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Diese Causalität führt auf den Begriff der Handlung, diese auf den Begriff der Kraft, und dadurch auf den Begriff der Substanz. Da ich mein kritisches Vorhaben, welches lediglich auf die Quellen der synthetischen Erkenntniß a priori geht, nicht mit Zergliederungen bemengen will, die blos die Erläuterung (nicht Erweiterung) der Begriffe angehen, so überlasse ich die umständliche Erörterung derselben einem künftigen System der reinen Vernunft; wiewohl man eine solche Analysis im reichen Maaße, auch schon in den bisher bekannten Lehrbüchern dieser Art antrifft. Allein das empirische Kriterium einer Substanz, so fern sie sich nicht durch die Beharrlichkeit der Erscheinung, sondern besser und leichter durch Handlung zu offenbaren scheint, kann ich nicht unberührt lassen.

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Wo Handlung, mithin Thätigkeit und Kraft ist, da ist auch Substanz, und in dieser allein muß der Sih jener fruchtbaren Quelle der Erscheinungen gesucht werden. Das ist ganz gut gesagt; aber, wenn man sich darüber erklären soll, was man unter Substanz verstehe, und dabei den fehlerhaften Zirkel vermeiden will, so ist es nicht so leicht verantwortet. Wie will man aus der Handlung sogleich auf die Beharrlichkeit des Handelnden schließen, welches doch ein so wesentliches und eigenthümliches Kennzeichen der Substanz (phaenomenon) ist? Allein nach unserem Vorigen hat die Auflösung der Frage doch keine solche Schwierigkeit, ob sie gleich nach der gemeinen Art, (blos analytisch mit seinen Begriffen zu verfahren,) ganz unauflöslich sein würde. Handlung bedeutet schon das Verhältniß des Subjects der Causalität zur Wirkung. Weil nun alle Wirkung in dem besteht, was da geschieht, mithin im Wandelbaren, was die Zeit der Succession nach bezeichnet, so ist das lehte Subject desselben das Beharrliche, als das Substratum alles Wechselnden d. i. die Substanz. Denn nach dem Grundsahe der Causalität sind Handlungen immer der erste Grund von allem Wechsel der Erscheinungen und können also nicht in einem Subject liegen, was selbst wechselt, weil sonst andere Handlungen und ein anderes Subject, welches diesen Wechsel bestimmt, erforderlich wären. Kraft dessen beweiset nun Handlung, als ein hinreichendes empirisches

Kriterium, die Substantialität, ohne daß ich die Beharrlichkeit desselben durch verglichene Wahrnehmungen allererst zu suchen nöthig hatte; welches auch auf diesem Wege mit der Ausführlichkeit nicht. geschehen könnte, die zu der Größe und strengen Allgemeingültigkeit des Begriffs erforderlich ist. Denn daß das erste Subject der Causalität alles Entstehens und Vergehens selbst nicht (im Felde der Erscheinungen) entstehen und vergehen könne, ist ein sicherer Schluß, der auf empirische Nothwendigkeit und Beharrlichkeit im Dasein, mithin auf den Begriff einer Substanz als Erscheinung ausläuft.

Wenn etwas geschieht, so ist das blose Entstehen, ohne Rücksicht auf das, was da entsteht, schon an sich selbst ein Gegenstand der Untersuchung. Der Uebergang aus dem Nichtsein eines Zustandes in diesen Zustand, geseht, daß dieser auch keine Qualität in der Erscheinung enthielte, ist schon allein nöthig zu untersuchen. Dieses Entstehen trifft, wie in der Nummer A gezeigt worden, nicht die Substanz, (denn die entsteht nicht,) sondern ihren Zustand. Es ist also blos Veränderung, und nicht Ursprung aus nichts. Wenn dieser Ursprung als Wirkung von einer fremden Ursache angesehen wird, so heißt er Schöpfung, welche als Begebenheit unter den Erscheinungen nicht zugelassen werden kann, indem ihre Möglichkeit allein schon die Einheit der Erfahrung aufheben würde, obzwar, wenn ich alle Dinge nicht als Phänomene, sondern als Dinge an sich betrachte und als Gegenstände des blosen Verstandes, sie, obschon sie Substanzen sind, dennoch wie abhängig ihrem Dasein nach von fremder Ursache angesehen werden können; welches aber alsdenn ganz andere Wortbedeutungen nach sich ziehen und auf Erscheinungen, als mögliche Gegenstände der Erfahrung, nicht passen würde.

