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durchaus bedarf, und sich dadurch allein qualificirt, in das System der reinen Erkenntnißvermögen aufgenommen zu werden; wovon der Grund ist, daß das ästhetische Urtheil, ohne einen Begriff von seinem Gegenstande vorauszusehen, dennoch ihm Zweckmäßigkeit, und zwar allgemeingültig beilegt, wozu also das Princip in der Urtheilskraft felbst liegen muß, da hingegen das teleologische Urtheil einen Begriff vom Objecte, den die Vernunft unter das Princip der Zweckverbindung bringt, vorausseßt, nur daß dieser Begriff eines Naturzwecks von der Urtheilskraft blos im reflectirenden, nicht bestimmenden Urtheile gebraucht werde.

Es ist also eigentlich nur der Geschmack, und zwar in Ansehung der Gegenstände der Natur, in welchem allein sich die Urtheilskraft als ein Vermögen offenbart, welches sein eigenthümliches Princip hat, und dadurch auf eine Stelle in der allgemeinen Kritik der oberen Erkenntnißvermögen gegründeten Anspruch macht, den man ihr vielleicht nicht zugetraut hatte. Ist aber das Vermögen der Urtheilskraft, sich a priori Principien zu sehen, einmal gegeben, so ist es auch nothwendig, den Umfang desselben zu bestimmen, und zu dieser Bollständigkeit der Kritik wird erfordert, daß ihr ästhetisches Vermögen, mit dem teleologischen zusammen, als in Einem Vermögen enthalten und auf demselben Princip beruhend, erkannt werde; denn auch das teleologische Urtheil über Dinge der Natur gehört ebensowohl, als das ästhetische, der reflectirenden (nicht der bestimmenden) Urtheilskraft zu.

Die Geschmackskritik aber, welche sonst nur zur Verbesserung oder Befestigung des Geschmacks selbst gebraucht wird, eröffnet, wenn man sie in transscendentaler Absicht behandelt, dadurch, daß sie eine Lücke im Systeme unserer Erkenntnißvermögen ausfüllt, eine auffallende und, wie mich dünkt, viel verheißende Aussicht in ein vollständiges System aller Gemüthskräfte, sofern sie in ihrer Bestimmung, nicht allein aufs Sinnliche, sondern auch aufs Uebersinnliche bezogen find, ohne doch die Grenzsteine zu verrücken, welche eine unnachsichtliche Kritik dem lehteren Gebrauche derselben gelegt hat. Es kann vielleicht dem Leser dazu dienen, um den Zusam

menhang der nachfolgenden Untersuchungen desto leichter übersehen zu können, daß ich einen Abriß dieser systematischen Verbindung, der freilich nur, wie die gegenwärtige ganze Nummer, seine Stelle eigentlich beim Schlusse der Abhandlung haben sollte, schon hier entwerfe. Die Vermögen des Gemüths lassen sich nämlich insgesammt auf folgende drei zurückführen:

Erkenntnißvermögen,

Gefühl der Lust und Unlust,
Begehrungsvermögen.

Der Ausübung aller liegt aber doch immer das Erkenntnißvermögen, obzwar nicht immer Erkenntniß, (denn eine zum Erkenntnißvermögen gehörige Vorstellung kann auch Unschauung, reine öder empirische, ohne Begriffe sein,) zum Grunde. Also kommen, sofern vom Erkenntnißvermögen nach Principien die Rede ist, folgende obere neben den Gemüthskräften überhaupt zu stehen.

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Es findet sich, daß Verstand eigenthümliche Principien a priori für das Erkenntnißvermögen, Urtheilskraft nur für das Gefühl der Lust und Unlust, Vernunft aber blos für das Begehrungsvermögen enthalte. Diese formalen Principien begründen eine Nothwendigkeit, die theils objectiv, theils subjectiv, theils aber auch dadurch, daß sie subjectiv ist, zugleich von objectiver Gültigkeit ist, nachdem sie durch die neben ihnen stehenden oberen Vermögen die diesen correspondirenden Gemüthskräfte bestimmen.

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Endlich gesellen sich zu den angeführten Gründen a priori der Möglichkeit der Formen, auch diese, als Producte derselben:

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Die Natur also gründet ihre Geseßmäßigkeit auf Principien a priori des Verstandes als eines Erkenntnißvermögens; die Kunst richtet sich in ihrer Zweckmäßigkeit a priori nach der Urtheilskraft, in Beziehung aufs Gefühl der Luft und UnLust; endlich die Sitten (als Product der Freiheit) stehen unter der Idee einer solchen Form der Zweckmäßigkeit, die sich zum allgemeinen Gesete qualificirt, als einem Bestimmungsgrunde der Vernunft in Ansehung des Begehrungsvermögens. Die Urtheile, die auf diese Art aus Principien a priori entspringen, welche jedem Grundvermögen des Gemüths eigenthümlich sind, sind theoretische, ästhetische und praktische Urtheile.

So entdeckt sich ein System der Gemüthskräfte, in ihrem Verhältnisse der Natur und der Freiheit, deren jede ihre eigenthümlichen bestimmenden Principien a priori haben und um deswillen die zwei Theile der Philosophie (die theoretische und praktische) als eines doctrinalen Systems ausmachen, und zugleich ein Uebergang vermittelst der Urtheilskraft, die durch ein eigenthümliches Princip beide Theile verknüpft, nämlich von dem sinnlichen Substrate der ersteren zum intelligiblen der zweiten Philosophie, durch die Kritik eines Vermögens (der Urtheilskraft), welches nur zum Verknüpfen dient und daher zwar für sich kein Erkenntniß verschaffen, oder zur Doctrin irgend einen Beitrag liefern kann, dessen Urtheile aber unter dem Namen der ästhetischen, (deren Principien blos subjectiv sind,) indem sie sich von allen, deren Grundsäße objectiv sein müssen, (sie mögen nun theoretisch oder praktisch sein,) unter dem Namen der logischen unterscheiden, von so besonderer Art sind, daß sie sinnliche Anschauungen auf eine Idee der Natur beziehen, deren Gesetzmäßigkeit ohne ein Verhältniß derselben zu einem übersinnlichen Substrate nicht verstanden werden kann; wovon in der Abhandlung selbst der Beweis geführt werden wird.

VIII.

Bon

einem neuerdings erhobenen

vornehmen Tou

in der Philosophie.

1796.

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