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nicht die Bewegung der Materie in uns Vorstellungen wirke, sondern daß sie selbst, (mithin auch die Materie, die sich dadurch kennbar macht,) blose Vorstellung sei und endlich die ganze selbst gemachte Schwierigkeit darauf hinauslaufe: wie und durch welche Ursache die Vorstellungen unserer Sinnlichkeit so unter einander in Verbindung stehen, daß diejenige, welche wir außere Anschauungen nennen, nach empirischen Geseßen, als Gegenstände außer uns vor: gestellt werden können? welche Frage nun ganz und gar nicht die vermeinte Schwierigkeit enthält, den Ursprung der Vorstellungen von außer uns befindlichen, ganz fremdartigen wirkenden Ursachen zu erklären, indem wir die Erscheinungen einer unbekannten Ursache für die Ursache außer uns nehmen, welches nichts, als Verwirrung veranlassen kann. In Urtheilen, in denen eine durch lange Gewohnheit eingewurzelte Mißdeutung vorkommt, ist es unmöglich, die Berich tigung fofort zu derjenigen Faßlichkeit zu bringen, welche in anderen Fällen gefordert werden kann, wo keine dergleichen unvermeidliche Illusion den Begriff verwirrt. Daher wird diese unsere Befreiung der Vernunft von sophistischen Theorien schwerlich schon die Deutlichkeit haben, die ihr zur völligen Befriedigung nöthig ist.

Ich glaube diese auf folgende Weise befördern zu können.

Alle Einwürfe können in dogmatische, kritische und skeptische eingetheilt werden. Der dogmatische Einwurf ist, der wider einen Sak, der kritische, der wider den Beweis eines Sahes gerichtet ist. Der erstere bedarf einer Einsicht in die Beschaffenheit der Natur eines Gegenstandes, um das Gegentheil von demjenigen behaupten zu können, was der Sag von diesem Gegenstande vorgibt; er ist daher selbst dogmatisch und gibt vor, die Beschaffenheit, von der die Rede ist, besser zu kennen, als das Gegentheil. Der kritische Einwurf, weil er den Sah in seinem Werthe oder Unwerthe unangetastet läßt und nur den Beweis anficht, bedarf gar nicht den Gegenstand besser zu kennen oder sich einer besseren Kenntniß desselben anzumaßen; er zeigt nur, daß die Behauptung grundlos, nicht, daß fie unrichtig sei. Der skeptische stellt Sat und Gegensatz wechselseitig gegen einander, als Einwürfe von gleicher Erheblichkeit, einen

jeden derselben wechselsweise als Dogma und den anderen als dessen Einwurf, ist also auf zwei entgegengesetten Seiten dem Scheine nach dogmatisch, um alles Urtheil über den Gegenstand gänzlich zu vernichten. Der dogmatische also sowohl, als skeptische Einwurf, müssen beide soviel Einsicht ihres Gegenstandes vorgeben, als nöthig ist, etwas von ihm bejahend oder verneinend zu behaupten. Der kritische ist allein von der Art, daß, indem er blos zeigt, man nehme zum Behuf seiner Behauptung etwas an,' was nichtig und blos eingebildet ist, die Theorie stürzt, dadurch, daß er ihr die angemaßte Grundlage entzieht, ohne sonst etwas über die Beschaffenheit des Gegenstandes ausmachen zu wollen.

Nun sind wir nach den gemeinen Begriffen unserer Vernunft in Ansehung der Gemeinschaft, darin unser denkendes Subject mit den Dingen außer uns steht, dogmatisch und sehen diese als wahrhafte unabhängig von uns bestehende Gegenstånde an, nach einem gewissen transscendentalen Dualismus, der jene äußeren Erschei'nungen nicht als Vorstellungen zum Subjecte zählt, sondern sie, so wie sinnliche Anschauung sie uns liefert, außer uns als Objecte versetzt und sie von dem denkenden Subjecte gänzlich abtrennt. Diese Subreption ist nun die Grundlage aller Theorien über die Gemeinschaft zwischen Seele und Körper, und es wird niemals gefragt: ob denn diese objective Realität der Erscheinungen so ganz richtig sei? sondern diese wird als zugestanden vorausgesetzt und nur über die Art vernünftelt, wie sie erklärt und begriffen werden müsse. Die gewöhnlichen drei hierüber erdachten und wirklich einzig möglichen Systeme sind die des physischen Einflusses, der vorher be stimmten Harmonie und der übernatürlichen Assistenz.

