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muß ich niemals damit anfangen und es ist so weit gefehlt, daß die Definition hier das Erste sei, was ich von dem Dinge erkenne, daß es vielmehr fast jederzeit das Lehte ist. Nämlich in der Mathematik habe ich eher gar keinen Begriff von meinem Gegenstande, bis die Definition ihn gibt; in der Metaphysik habe ich einen Begriff, der mir schon gegeben worden, obzwar verworren; ich soll den deutlichen, ausführlichen und bestimmten davon aufsuchen. Wie kann ich denn davon anfangen? Augustinus sagte: ich weiß wohl, was die Zeit sei, aber wenn mich Jemand fragt, weiß ichs nicht. Hier müssen viel Handlungen der Entwicklung dunkler Ideen, der Vergleichung, Unterordnung und Einschränkung vor sich gehen, und ich getraue mir zu sagen: daß, ob man gleich viel Wahres und Scharfsinniges von der Zeit gesagt hat, dennoch die Realerklärung derselben niemals gegeben worden; denn was die Namenerklärung anlangt, so hilft fie uns wenig oder nichts, denn auch ohne sie versteht man dieses Wort genug, um es nicht zu verwechseln. Hätte man so viele richtige Definitionen, als in den Büchern, unter diesem Namen vorkommen, mit welcher Sicherheit würde man nicht schließen: und Folgerungen daraus ableiten können! Allein die Erfahrung lehrt das Gegentheil.

In der Philosophie und namentlich in der Metaphysik kann man oft sehr viel von einem Gegenstande deutlich und mit Gewißheit erkennen, auch sichere Folgen daraus ableiten, ehe man die Definition desselben besigt, auch selbst dann, wenn man es gar nicht unternimmt, fie zu geben. Von einem jeden Dinge können mir nämlich verschiedene Prådicate unmittelbar gewiß sein, ob ich gleich deren noch nicht genug kenne, um den ausführlich bestimmten Be griff der Sache. d. i. die Definition zu geben. Wenn ich gleich: niemals erklärte, was eine Begierde sei, so würde ich doch mit Gewißheit sagen können, daß eine jede Begierde eine Vorstellung des Begehrten voraussehe, daß diese Vorstellung eine Vorhersehung des Künftigen sei, daß mit ihr das Gefühl der Lust verbunden sei u. s. w. Alles dieses nimmt ein Jeder in dem unmittelbaren Bewußtsein der Begierde beständig wahr. Aus dergleichen verglichenen.

Bemerkungen könnte man vielleicht endlich auf die Definition der Begierde kommen. Allein so lange auch ohne sie dasjenige, was man sucht, aus einigen unmittelbar gewissen Merkmalen desselben Dinges kann gefolgert werden, so ist es unnöthig, eine Unternehmung, die so schlüpfrig ist, zu wagen. In der Mathematik ist dieses, wie man weiß, ganz anders.

In der Mathematik ist die Bedeutung der Zeichen sicher, weit man sich leichtlich bewußt werden kann, welche man ihnen hat ertheilen wollen. In der Philosophie überhaupt, und der Metaphysik insonderheit, haben die Worte ihre Bedeutung durch den Redegebrauch, außer insoferne sie ihnen durch logische Einschränkung genauer ist bestimmt worden. Weit aber bei sehr ähnlichen Begriffen, die dennoch eine ziemliche Verschiedenheit versteckt enthalten, öfters einerlei Worte gebraucht werden, so muß man hier bei jedesmaliger Anwendung des Begriffs, wenn gleich die Benennung desselben nach dem Redegebrauch sich genau zu schicken scheint, mit großer Behutsamkeit Acht haben, ob es wirklich einerlei Begriff sei, der hier mit eben demselben Zeichen verbunden worden. Wir sagen: ein Mensch unterscheidet das Gold vom Messing, wenn er erkennt, daß in einem Metalle z. E. nicht diejenige Dichtigkeit sei, die in dem anderen ist. Man sagt außerdem: das Vieh unterscheidet ein Futter vom anderen, wenn es das eine verzehrt und das andere liegen läßt. Hier wird in beiden Fällen das Wort: unterscheiden, gebraucht, ob es gleich im ersteren Falle so viel heißt, als den Unterschied erkennen, welches niemals geschehen kann, ohne zu urtheilen; im zweiten aber nur anzeigt, daß bei unterschiedlichen Vorstellungen unterschiedlich gehandelt wird, wo eben nicht nöthig ist, daß ein Urtheil vorgehe. Wie wir denn am Viehe nur gewahr werden, daß es durch verschiedene Empfindungen zu verschiedenen Handlungen getrieben werde, welches ganz wohl möglich ist, ohne daß es im Mindesten über die Uebereinstimmung oder Verschiedenheit urtheilen darf.