Wie nun überhaupt etwas verändert werden könne, wie es möglich sei, daß auf einen Zustand in einem Zeitpuncte ein entgegengesetter im anderen folgen könne, davon haben wir a priori nicht den mindesten Begriff. Hiezu wird die Kenntniß wirklicher Kräfte erfordert, welche nur empirisch gegeben werden kann, z. B. der bewegenden Kräfte, oder, welches einerlei ist, gewisser successiven Erscheinungen (als Bewegungen), welche solche Kräfte anzeigen. Über

die Form einer jeden Veränderung, die Bedingung, unter welcher sie als ein Entstehen eines anderen Zustandes allein vorgehen kann, (der Inhalt derselben d. i. der Zustand, der verändert wird, mag sein, welcher er wolle,) mithin die Succession der Zustände selbst (das Geschehene) kann doch nach dem Gefeße der Causalität und den Bedingungen der Zeit a priori erwogen werden *).

Wenn eine Substanz aus einem Zustande a in einen anderen b übergeht, so ist der Zeitpunct des zweiten vom Zeitpuncte des ersteren Zustandes unterschieden und folgt demselben. Eben so ist auch der zweite Zustand als Realitát (in der Erscheinung) vom ersteren, darin diese nicht war, wie b vom Zero unterschieden, d. i. wenn der Zustand b sich auch von dem Zustande a nur der Größe nach unterschiede, so ist die Veränderung ein Entstehen von b-a, welches im vorigen Zustande nicht war, und in Ansehung dessen er =0 ist.

Es fragt sich also: wie ein Ding aus einem Zustande a in einen anderen b übergehe? Zwischen zween Augenblicken ist immer eine Zeit, und zwischen zwei Zustånden in denselben immer ein Unterschied, der eine Größe hat; (denn alle Theile der Erscheinungen find immer wiederum Größen.) Also geschieht jeder Uebergang aus einem Zustande in den anderen in einer Zeit, die zwischen zween Augenblicken enthalten ist, deren der erste den Zustand bestimmt, aus welchem das Ding herausgeht, der zweite den, in welchen es gelangt. Beide also find Grenzen der Zeit einer Veränderung, mithin des Zwischenzustandes zwischen beiden Zuständen, und gehören als solche mit zu der ganzen Veränderung. Nun hat jede Veränderung eine Ursache, welche in der ganzen Zeit, in welcher jene vorgeht, ihre Tausalitát beweiset. Also bringt diese Ursache ihre Veränderung nicht plößlich (auf einmal oder in einem Augenblicke) hervor, sondern in einer Zeit, so daß, wie die Zeit vom Anfangsaugenblicke a bis zu ihrer Vollendung in b wächst, auch die Größe der Realitát

*) Man merke wohl, daß ich nicht von der Veränderung' gewiffer Relas tionen überhaupt, sondern von Veränderung des Zustandes rede. Daher, wenn ein Körper fich gleichförmig bewegt, so verändert er seinen Zustand (der Bewegung) gar nicht; aber wohl, wenn seine Bewegung zu: oder abnimmt. Kant . . II.

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(ba) durch alle kleinere Grade, die zwischen dem ersten und letzten enthalten sind, erzeugt wird. Alle Veränderung ist also nur durch eine continuirliche Handlung der Causalität möglich, welche, so fern fie gleichförmig ist, ein Moment heißt. Aus diesen Momenten besteht nicht die Veränderung, sondern wird dadurch erzeugt als ihre Wirkung.

