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IX.

Ausgleichung

eines

auf Mißverstand beruhenden

mathematischen Streits.

1796.

In einer Abhandlung der Berl. Monatsschr. (Mai 1796 S. 395. 396 )) hatte ich, unter anderen Beispielen von der Schwärmerei, zu welcher Versuche über mathematische Gegenstände zu philosophiren verleiten können, auch dem Pythagorischen Zahlenmystiker die Frage in den Mund gelegt:,,was macht, daß das rationale Verhältniß der drei Seiten eines rechtwinkligen Dreiecks nur das der Zahlen 3, 4, 5 sein kann?" Ich hatte also diesen Satz für wahr angenommen; Hr. Doctor und Professor Reimarus aber widerlegt ihn, und beweiset (Berl. Monatsschr. August, Nr. 6): daß mehrere Zahlen, als die genannten, im gedachten Verhältnisse stehen können.

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Nichts scheint also klarer zu sein, als daß wir uns in einem wirklichen mathematischen Streit, (dergleichen überhaupt beinahe unerhört ist,) begriffen finden. Es ist aber bloser Mißverstand mit dieser Entzweiung. Der Ausdruck wird von Jedem der beiden in anderer Bedeutung genommen; sobald man sich also gegen einander verständigt hat, verschwindet der Streit, und beide Theile haben Recht. Satz und Gegensatz stehen nun so im Verhältnisse.

R. sagt (wenigstens denkt er sich seinen Sag so): „in der unendlichen Menge aller möglichen Zahlen (zerstreut gedacht) gibt es, was die Seiten des rechtwinkligen Dreiecks betrifft, mehr rationale Verhältnisse, als das der Zahlen 3, 4, 5.“

K. sagt (wenigstens denkt er sich den Gegensaß so): „in der unendlichen Reihe aller in der natürlichen Ordnung (von 0 an, durch continuirliche Vermehrung mit 1) fortschreitenden Zahlen gibt es unter denen einander unmittelbar

†) S. oben S. 180.

folgenden (also verbunden gedacht) kein rationales Verhältniß jener Seiten, als nur das der Zahlen 3, 4, 5.“

Beide Säße haben strenge Beweise für sich; und keiner von beiden (vermeintlichen) Gegnern hat das Verdienst, der erste Erfinder dieser Beweise zu sein.

Also kommt es nur darauf an: auszumachen, auf wem die Schuld dieses Mißverstandes hafte. Wäre das Thema rein mathematisch, so würde sie K. tragen müssen; denn der Sah drückt die genannte Eigenschaft der Zahlen, (ohne an eine Reihe derselben zu denken,) allgemein aus. Allein ́hier soll es ja ́ nur zum Beispiel des Unfugs dienen, welchen die Pythagorische Mystik der Zahlen mit der Mathematik treibt, wenn man über deren Säße philosophiren will: und da konnte wohl vorausgesetzt werden, man werde jenen Gegensah in der Bedeutung nehmen, in welcher ein Mystiker etwas Sonderbares und ästhetisch Merkwürdiges unter den Zahleigenschaften zu finden glauben konnte; dergleichen eine, auf drei einander zunächst verwandte Zahlen in der unendlichen. Reihe derselben eingeschränkte Verbindung ist; wenn gleich die Mathematik hier nichts zu bewundern antrifft.

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Daß also Hr. Reimarus mit dem Beweise eines Sahes, den, so viel ich weiß, noch Niemand bezweifelt hat, unnöthiger Weise bemüht worden, wird er mir hoffentlich nicht zur Schuld anrechnen.

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