Aus Allem diesem fließen die Regeln derjenigen Methode, nach welcher die höchstmögliche metaphysische Gewißheit einzig und allein kann erlangt werden, ganz natürlich. Sie sind von denen sehr

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verschieden, die man bis daher befolgt hat, und verheißen einen dermaßen glücklichen Ausgang, wenn man sie zur Anwendung bringen wird, dergleichen man auf einem anderen Wege niemals hat erwarten können. Die erste und vornehmste Regel ist diese: daß man ja nicht von Erklärungen anfange, es müßte denn etwa blos die Worterklärung gesucht werden, z. E. nothwendig ist, dessen Gegentheil unmöglich ist. Aber auch da sind nur wenig Fälle, wo man so zuversichtlich den deutlich bestimmten Begriff gleich zu Anfange festseben kann. Vielmehr suche man in seinem Gegenstande zuerst dasjenige mit Sorgfalt auf, dessen man von ihm unmittelbar gewiß ist, auch ehe man die Definition davon hat. Man ziehe daraus Folgerungen, und suche hauptsächlich nur wahre und ganz gewisse Urtheile von dem Objecte zu erwerben, auch ohne sich noch auf eine verhoffte Erklärung Staat zu machen, welche man niemals wagen, sondern dann, wenn sie sich aus den augenscheinlichsten Urtheilen deutlich darbietet, allererst einräumen muß. Die zweite Regel ift: daß man die unmittelbaren Urtheile von dem Gegenstande, in Ansehung desjenigen, was man zuerst in ihm mit Gewißheit antrifft, besonders aufzeichnet, und nachdem man gewiß ist, daß das eine in dem anderen nicht enthalten sei, sie so wie die Ariz omen der Geometrie, als die Grundlage zu allen Folgerungen voranschickt. Hieraus folgt, daß man in den Betrachtungen der Metaphysik jederzeit dasjenige besonders auszeichne, was man gewiß weiß, wenn es auch wenig wäre, obgleich man auch Versuche von ungewissen Erkenntnissen machen kann, um zu sehen, ob sie nicht auf die Spur der gewissen Erkenntniß führen dürften, so doch, daß man sie nicht mit den ersteren vermengt. Ich führe die anderen Verhaltungsregeln nicht an, die diese Methode mit jeder anderen vernünftigen gemein hat, und schreite nur dazu, sie durch Beispiele deutlich zu machen.

Die ächte Methode der Metaphysik ist mit derjenigen im Grunde einerlei, die Newton in die Naturwissenschaft einführte und die daselbst von so nutbaren Folgen war. Man soll, heißt es daselbst, durch sichere Erfahrungen, allenfalls mit Hülfe der Geometrie die

Regeln aufsuchen, nach welchen gewisse Erscheinungen der Natur vorgehen. Wenn man gleich den ersten Grund davon in den Körpern nicht einsieht, so ist gleichwohl gewiß, daß sie nach diesem Geseze wirken, und man erklärt die verwickelten Naturbegebenheiten, wenn man deutlich zeigt, wie sie unter diesen wohlerwiesenen Regeln enthalten seien. Ebenso in der Metaphysik: suchet durch sichere innere Erfahrung d. i. ein unmittelbares augenscheinliches Bewußtsein diejenigen Merkmale auf, die gewiß im Begriffe von irgend einer allgemeinen Beschaffenheit liegen, und ob ihr gleich das ganze Wesen der Sache nicht kennt, so könnt ihr euch doch derselben sicher bedienen, um Vicles in dem Dinge daraus herzuleiten.

