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mit irgend einer wirklichen Wahrnehmung, nach den Analogien der Erfahrung, welche alle reale Verknüpfung in einer Erfahrung überhaupt darlegen.

In dem blosen Begriffe eines Dinges kann gar kein Charakter seines Daseins angetroffen werden. Denn ob derselbe gleich noch so vollständig sei, daß nicht das Mindeste ermangele, um ein Ding mit allen feinen inneren Bestimmungen zu denken, so hat das Dasein mit Allem diesem doch gar nichts zu thun, sondern nur mit der Frage ob ein solches Ding uns gegeben sei? so daß die Wahrnehmung desselben vor dem Begriffe allenfalls vorhergehen könne. Denn daß der Begriff vor der Wahrnehmung vorhergeht, bedeutet dessen blose Möglichkeit; die Wahrnehmung aber, die den Stoff zum Begriff hergibt, ist der einzige Charakter der Wirklichkeit. Man kann aber auch vor der Wahrnehmung des Dinges, und also com: parativ a priori das Dasein desselben erkennen, wenn es nur mit einigen Wahrnehmungen nach den Grundsäten der empirischen Verknüpfung derselben (den Analogien) zusammenhängt. Denn alsdenn hängt doch das Dasein des Dinges mit unseren Wahrnehmungen in einer möglichen Erfahrung zusammen, und wir können nach dem Leitfaden jener Analogien von unserer wirklichen Wahrnehmung zu dem Dinge in der Reihe möglicher Wahrnehmungen gelangen. So erkennen wir das Dasein einer alle Körper durchdringenden magnetischen Materie aus der Wahrnehmung des gezogenen Eisenfeiligs, obzwar eine unmittelbare Wahrnehmung dieses Stoffs uns nach der Beschaffenheit unserer Organe unmöglich ist. Denn überhaupt würden wir, nach Gesetzen der Sinnlichkeit und dem Contert unserer Wahrnehmungen, in einer Erfahrung auch auf die unmittelbar empirische Anschauung derselben stoßen, wenn unsere Sinnen feiner wären, deren Grobheit die Form möglicher Erfahrung überhaupt nichts angeht. Wo also Wahrnehmung und deren Anhang nach empirischen Gesehen hinreicht, dahin reicht auch unsere Erkenntniß vom Dasein der Dinge. Fangen wir nicht von Erfahrung an' oder gehen wir nicht nach Gesehen des empirischen Zusammenhanges ́ der Erscheinungen fort, so machen wir uns vergeblich Staat, das Dasein

irgend eines Dinges errathen oder erforschen zu wollen. Einen mächtigen Einwurf aber wider diese Regeln, das Dasein mittelbar zu beweisen, macht der Idealismus, dessen Widerlegung hier an der rechten Stelle ist.

Widerlegung des Idealismus +).

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Der Idealismus, (ich verstehe den materialen,) ist die Theorie, welche das Dasein der Gegenstände im Raum außer uns entweder blos für zweifelhaft und unerweislich, oder für falsch und unmöglich erklärt; der erstere ist der problematische des Cartesius, der nur Eine empirische Behauptung (assertio), námlich: Ich bin, für ungezweifelt erklärt; der zweite ist der dogmatische des Berkeley, der den Raum, mit allen den Dingen, welchen er als unabtrennliche Bedingung anhängt, für etwas, was an sich selbst unmöglich sei, und darum auch die Dinge im Raum für blose Einbildungen erklärt. Der dogmatische Idealismus ist unvermeidlich, wenn man den Raum als Eigenschaft, die den Dingen an sich selbst zukommen soll, ansieht; denn da ist er mit Allem, dem er zur Bedingung dient, ein Unding. Der Grund zu diesem Idealismus aber ist von uns in der transscendentalen Aesthetik gehoben. Der problematische, der nichts hierüber behauptet, sondern ́nur das Unvermögen, ein Dasein außer dem unsrigen durch unmittelbare Erz fahrung zu beweisen, vorgibt, ist vernünftig und einer gründlichen philosophischen Denkungsart gemäß; nämlich, bevor ein hinreichender Beweis gefunden worden, kein entscheidendes Urtheil zu erlauben. Der verlangte Beweis muß also darthun, daß wir von außeren Dingen auch Erfahrung und nicht blos Einbildung haben; welches wohl nicht anders wird geschehen können,” als wenn man beweisen kann, daß selbst unsere innere, dem Cartesius unbes zweifelte, Erfahrung nur unter Vorausseßung äußerer Erfahrung möglich sei.

