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so kann darauf keine andere Antwort gegeben werden, als: Quaerit delirus, quod non respondet Homerus. Der, welcher eine mathe matische Aufgabe philosophisch auflösen will, widerspricht sich hies. mit selbst; 8. B.: was macht, daß das rationale Verhältniß der drei Seiten eines rechtwinkligen Dreiecks nur das der Zahlen 3, 4, 5 sein kann? Aber der über eine mathematische Aufgabe Philosophirende glaubt hier auf ein Geheimniß zu stoßen, und ebendarum etwas überschwenglich Großes zu sehen, wo er nichts sleht; uud sest gerade darin, daß er über eine Idee in sich brütet, die er weder sich verständlich machen, noch Anderen mittheilen kann, die achte Philosophie (philosophia arcani), wo denn das Dichtertalent Nahrung für sich findet im Gefühl und Genuß zu schwärmen, welches freilich weit einladender und glänzender ist, als das Geses der Vernunft, wobei aber auch durch Arbeit sich einen Besit zu erwerbenz Armuth und Hoffahrt die belachenswerthe Erscheinung geben, die Philofophie in einem vornehmen on sprechen zu hören.

Die Philosophie des Aristoteles ist dagegen Arbeit. Ich betrachte ihn aber hier nur, (so wie beide vorige,) als Metaphysiker, d. i. Zergliederer aller Erkenntniß a priori in ihre Elemente, und als Vernunftkünstler, fie wieder daraus (den Kategorien) zusammenzusetzen; dessen Bearbeitung, so weit sie reicht, ihre Brauchbarkeit behalten hat, ob sie zwar im Fortschreiten verunglückte, dieselben Grundfäße, die im Sinnlichen gelten, (ohne daß er den gefährlichen Sprung, den er hier zu thun hatte, bemerkte,) auch aufs Uebersinnliche auszudehnen, bis wohin seine Kategorien nicht zulangen wo es nöthig war, das Organ des Denkens in sich selbst, die Vernunft, nach den zwei Feldern derselben, dem theoretischen und praktischen, vorher einzutheilen und zu messen, welche Arbeit aber späteren Zeiten aufbehalten blieb.

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Jest wollen wir doch den neuen Ton im Philofophiren, (bei dem man der Philosophie entbehren kann,) anhören und würdigen.

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Daß vornehme Personen philosophiren, wenn es auch bis zu den Spigen der Metaphysik hinauf geschähe, müß ihnen zur größten

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Ehre angerechnet werden, und sie verdienen Nachficht bei ihrem (kaum vermeidlichen) Verstoß wider die Schule, weil sie sich doch zu dieser auf den Fuß der bürgerlichen Gleichheit herablassen *). Daß aber sein wollende Philosophen vornehm thun, kann ihnen auf keine Weise nachgesehen werden, weil sie fich über ihre Zunftgenossen erheben, und deren unveräußerliches Recht der Freiheit und Gleichheit, in Sachen der blofen Bernunft, verlegen.

Das Princip, durch Einfluß eines höheren Gefühls philoso phiren zu wollen, ist unter allen am meisten für den vornehmen Ton gemacht; denn wer will mir mein Gefühl, streiten? Kann ich nun noch glaubhaft machen, daß dieses Gefühl nicht blos subjectiv in mir sei, sondern einem Jeden, angesonnen werden könne, mithin auch objectiv und als Erkenntnißstück, also nicht etwa blos als Be

