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geschlossen. Wir würden auch, wenn wir es gleich, darauf anlegten, durch keine sichere Beobachtung eine solche Beharrlichkeit darthun können. Denn das Ich ist zwar in allen Gedanken; es ist aber mit dieser Vorstellung nicht die mindeste Anschauung verbunden, die es von anderen Gegenstånden der Anschauung unterschiede.

Man kann also zwar wahrnehmen, daß diese Vorstellung bei allem Denken immer wiederum vorkommt, nicht aber, daß es eine stehende und bleibende Unschauung sei, worin die Gedanken (als wandelbar) wechselten.

Hieraus folgt, daß der erste Vernunftschluß der transscendentalen Psychologie uns nur eine vermeintliche neue Einsicht aufhefte, indem er das beständige logische Subject des Denkens für die Erkenntniß des realen Subjects der Inhárenz ausgibt, von welchem wir nicht die mindeste Kenntniß haben, noch haben können, weil das Bewußtsein das einzige ist, was alle Vorstellungen zu Gedanken macht, und worin mithin alle unsere Wahrnehmungen, als dem transscendentalen Subjecte müssen angetroffen werden, und wir, außer dieser logischen Bedeutung des Ich, keine Kenntniß von dem Subjecte, an sich selbst haben, was diesem, so wie allen Gedanken, alz Substratum zum Grunde liegt. Indessen kann man den Say: die Seele ist Substanz, gar wohl gelten lassen, wenn man sich nur bescheidet, daß uns dieser Begriff nicht im Mindesten weiter führe, oder irgend eine von den gewöhnlichen Folgerungen der vers nünftelnden Seelenlehre, als z. B. die immerwährende Dauer derselben bei allen Veränderungen und selbst dem Lode des Menschen lehren könne, daß er also nur eine Substanz in der Idee, aber nicht in der Realität bezeichne.

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Dasjenige Ding, dessen Handlung niemals als die Concurrenz vieler handelnder Dinge angesehen werden kann, ist einfach. Nun ist die Seele, oder das denkende Ich ein solches;

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Kritik des zweiten Paralogismus der transscendentalen Psychologie.

Dies ist der Achilles aller dialektischen Schlüsse der reinen Seclenlehre, nicht etwa blos ein sophistisches Spiel, welches ein Dogmatiker erkünstelt, um seinen Behauptungen einen flüchtigen Schein zu geben, sondern ein Schluß, der sogar die schärfste Prüfung und die größte Bedenklichkeit des Nachforschens auszuhalten scheint. Hier ist er.

Eine jede zusammengesezte Substanz ist ein Aggregat vieler, und die Handlung eines Zusammengesetzten, oder das, was ihm, als einem solchen inhárirt, ist ein Aggregat vieler Handlungen oder Accidenzen, welche unter der Menge der Substanzen vertheilt sind. Nun ist zwar eine Wirkung, die aus der Concurrenz vieler handelnden Substanzen entspringt, möglich, wenn diese Wirkung blos äußerlich 'ist, (wie z. B. die Bewegung eines Körpers die vereinigte Bewegung aller seiner Theile ist.) Allein mit Gedanken, als innerlich zu einem denkenden Wesen gehörigen Accidenzen, ist es anders beschaffen. Denn sehet, das Zusammengesette dächte, so würde ein jeder Theil desselben einen Theil des Gedanken, alle aber zusammengenommen allererst den ganzen Gedanken enthalten. Nun ist dieses aber widersprechend. Denn weil die Vorstellungen, die unter verschiedenen Wesen vertheilt sind, (z. B. die einzelnen Wörter eines Verses,) niemals einen ganzen Gedanken (einen Vers) ausmachen, so kann der Gedanke nicht einem Zusammengesehten, als einem solchen inhäriren. Er ist also nur in einer Substanz möglich, die nicht ein Aggregat von vielen, mithin schlechterdings einfach ist*).