+) 3usas der 2. Ausg.

Lehrsak.

Das blose, aber empirisch bestimmte, Bewußtsein meines eigenen Daseins beweiset das Dasein der Gegenstånde im Raum außer mir.

Beweis.

Ich bin mir meines Daseins als in der Zeit bestimmt bewußt. Alle Zeitbestimmung seht etwas Beharrliches in der Wahrnehmung voraus. Dieses Beharrliche aber kann nicht etwas in mir sein; weil eben mein Dasein in der Zeit durch dieses Beharrliche allererst bestimmt werden kann. Also ist die Wahrnehmung dieses Beharrlichen nur durch ein Ding außer mir und nicht durch die blose Vorstellung eines Dinges außer mir möglich. Folglich ist die Bestimmung meines Daseins in der Zeit nur durch die Existenz wirklicher Dinge, die ich außer mir wahrnehme, möglich. Nun ist das Bewußtsein in der Zeit mit dem Bewußtsein der Möglichkeit dieser Zeitbestimmung nothwendig verbunden; also ist es auch mit der Existenz der Dinge außer mir, als Bedingung der Zeitbestim mung, nothwendig verbunden, d. i. das Bewußtsein meines eigenen Daseins ist zugleich ein unmittelbares Bewußtsein des Daseins anderer Dinge außer mir.

Anmerkung 1. Man wird in dem vorhergehenden Beweise gewahr, daß das Spiel, welches der Idealismus trieb, ihm mit mehrerem Rechte umgekehrt vergolten wird. Dieser nahm an, daß die einzige unmittelbare Erfahrung die innere sei und daraus auf außere Dinge nur geschlossen werde, aber, wie allemal, wenn man aus gegebenen Wirkungen auf bestimmte Ursachen schließt, nur unzuverlässig, weil auch in uns selbst die Ursache der Vorstels lungen liegen kann, die wir äußeren Dingen, vielleicht fälschlich zuschreiben. Allein hier wird bewiesen, daß äußere Erfahrung eigentlich unmittelbar sei *), daß nur vermittelst ihrer zwar nicht das Bewußtsein

*) Das unmittelbare Bewußtsein des Daseins dußerer Dinge wird in dem vorstehenden Lehrsage nicht vorausgeseßt, sondern bewiesen, die Mögz lichkeit dieses Bewußtseins mögen wir einschen, oder nicht. Die Frage wegen der lezteren würde sein: ob wir nur einen inneren Sinn, aber keinen äußeren,

unserer eigenen Eristenz, aber doch die Bestimmung derselben in der Beit d. i. innere Erfahrung möglich sei. Freilich ist die Vorstellung: Ich bin, die das Bewußtsein ausdrückt, welches alles Denken bes gleiten kann, das, was unmittelbar die Existenz eines Subjects in sich schließt, aber noch keine Erkenntniß desselben, mithin auch nicht empirisch d. i. Erfahrung; denn dazu gehört außer dem Ges danken von etwas Eristirendem noch Anschauung, und hier innere, in Ansehung deren d. i. der Zeit das Subject bestimmt werden muß, wozu durchaus äußere Gegenstände erforderlich sind, so daß folglich innere Erfahrung selbst nur mittelbar und nur durch äußere möglich ist.