*) Es ist doch ein Unterschied zwischen Philosophiren und den Philosophen machen. Das Leztere geschicht im vornehmen Ton, wenn der Despotismus über die Vernunft des Volks, (ja wohl gar über seine eigene) durch Fesselung an einen blinden Glauben, für Philosophie ausgegeben wird. Dahin gehört dann z. B. „der Glaube an die Donnerlegion zu Zeiten des Mark Aurel“, imgleichen „an das dem Apostaten Julian zum Possen unter dem Schutt von Jerusalem durch ein Wunder hervorgebrochene Feuer"; welcher für die eigentliche ächte Philosophie ausgegeben, und das Gegentheil derselben,,der Köhlerunglaube“ genannt wird, (gerade, als ob die Kohlbrenner, tief in ihren Båldern, dafür berüchtigt wären, in Anschung der ihnen zugetragenen Mährchen, sehr ungläubisch zu sein;) wozu dann auch die Versicherung kommt, daß es mit der Philosophie seit schon zweitausend Jahren ein Ende habe, weil der Stagirit für die Wissenschaft so viel erobert habe, daß er wenig Erhebliches mehr den Nachfolgern zu erspåhen überlassen hat“. So sind die Gleichmacher der politischen Verfassung nicht blos diejenigen, welche nach Rousseau wollen, daß die Staatsbürger insgesammt einander gleich seien, weil ein Jeder Alles ist; sondern auch diejenigen, welche wollen, daß alle einander gleichen, weil sie außer Einem insgesammt nichts seien, und find Monarchisten aus Neid: die bald den Plato, bald den Aristoteles auf den Thron erheben, um, bei dem Bewußtsein ihres eigenen Unvermögens selbst zu denken, die verhaßte Vergleichung mit anderen zugleich Lebenden nicht_auszustehen. Und so macht (vornehmlich durch den legteren Ausspruch) der vornehme Mann dadurch den Philosophen, daß er allem ferneren Philosophiren durch Obscuriren ein Ende macht. — Man kann dieses Phänomen nicht besser in seinem gehörigen Lichte darstellen, als durch die Fabel von Voß (Berl. Monatsschr. Novemb. 1795, legtes Blatt), ein Gedicht, das allein eine Hekatombe werth ist.

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griff vernünftelt, sondern als Anschauung (Auffassung des Gegen= standes selbst) gelte; so bin ich in großem Vortheil über alle die, welche sich allererst rechtfertigen müssent, um sich der Wahrheit ihrer Behauptungen berühmen zu dürfen. Ich kann daher in dem Lone eines Gebieters sprechen, der der Beschwerde überhoben ist, den Titel seines Besites zu beweisen (beati possidentes). Es lebe also die Philosophie aus Gefühlen, die uns gerade zur Sache selbst führt! Weg mit der Vernünftelei aus Begriffen, die es nur durch den Umschweif allgemeiner Merkmale versucht, und die, ehe sie noch einen Stoff hat, den sie unmittelbar ergreifen kann, vorher bestimmte Formen verlangt, denen sie jenen Stoff unterlegen könne! Und geseßt auch, die Vernunft kann sich über die Rechtmäßigkeit des Erwerbs dieser ihrer hohen Einsichten gar nicht weiter erklåren, so bleibt es doch ein Factum: „die Philosophie hat ihre fühlbaren Geheimnisse*)."

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** Ein berühmter Besizer derfelben drückt sich hierüber so aus: „Solange die Vernunft, als Gesezgeberin des Willens, zu dem Phånomen (versteht fich hier, freien Handlangen der Menschen) sagen muß: du gefällst mir du gefällst mir nicht; folange muß fie die Phänomene als Wirkungen von Realitäten ansehen;" woraus er dann folgert: daß ihre Gefeggebung nicht blos einer Form, sondern einer Materie (Stoffs, Sweds) als Bestimmungsgrundes des Willens, bedürfe, d. i. ein Gefühl der Luft (oder Unluft) an einem Gegenstande masse vorhergehen, wenn die Vers `nunft' praktisch' 'fein soll." —— Dieser Irrthum, der, wenn man ihn einschleichen Heße, alle Moral vertilgen und nichts, als die Glückseligkeits-Marime, die eigentlich gar kein objectives Princip haben kann, (weil sie nach Verschiedenheit der Subjecte verschieden ist,) übrig laffen würde; dieser Irrthum, fage ich, kann nur durch folgenden Probirstein der Gefühle ficher ans Licht gestellt werden. Diejenige kust (oder Unluft), die nothwendig vor dem Gesez vorhergehen muß, damit die That geschehe, ist pathologisch; diejenige aber, vor welcher, damit diese geschehe, das Gesch nothwendig vorhergehen muß, ist moralisch. Jene hat empirische Principien (die Materie der Willkühr), diese ein reines Princip a priori zum Grunde, (bei dem es lediglich auf die Form der Willensbestimmung ankommt.) Hiemit kann auch der Trugschluß (fallacia caussae non caussae) leicht aufgedect werden, da der Eudämonist vorgibt: die Luft (3ufriedenheit), die ein rechtschaffener Mann im Prospect hat, um sie im Bewußtsein seines wohlge= führten Lebenswandels dereinst zu fühlen, (mithin die Aussicht auf seine künftige Gludseligkeit,) sei doch die eigentliche Triebfeder, seinen Lebenswandel wohl (dem Geseße gemåß) zu führen. Denn da ich ihn vorher