Die zwei letzteren Erklärungsarten der Gemeinschaft der Seele mit der Materie sind auf Einwürfe gegen die erstere, welche die Vorstellung des gemeinen Verstandes ist, gegründet, daß nämlich dasjenige, was als Materie erscheint, durch seinen unmittelbaren Einfluß nicht die Ursache von, Vorstellungen, als einer ganz heterogenen Art von Wirkungen, sein könne. Sie können aber alsdenn mit dem, was sie unter dem Gegenstande äußerer Sinne verstehen,

E nicht den Begriff einer Materie perbinden, welche nichts, als Er= Escheinung, mithin schon an sich selbst blose Vorstellung ist, die durch irgend welche äußere Gegenstände gewirkt worden; denn sonst würden sie sagen, daß die Vorstellungen äußerer Gegenstände (die Erscheinungen) nicht außere Ursachen der Vorstellungen in unserem Gemüthe sein können, welches ein ganz sinnleerer Einwurf sein würde, weil es Niemandem einfallen wird, das, was er einmal als blose Vorstellung anerkannt hat, für eine äußere Ursache zu halten. Sie müssen also nach unseren Grundsähen ihre Theorie darauf richten, daß dasjenige, was der wahre (transscendentale) Gegenstand unserer äußeren Sinne ist, nicht die Ursache derjenigen Vorstellungen (Erscheinungen), sein könne, die wir unter dem Namen Materie verstehen. Da nun, Niemand mit Grund vorgeben kann, etwas von der transscendentalen Ursache unserer Vorstellungen auße rer Sinne zu kennen, so ist ihre Behauptung ganz grundlos. Wollten aber die vermeinten Verbesserer der Lehre vom physischen Einflusse, nach der gemeinen Vorstellungsart eines transscendentalen Dualismus, die Materie als solche für ein Ding an sich selbst, (und nicht als blose Erscheinungen eines unbekannten Dinges) ansehen und ihren Einwurf_dahin richten, zu zeigen, daß ein solcher außerer Gegenstand, welcher keine andere Causalitât, als die der Bewegungen an sich zeigt, nimmermehr die wirkende Ursache von Vorstellungen sein könne, sondern daß sich ein drittes Wesen deshalb ins Mittel schlagen, müsse, um, wo nicht Wechselwirkung, doch wenigstens Correspondenz und Harmonie zwischen beiden zu stiften; so würden sie ihre Widerlegung davon anfangen, das лowτov yevdos des physischen Einflusses in ihrem Dualismus anzunehmen und also durch ihren Einwurf nicht sowohl den natürlichen Einfluß, sondern ihre eigene dualistische Voraussetzung widerlegen. Denn alle Schwierigkeiten, welche die Verbindung der denkenden Natur mit der Materie treffen, entspringen ohne Ausnahme lediglich aus jener erschlichenen dualistischen Vorstellung: daß Materie als solche nicht Erscheinung d. i. blose Vorstellung des Gemüths, der ein unbekannter Gegenstand entspricht, sondern der GeKant f. B. II.

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genstand an sich selbst sei, sowie er außer uns und unabhängig von aller Sinnlichkeit existirt.”

Es kann also wider den gemein angenommenen physischen Einfluß kein dogmatischer Einwurf gemacht werden. Denn nimmt der Gegner an, daß Materie und ihre Bewegung blose Erscheinungen und also selbst nur Vorstellungen seien, fo, kann er doch nur darin die Schwierigkeit sehen, daß der unbekannte Gegenstand unserer Sinnlichkeit nicht die Ursache der Vorstellungen in uns sein könne, welches aber vorzugeben ihn nicht das Mindeste berechtigt, weil Niemand von einem unbekannten Gegenstande ausmachen kann, was er thun oder nicht thun könne. Er muß aber, nach unseren obigen Beweisen, diesen transfcendentalen Idealismus nothwendig einräumen, wofern er nicht offenbar Vorstellungen hypostasiren und sie, als wahre Dinge, außer sich versehen will.

