluß auf die Bedingung alles Denkens überhaupt, die selbst unbedingt ist,

nicht einen Fehler im Inhalte begehe, (denn er abstrahirt von allem Inhalte oder Objècte,) fondern, daß er allein in der Form fehle und Paralogismus genannt werden müsse,

Weil ferner die einzige Bedingung, die alles Denken begleitet, das Ich, in dem allgemeinen Sage: Ich denke, ist, so hat die Bernunft es mit dieser Bedingung, sofern sie selbst unbedingt ist, zu thun. Sie ist aber nur die formale Bedingung,' nämlich die logische Einheit eines jeden Gedankens, bei dem ich von allem Gegenstande abstrahire, und wird gleichwohl als ein Gegenstand, den ich denke, nämlich: Ich selbst und die unbedingte Einheit desselben vorgestellt.

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Wenn mir Jemand überhaupt die Frage aufwürfe: - von welcher Beschaffenheit ist ein Ding, welches denkt? so weiß ich darauf a priori nicht das Mindeste zu antworten, weil die Antwort fyn: thetisch sein soll; (denn eine analytische erklärt vielleicht wohl das Denken, aber gibt keine erweiterte Erkenntniß von demjenigen, worauf dieses Denken seiner Möglichkeit nach beruht.) Zu jeder synthetischen Auflösung aber wird Anschauung erfordert, die in der fo allgemeinen Aufgabe gänzlich weggelassen worden. Eben so kann Niemand die Frage in ihrer Allgemeinheit beantworten: was wohl das für ein Ding sein müsse, welches beweglich ist? Denn die undurchdringliche Ausdehnung. (Materie) ist alsdenn nicht gegeben. Ob ich nun zwar allgemein auf jene Frage keine Antwort weiß, so scheint es mir doch, daß ich sie im einzelnen Falle, in dem Sage, der das Bewußtsein ausdrückt: Ich denke, geben könne. Denn dieses Ich ist das erste Subject d. i. Substanz, es ist einfach x. Dieses müßten aber alsdenn lauter Erfahrungsfähe sein, die gleichwohl ohne eine allgemeine Regel, welche die Bedingungen der Möglichkeit zu denken überhaupt und à priori aussagte, keine dergleichen Prädicate, (welche nicht empirisch sind,) enthalten könnte. Auf solche Weise wird mir meine anfänglich so scheinbare Einsicht, über die Natur eines denkenden Wesens und zwar aus lauter Begriffen zu urtheilen, verdächtig, ob ich gleich den Fehler derselben noch nicht entdeckt habe.

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Allein das weitere Nachforschen hinter den Ursprung dieser At: tribute, die ich mir, als einem denkenden Wesen überhaupt, beilege kann diesen Fehler aufdecken. Sie sind nichts mehr, als reine Ka= tegorien, wodurch ich niemals einen bestimmten Gegenstand, sondern nur die Einheit der Vorstellungen, um einen Gegenstand derselben zu bestimmen, denke. Ohne eine zum Grunde liegende Anschauung kann die Kategorie allein mir keinen Begriff von einem Gegenstande verschaffen; denn nur durch Anschauung wird der Gegenstand gegeben, der hernach der Kategorie gemäß gedacht wird. Wenn ich ein Ding für eine Substanz in der Erscheinung erkläre, so müssen mir vorher Prádicate feiner Anschauung gegeben sein, an denen ich das Be: harrliche vom Wandelbaren und das Substratum (Ding selbst) von. demjenigen, was ihm blos anhängt, unterscheide. Wenn ich ein Ding einfach in der Erscheinung nenne, so verstehe ich darunter, daß die Anschauung desselben zwar ein Theil der Erscheinung sei, selbst aber nicht getheilt werden könne u. s. w. Ist aber etwas nur für einfach im Begriffe und nicht in der Erscheinung erkannt, so habe ich dadurch wirklich gar keine Erkenntniß von dem Gegenstande, sondern mur von meinem Begriffe, den ich mir von Etwas überhaupt mache, das keiner eigentlichen Anschauung fähig ist. Ich sage nur, daß ich etwas ganz einfach denke, weil ich wirklich nichts weiter, als blos, daß es Etwas sei, zu sagen weiß.

Nun ist die blose Upperception (Ich). Substanz im Begriffe, einfach im Begriffe x. und so haben alle jene psychologischen Lehrsähe ihre unstreitige Richtigkeit. Gleichwohl wird dadurch doch dasjenige keineswegs von der Seele erkannt, was man eigentlich wissen will; denn alle diese Prádicate gelten gar nicht von der Anschauung und können daher auch keine Folgen haben, die auf Gegenstände der Erfahrung angewandt würden, mithin sind sie völlig leer. Denn jener Begriff der Substanz lehrt mich nicht, daß die Seele für sich selbst fortdaure, nicht, daß sie von den äußeren Anschauungen ein Theil sei, der selbst nicht mehr getheilt werden könne, und der also durch keine Veränderungen der Natur- entstehen oder vergehen könne; lauter Eigenschaften, die mir die Seele im Zusammenhange der Er

fahrung kennbar machen, und in Ansehung ihres Ursprungs und künftigen Zustandes Eröffnung geben könnten. Wenn ich nun aber durch blose Kategorie sage: die Seele ist eine einfache Substanz, so ist klar, daß, da der nackte Verstandesbegriff von Substanz nichts weiter enthält, als daß ein Ding, als Subject an sich, ohne wiederum Prádicat von einem anderen zu sein, vorgestellt werden solle, daraus nichts von Beharrlichkeit folge, und das Attribut des Einfachen diese Beharrlichkeit gewiß nicht hinzusehen könne, mithin man dadurch über das, was die Seele bei den Weltveränderungen treffen könne, nicht im Mindesten unterrichtet werde. Würde man uns sagen können, sie ist ein einfacher Theil der Materie, so würden wir von dieser, aus dem, was Erfahrung von ihr lehrt, die Beharrlichkeit, und mit der einfachen Natur zusammen die Unzerstörlichkeit derselben ableiten können. Davon sagt uns aber der Begriff des Ich in dem psychologischen Grundsage (Ich denke) nicht ein Wort.

Daß aber das Wesen, welches in uns denkt, durch reine Kategorien und zwar diejenige, welche die absolute Einheit unter jedem Titel derselben ausdrücken, sich selbst zu erkennen vermeine, rührt daher. Die Upperception ist selbst der Grund der Möglichkeit der Kategorien, welche ihrerseits nichts Underes vorstellen, als die Synthesis des Mannigfaltigen der Unschauung, so fern dasselbe in der Apperception Einheit hat. Daher ist das Selbstbewußtsein überhaupt die Vorstellung desjenigen, was die Bedingung aller Einheit und doch selbst unbedingt ist. Man kann daher von dem denkenden Ich (Seele), das sich als Substanz, einfach, numerisch identisch in aller Zeit, und das Correlatum alles Daseins, aus welchem alles andere Dasein geschlossen werden muß, vorstellt, sagen: daß es nicht sowohl sich selbst durch die Kategorien, sondern die Kategorien und durch sie alle Gegenstände in der absoluten Einheit der Apperception, mithin durch sich selbst erkennt. Nun ist zwar sehr einleuchtend, daß ich dasjenige, was ich vorausseßen muß, um überhaupt ein Object zu erkennen, nicht selbst als Object erkennen könne, und daß das bestimmende Selbst (das Denken) von dem

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