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Mit dieser vorgegebenen Fühlbarkeit eines Gegenstandes, der doch blos in der reinen Vernunft angetroffen werden kann, hat es nun folgende Bewandniß. Bisher hatte man nur von drei Stufen des Fürwahrhaltens, bis zum Verschwinden desselben in völlige Unwissenheit, gehört: dem Wissen, Glauben und Meinen*). Jeht wird eine neue angebracht, die gar nichts mit der

als rechtschaffen und dem Geses gehorsam, d. i. als einen, bei dem das Ge seh vor der Luft vorhergeht, annehmen muß, um künftig im Bewußtsein seines wohlgeführten Lebenswandels eine Seelenluft zu fühlen; so ist es in leerer Zirkel im Schließen, um die leştere, die eine Folge ist, zur Ursache jenes Lebenswandels zu machen.

Was aber gar den Synkretismus einiger Moralisten betrifft, die Eudamonie, wenngleich nicht ganz, doch zum Theil zum objectiven Princip der Sittlichkeit zu machen, (wenn man gleich, daß jene unvermerkt auch subjectiv auf die, mit der Pflicht übereinstimmende Willensbestimmung des Menschen mit Einfluß habe, einräumt;) so ist das doch der gerade Weg, ohne alles Princip zu sein. Denn die sich einmengenden, von der Glückseligkeit entlehnten Triebfedern, ob sie zwar zu ebendenselben Handlungen, als die aus reinen moralischen Grundsäßen fließen, hinwirken, verunreinigen und schwächen doch zugleich die moralische Gesinnung selbst, deren Werth und hoher Rang eben darin besteht, unangesehen derselben, ja mit Ueberwindung aller ihrer Unpreisungen, keinem Anderen, als dem Gesch seinen Gehorsam zu beweisen.

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*) Man bedient_fich des mittelsten Worts im theoretischen Verstande auch bisweilen als gleichbedeutend mit dem: etwas für wahrscheinlich halten; und da muß wohl bemerkt werden, daß von dem, was über alle mögliche Erfahrungsgrenze hinausliegt, weder gesagt werden kann, es sei wahrscheinlich, noch es sei unwahrscheinlich, mithin auch das Wort: Glaube, in Ansehung eines solchen Gegenstandes in theoretischer Bedeutung gar nicht Statt findet. Unter dem Ausdruck: dieses oder jenes ist wahrscheinlich, versteht man ein Mittelding (des Fürwahrhaltens) zwischen Meinen und Wissen; und da geht es ihm so wie allen anderen Mitteldingen, daß man daraus machen kann, was man will. Wenn aber Jemand z. B. sagt: es ist wenigstens wahrscheinlich, daß die Seele nach dem Lode lebe, so weiß er nicht, was er will. Denn wahrscheinlich heißt dasjenige, was für wahr gehalten, mehr als die Hälfte der Gewißheit (des zureichenden Grundes) auf seiner Seite hat. Die Gründe also müssen insgefammt ein partiales Wissen, einen Theil der Erkenntniß des Objects, worüber geurtheilt wird, enthalten. Ist nun der Gegenstand gar kein Object einer uns möglichen Erkenüntniß, (dergleichen die Natur der Seele, als lebender Substanz auch außer der Verbindung mit einem Körper, d. i. als Geist ist,) so kann über die Möglichkeit derselben weder wahrscheinlich noch unwahrscheinlich, sondern gar nicht geurtheilt werden. Denn die vorgeblichen Er