Gleichwohl kann wider die gemeine Lehrmeinung des physischen Einflusses ein gegründeter kritischer Einwurf gemacht werden. Eine solche vorgegebene Gemeinschaft zwischen zween Arten von Substanzen, der denkenden und der ausgedehnten, legt einen groben Dualismus zum Grunde und macht die lehtere, die doch nichts, als blose Vorstellungen des denkenden Subjects sind, zu Dingen, die für sich bestehen. Also kann der mißverstandene physische Einfluß dadurch völlig vereitelt werden, daß man den Beweisgrund desselben als nichtig und erschlichen aufdeckt.

Die berüchtigte Frage wegen der Gemeinschaft des Denkenden und Ausgedehnten, würde also, wenn man alles Eingebildete absondert, lediglich darauf hinauslaufen: wie in einem denkenden Subject überhaupt äußere Anschauung, nämlich die des Raumes (einer Erfüllung desselben, Gestalt und Bewegung) möglich sei? Auf diese Frage aber ist es keinem Menschen möglich eine Antwort zu finden, und man kann diese Lücke unseres Wissens niemals ausfüllen, sondern nur dadurch bezeichnen, daß man die äußeren Erscheinungen einem transscendentalen Gegenstande zuschreibt, welcher die Ursache dieser Urt Vorstellungen ist, den wir aber gar nicht kennen, noch jemals einigen Begriff von ihm be

kommen werden. In allen Aufgaben, die im Felde der Erfahrung vorkommen mögen, behandeln wir jene Erscheinungen als Gegenstånde an sich selbst, ohne uns um den ersten Grund ihrer Möglichkeit (als Erscheinungen) zu bekümmern. Gehen wir aber über 3 deren Grenze hinaus, so wird der Begriff eines transscendentalen Gegenstandes nothwendig.

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Von diesen Erinnerungen über die Gemeinschaft zwischen dem denkenden und den ausgedehnten Wesen ist die Entscheidung aller Streitigkeiten, oder Einwürfe, welche den Zustand der denkenden Natur vor dieser Gemeinschaft (dem Leben), oder nach aufgehobener solchen Gemeinschaft (im Tode) betreffen, eine unmittelbare Folge. Die Meinung, daß das denkende. Subject vor aller Gemeinschaft mit Körpern habe denken können, würde sich so ausdrücken: daß vor dem Anfange dieser Art der Sinnlichkeit, wodurch uns etwas im Raume erscheint, dieselben transscendentalen Gegenstande, welche im gegenwärtigen Zustande als Körper erscheinen, auf ganz andere Art haben angeschaut werden können. Die Meinung aber, daß die Seele, nach Aufhebung aller Gemeinschaft mit der körperlichen Welt, noch fortfahren könne zu denken, würde sich in dieser Form ankündigen: daß, wenn die Art der Sinnlichkeit, wodurch uns transscendentale und für jest ganz unbekannte Gegenstånde als materielle Welt erscheinen, aufhören sollte, so sei darum noch nicht alle Anschauung derselben, aufgehoben und es sei ganz wohl möglich, daß eben dieselben unbekannten Gegenstände fortführen, obzwar freilich nicht mehr in der Qualität der Körper, von dem denkenden Subjecte erkannt zu werden.

Nun kann zwar Niemand den mindesten Grund zu einer solchen Behauptung aus speculativen Principien anführen, ja nicht einmal die Möglichkeit davon darthun, sondern nur voraussehen; aber eben so wenig kann auch Jemand irgend einen gültigen dogmatischen Einwurf dagegen machen. Denn wer er auch sei, so weiß er eben so wenig von der absoluten und inneren Ursache äußerer und körperlicher Erscheinungen, wie ich oder Jemand anderes. Er kann also auch nicht mit Grunde vorgeben zu wissen, worauf

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