Anmerkung 2. Hiemit stimmt nun aller Erfahrungsgebrauch unseres Erkenntnißvermögens in Bestimmung der Zeit vollkommen überein. Nicht allein, daß wir alle Zeitbestimmung nur durch den Wechsel in äußeren Verhältnissen (die Bewegung) in Beziehung auf das Beharrliche im Räume (z. B. Sonnenbewegung in Ansehung der Gegenstände der Erde) wahrnehmen können, so haben wir sogar nichts Beharrliches, was wir dem Begriffe einer Substanz, als Anschauung, unterlegen könnten, als blos die Materie und selbst diese Beharrlichkeit wird nicht aus außerer Erfahrung geschöpft, sondern a priori als nothwendige Bedingung aller Zeitbestimmung, mithin auch als Bestimmung des inneren Sinnes in Ansehung unseres eigenen Daseins durch die Existenz äußerer Dinge vorausgesetzt. Das Bewußtsein meiner selbst in der Vorstellung Ich ist gar keine Anschauung, sondern eine blose intellectuelle Vorstellung der Selbstthätigkeit eines denkenden Subjects. Daher hat dieses Ich auch nicht das mindeste Prádicat der Anschauung, welches, als beharrlich, der Zeitbestimmung im inneren Sinne zum Correlat dienen

sondern blos äußere Einbildung håtten? Es ist aber klar, daß, um uns auch nur etwas als äußerlich einzubilden d. i. dem Sinne in der Unschauung darzustellen, wir schon einen äußeren Sinn haben, und dadurch die blose Receptivität einer åußeren Anschauung von der Spontaneitåt, die jede Einbildung charakterisirt, unmittelbar unterscheiden müssen. Denn sich auch einen åußeren Sinn blos einzubilden, würde das Anschauungsvermögen, welches durch die Einbildungskraft bestimmt werden soll, selbst vernichten.

Kant s. B. II.

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könnte, wie etwa Undurchdringlichkeit an der Materie, als empirischer Anschauung ist.

Anmerkung 3. Daraus, daß die Existenz äußerer Gegenstände zur Möglichkeit eines bestimmten Bewußtseins unserer selbst erfordert wird, folgt nicht, daß jede anschauliche Vorstellung äußerer Dinge zugleich die Eristenz derselben einschließe; denn jene kann gar wohl die blose Wirkung der Einbildungskraft (in Träumen so wohl, als im Wahnsinn) sein; sie ist es aber blos durch die Reproduction ehemaliger äußerer Wahrnehmungen, welche, wie gezeigt worden, nur durch die Wirklichkeit äußerer Gegenstände möglich sind. Es hat hier nur bewiesen werden sollen, daß innere Erfahrung über haupt nur durch außere Erfahrung überhaupt möglich sei. Ob diese oder jene vermeinte Erfahrung nicht blose Einbildung sei, muß nach den besonderen Bestimmungen derselben und durch Zusammenhaltung mit den Kriterien aller wirklichen Erfahrung ausgemittelt werden.

Was endlich das dritte Postulat betrifft, so geht es auf die materiale Nothwendigkeit im Dasein, und nicht die blos formale und logische in Verknüpfung der Begriffe. Da nun keine Existenz der Gegenstände der Sinne völlig a priori erkannt werden kann, aber doch comparative a priori relativisch auf ein anderes schon gegebenes Dasein, gleichwohl aber man auch alsdenn nur auf diejenige Existenz kommen kann, die irgendwo in dem Zusammenhange der Erfahrung, davon die gegebene Wahrnehmung ein Theil ist, enthalten sein muß; so kann die Nothwendigkeit der Eristenz niemals aus Begriffen, sondern jederzeit nur aus der Verknüpfung mit demjenigen, was wahrgenommen wird, nach allgemeinen Geseßen der Erfahrung erkannt werden. Da ist nun kein Dasein, was unter der Bedingung anderer gegebener Erscheinungen als nothwendig erkannt werden könnte, als das Dasein der Wirkungen aus gegebenen Ursachen nach Gesetzen der Causalität. Also ist es nicht das Dasein der Dinge (Substanzen), sondern ihres Zustandes, wovon wir allein die Nothwendigkeit erkennen können, und zwar aus anderen Zuständen, die in der Wahrnehmung gegeben sind, nach empirischen Gesezen

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