Der sogenannte nervus probandi dieses Arguments liegt in dem Sahe: daß viele Vorstellungen in der absoluten Einheit des denkenden Subjects enthalten sein müssen, um einen Gedanken aus

*) Es ist sehr leicht, diesem Beweise die gewöhnliche schulgerechte Abgemessenheit der Einkleidung zu geben. Alein es ist zu meinem Zwecke schon hinreichend, den blosen Beweisgrund, allenfalls auf populåre Art vor Augen zu legen.

zumachen. Diesen Sah aber kann Niemand aus Begriffen beweisen. Denn wie wollte er es wohl anfangen, um dieses zu leisten? Der Sat: ein Gedanke kann nur die Wirkung der absoluten Einheit des denkenden Wesens sein, kann nicht als analytisch behandelt werden. Denn die Einheit des Gedankens, der aus vielen Borstellungen besteht, ist collectiv und kann sich, den blosen Begriffen nach, eben sowohl auf die collective Einheit der daran mitwirkenden Substanzen beziehen, (wie die Bewegung eines Körpers die zusammengesetzte Bewegung aller Theile desselben ist,) als auf die absolute Einheit des Subjects. Nach der Regel der Identität kann also die Nothwendigkeit der Voraussetzung einer einfachen Substanz bei einem zusammengesetzten Gedanken nicht eingesehen werden. Daß aber eben derselbe Sah synthetisch und völlig a priori aus lauter Begriffen erkannt werden solle, das wird sich Niemand zu verant worten getrauen, der den Grund der Möglichkeit synthetischer Sähe a priori, so wie wir ihn oben dargelegt haben, einsieht.

Nun ist es aber auch unmöglich, diese nothwendige Einheit des Subjects, als die Bedingung der Möglichkeit eines jeden Gedankens aus der Erfahrung abzuleiten. Denn diese gibt keine Nothwendigkeit zu erkennen, geschweige daß der Begriff der absoluten Einheit weit über ihre Sphäre ist. Woher nehmen wir denn diesen Sah, worauf sich der ganze psychologische Vernunftschluß stüßet?

Es ist offenbar, daß, wenn man sich ein denkend Wesen vorstellen will, man sich selbst an seine Stelle schen und also dem Objecte, welches man erwägen wollte, fein eigenes Subject unterschieben müsse, (welches in keiner anderen Art der Nachforschung der Fall ist,) und daß wir nur darum absolute Einheit des Subjects zu einem Gedanken erfordern, weil sonst nicht gesagt werden könnte: Ich denke (das Mannigfaltige in einer Vorstellung). Denn obgleich das Ganze des Gedankens getheilt und unter viele Subjecte vertheilt werden könnte, so kann doch das subjective Ich nicht getheilt und vertheilt werden, und dieses sehen wir doch bei allem Denken voraus.

Also bleibt eben so hier, wie in dem vorigen Paralogismus,

der formale Saß der Apperception: Ich denke, der ganze Grund, auf welchen die rationale Psychologie die Erweiterung ihrer Erkenntnisse wagt, welcher Satz zwar freilich keine Erfahrung ist, sondern die Form der Apperception, die jeder Erfahrung anhängt und ihr vorgeht, gleichwohl aber nur immer in Ansehung einer möglichen Erkenntniß überhaupt als blos subjective Bedingung angesehen werden muß, die wir mit Unrecht zur Bedingung der Möglichkeit einer Erkenntniß der Gegenstände, nämlich zu einem Begriffe vom denkenden Wesen überhaupt machen, weil wir dieses uns leicht vorstellen können, ohne uns selbst mit der Formel unseres Bewußtfeins an die Stelle jedes anderen intelligenten Wesens zu sehen.