Das ist nun das Gesetz der Continuität aller Veränderung, dessen Grund dieser ist, daß weder die Zeit, noch auch die Erscheinung in der Zeit aus Theilen besteht, die die kleinsten sind, und daß doch der Zustand des Dinges bei seiner Veränderung durch alle diese Theile, als Elemente, zu seinem zweiten Zustande übergehe. Es ist kein Unterschied des Realen in der Erscheinung, so wie kein Unterschied in der Größe der Zeiten, der kleinste, und so erwächst der neue Zustand der Realitát von dem ersten an, darin diese nicht war, durch alle unendliche Grade derselben, deren Unterschiede von einander insgesammt kleiner sind, als der zwischen O und'a.

Welchen Nutzen dieser Saß in der Naturforschung haben möge, das geht uns hier nichts an. Aber wie ein solcher Saß, der unsere Erkenntniß der Natur so zu erweitern scheint, pöllig a priori möglich sei, das erfordert gar sehr unsere Prüfung, wenn gleich der Augenschein, beweiset, daß er wirklich und richtig sei, und man also der Frage, wie er möglich gewesen, überhoben zu sein glauben möchte. Denn es gibt so mancherlei ungegründete Anmaßungen der Erweiterung unserer Erkenntniß durch reine Vernunft, daß es zum allgemeinen Grundfaßt angenommen werden muß, deshalb durchaus mißtrauisch zu sein und ohne Documente, die eine gründliche Deduction verschaffen können, selbst auf den klärsten dogmatischen Beweis nichts dergleichen zu glauben und anzunehmen.

Aller Zuwachs des empirischen Erkenntnisses und jeder Fortschritt der Wahrnehmung ist nichts, als eine Erweiterung der Bestimmung des inneren Sinnes d. i. ein Fortgang in der Zeit, die Gegenstände mögen sein, welche sie wollen, Erscheinungen oder reine Anschauungen. Dieser Fortgang in der Zeit bestimmt Alles und ist an sich selbst durch nichts weiter bestimmt, d. i. die Theile desselben sind nut in der Zeit und durch die Synthesis derselben, sie aber nicht vor ihr

gegeben. Um deswillen ist ein jeder Uebergang in der Wahrnehmung zu etwas, was in der Zeit folgt, eine Bestimmung der Zeit durch die Erzeugung dieser Wahrnehmung und, da jene immer und in allen ihren Theilen eine Größe ist, die Erzeugung einer Wahrnehmung als einer Größe durch alle Grade, deren keiner der kleinste ist, von dem Zero an bis zu ihrem bestimmten Grad. Hieraus erhellt nun die Möglichkeit, ein Gesetz der Veränderungen ihrer Form nach a priori zu erkennen. Wir anticipirén ́nur unsere eigene Apprehension, deren formale Bedingung, da sie uns vor aller gegebenen Erscheinung selbst beiwohnt, allerdings a priori muß erkannt werden können.

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So ist demnach, eben so, wie die Zeit die sinnliche Bedingung a priori von der Möglichkeit eines continuirlichen Fortganges des Eristirenden zu dem Folgenden enthält, der Verstand, vermittelst der Einheit der Apperception, die Bedingung a priori der Möglichkeit einer continuirlichen Bestimmung aller Stellen für die Erscheinungen in dieser Zeit, durch die Reihe von Ursachen und Wirkungen, deren die ersteren der letteren ihr Dasein unausbleiblich nach sich ziehen und dadurch die empirische Erkenntniß der Zeitverhältnisse für jede Zeit (allgemein), mithin objectiv gültig machen.

C. Dritte Analogie...

Grundsak des Zugleichseins, nach dem Geseze der Wechselwirkung oder Gemeinschaft.

Alle Substanzen, sofern sie im Raume als zugleich wahrgenommen werden können, sind in durchgängiger Wechselwirkung †).

Beweis.

Zugleich sind Dinge, wenn in der empirischen Anschauung die Wahrnehmung des einen auf die Wahrnehmung des anderen wechsel

†) 1. Ausg.: „Grundfaß der Gemeinschaft. Alle Substanzen, sofern sie zugleich sind, stehen in durchgängiger Gemeinschaft (d. i. Wechselwirkung unter einander).“

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