Logik gemein hat, die kein Fortschritt des Verstandes, sondern Vorempfindung (praevisio sensitiva) dessen sein soll, was gar kein Gegenstand der Sinne ist: d. i. Ahnung des Uebersinnlichen.

kenntnißgrunde find in einer Reihe, die sich dem zureichenden Grunde, mithin der Erkenntniß selbst gar nicht nåhert, indem sie auf etwas Ueberfinnliches bezogen werden, von dem, als einem solchem, kein theoretisches Erkenntniß möglich ist.

Ebenso ist es mit dem Glauben an ein 3eugniß eines Anderen, das etwas Ueberfinnliches betreffen soll, bewandt. Das Fürwahrhalten eines Zeugnisses ist immer etwas Empirisches; und die Person, der ich auf ihr Zeugniß glauben soll, muß ein Gegenstand einer Erfahrung sein. Wird sie aber als ein übersinnliches Wesen genommen, so kann ich von ihrer Eristenz selber, mithin daß es ein solches Wesen sei, welches mir dieses bezeugt, durch keine Erfahrung belehrt werden, (weil das' fich selbst widerspricht,) auch nicht aus der subjectiven unmöglichkeit, mir die Erscheinung eines mir gewordenen ins neren Burufs anders, als aus einem übernatürlichen Einfluß erklären zu köns nen, darauf schließen; (zufolge dem, was eben von der Beurtheilung nach Wahrscheinlichkeit gesagt worden). Also gibt es keinen theoretischen Glauben an das Ueberfinnliche.

In praktischer (moralisch - praktischer) Bedeutung aber ist ein Glaube an das Uebersinnliche nicht allein möglich, sondern er ist sogar mit dieser unzertrennlich verbunden. Denn die Summe der Moralität in mir, obgleich übery finnlich, mithin nicht empirisch, ist dennoch mit unverkennbarer Wahrheit und Auctoritat (durch einen kategorischen Imperativ) gegeben, welche aber eine Zweck gebietet, der, theoretisch betrachtet, ohne eine darauf hinwirkende Macht eines Weltherrschers, durch meine Kräfte allein, unausführbar ist (das höchste Gut). An ihn aber moralisch - praktisch glauben, heißt nicht seine Wirklich keit vorher theoretisch für wahr annehmen, damit man, jenen gebotenen Zweck zu verstehen, Aufklärung, und zu bewirken, Triebfedern bekomme; denn dazu ist das Gefeß der Vernunft schon für sich objectiv hinreichend; sondern um nach dem Ideal jenes Zwecks so zu handeln, als ob eine solche Weltregierung wirklich wåre; weil jener Imperativ, (der nicht das Glauben, sons dern das Handeln gebietet,) auf Seiten des Menschen Gehorsam und Unters werfung seiner Willkühr unter dem Gesez, von Seiten des ihm einen Zweck gebietenden Willens aber zugleich ein dem Zweck angemessenes Vermögen, (das nicht das menschliche ist,) enthält, zu dessen Behuf die menschliche Vernunft zwar die Handlungen, aber nicht den Erfolg der Handlungen (die Erreichung des Zwecks) gebieten kann, als der nicht immer oder ganz in der Gewalt des Menschen ist. Es ist also in dem kategorischen Imperativ der der Materie nach praktischen Vernunft, welcher zum Menschen sagt: ich will, daß deine Handlungen zum Endzweck aller Dinge zusammenstimmen, schon die Vorausseßung eines gefeßgebenden Willens, der alle Ges walt enthält (des göttlichen), zugleich gedacht, und bedarf es nicht, besonders aufgedrungen zu werden.

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