Aber die Einfachheit meiner selbst (als Seele) wird auch wirklich nicht aus dem Sahe: Ich denke, geschlossen, sondern der erstere fiegt schon in jedem Gedanken selbst. Der Sah: Ich bin einfach, muß als ein unmittelbarer Ausdruck der Apperception angesehen werden, so wie der vermeintliche cartesianische Schluß: cogito, ergo

in der That tautologisch ist, indem das cogito (sum cogitans) die Wirklichkeit unmittelbar aussagt. Ich bin einfach, bedeutet aber nichts mehr, als daß diese Vorstellung: Ich, nicht die mindeste Mannigfaltigkeit in sich fasse, und daß sie absolute (obzwar blos logische) Einheit sei.

Also ist der so berühmte psychologische Beweis lediglich auf der untheilbaren Einheit einer Vorstellung, die nur das Verbum in Unsehung einer Person dirigirt, gegründet. Es ist aber offenbar, daß das Subject der Inhárenz durch das dem Gedanken angehängte Ich nur transscendental bezeichnet werde, ohne die mindeste Eigenschaft desselben zu bemerken, oder überhaupt etwas von ihm zu kennen oder zu wissen. Es bedeutet ein Etwas überhaupt (transscendentales Subject), dessen Vorstellung allerdings einfach sein muß, eben darum, weil man gar nichts an ihm bestimmt, wie denn gewiß nichts einfacher vorgestellt werden kann, als durch den Begriff von einem blosen Etwas. Die Einfachheit aber der Vorstellung von einem Subject ist darum nicht eine Erkenntniß von der Einfachheit des Subjects selbst; denn von dessen Eigenschaften wird gänzlich

abstrahirt, wenn es lediglich durch den an Inhalt gänzlich leeren Ausdruck: Ich, (welchen ich auf jedes denkende Subject anwenden kann,) bezeichnet wird.

So viel ist gewiß, daß ich mir durch das Ich jederzeit eine absolute, aber logische Einheit des Subjects (Einfachheit) gedenke, aber nicht, daß ich dadurch die wirkliche Einfachheit meines Subjects erkenne. So wie der Sah: Ich bin Substanz, nichts, als die reine Kategorie bedeutete, von der ich in concreto keinen Gebrauch (empirischen) machen kann, so ist es mir auch erlaubt zu sagen: Ich bin eine einfache Substanz, d. i. deren Vorstellung niemals eine Synthesis des Mannigfaltigen enthält; aber dieser Begriff, oder auch dieser Sah lehrt uns nicht das Mindeste in Ansehung meiner selbst als eines Gegenstandes der Erfahrung, weil der Begriff der Substanz selbst nur als Function der Synthesis, ohne unterlegte Anschauung, mithn ohne Object gebraucht wird, und nur von der Bedingung unserer Erkenntniß, aber nicht von irgend einem anzugebenden Gegenstande gilt. Wir wollen über die vermeintliche. Brauchbarkeit dieses Sahes einen Versuch anstellen.

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Jedermann muß gestehen, daß die Behauptung von der einfachen Natur der Seele nur sofern von einigem Werthe sei, als ich dadurch dieses Subject von aller Materie zu unterscheiden und fie folglich von der Hinfälligkeit ausnehmen kann, der diese jederzeit unterworfen ist. Auf diesen Gebrauch ist obiger Saß auch ganz eigentlich angelegt, daher er auch mehrentheils so ausgedrückt wird: die Seele ist nicht körperlich. Wenn ich nun zeigen kann, daß, ob man gleich diesem Cardinalsaße der rationalen Seelenlehre, in der reinen Bedeutung eines blofen Vernunfturtheils (aus reinen Kategorien) alle objective Gültigkeit einräumt, (Alles, was denkt, ist einfache Substanz,) dennoch nicht der mindeste Gebrauch von diesem Sage in Ansehung der Ungleichartigkeit oder Verwandtschaft derselben mit der Materie gemacht werden könne, so wird dieses eben so viel sein, als ob ich diese vermeintliche philosophische Einsicht in das Feld bloser Ideen verwiesen hätte, denen es an Realität des objectiven Gebrauchs mangelt.

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