Beispiel

der einzig sicheren Methode der Metaphysik, an der Erkenntniß der Natur der Körper.

Ich beziehe mich um der Kürze willen auf einen Beweis, der in der ersten Betrachtung am Ende des zweiten Paragraphs mit Wenigem angezeigt wird, um den Satz zuerst hier zum Grunde zu legen: daß ein jeder Körper aus einfachen Substanzen bestehen müsse. Ohne daß ich ausmache, was ein Körper sei, weiß ich doch gewiß, daß er aus Theilen besteht, die existiren würden, wenn sie gleich nicht verbunden wären; und wenn der Begriff einer Substanz ein abstrahirter Begriff ist, so ist er es ohne Zweifel von den körperlichen Dingen der Welt. Allein es ist auch nicht einmal nöthig, sie Substanzen zu nennen; genug, daß hieraus mit größester Gewißheit gefolgert werden kann, ein Körper bestehe aus einfachen Theilen, wovon die augenscheinliche Zergliederung leicht, aber hier zu weit= läuftig ist. Nun kann ich vermittelst untrüglicher Beweise der Geometrie darthun, daß der Raum nicht aus einfachen Theilen bestehe, wovon die Argumente genugsam bekannt sind. Demnach ist eine bestimmte Menge der Theile eines jeden Körpers, die alle einfach sind, und eine gleiche Menge Theile des Raums, den er einnimmt, die alle zusammengefeßt find. Hieraus folgt, daß ein jeder einfache

Theil (Element) im Körper einen Raum einnehme. Frage ich nun? was heißt einen Raum einnehmen? so werde ich, ohne mich um das Wesen des Raums zu bekümmern, inne, daß, wenn ein Raum von jedem Dinge durchdrungen werden kann, ohne daß etwas da ist, das da widersteht, man allenfalls, wenn es beliebte, sagen möchte, es wäre etwas in diesem Raume, niemals aber, dieser Raum werde wovon eingenommen. Woraus ich erkenne: daß ein Kaum wovon eingenommen ist, wenn etwas da ist, was einem bewegten Körper widersteht, bei der Bestrebung in denselben einzus dringen. Dieser Widerstand aber ist die Undurchdringlichkeit. Dems nach nehmen die Körper den Raum ein durch Undurchdringlichkeit. Es ist aber die Impenetrabilität eine Kraft. Denn sie äußert einen Widerstand, d. i. eine einer äußeren Kraft entgegengesette' Handlung. Und die Kraft, die einem Körper zukommt, muß seinen einfachen Theilen zukommen. Demnach erfüllen die Elemente eines jeden Körpers ihren Raum durch die Kraft der Undurchdringlichkeit. Ich frage aber ferner, ob denn die ersten Elemente darum nicht ausgedehnt sind, weil ein jegliches im Körper einen Raum erfüllt? Hier kann ich einmal eine Erklärung anbringen, die unmittelbar gewiß ist, nämlich: dasjenige ist ausgedehnt, was für sich (absolute) geseht einen Raum erfüllt, so wie ein jeder einzelner Körper, wenn ich gleich mir vorstelle, daß sonst außer ihm nichts wäre, einen Raum erfüllen würde. Allein betrachte ich nun einschlechterdings einfaches Element, so ist, wenn es allein (ohne Verknüpfung mit anderen) geseht wird, unmöglich, daß in ihm Vieles sich außerhalb einander befände und es absolute einen Raum einnahme. Da= her kann es nicht ausgedehnt sein. Da aber eine gegen viel äußers liche Dinge angewandte Kraft der Undurchdringlichkeit die Ursache ist, daß das Element einen Raum einnimmt, so sehe ich, daß daraus wohl eine Vielheit in feiner äußeren Handlung, aber keine Vielheit in Ansehung innerer Theile fließe, mithin es darum nicht ausgedehnt fei, weil es in dem Körper (in nexu cum aliis) einen Raum einnimmt.

Ich will noch einige Worte darauf verwenden, um es augen

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