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durch leichte unmittelbare Folgerungen auf solche Säße führen, die in der einfachen Ordnung der ersten Figur verknüpft sind; daß es unmöglich sei, in mehr, wie einer Figur einfach und unvermengt zu schließen, weil doch immer nur die erste Figur, die durch versteckte Folgerungen in einem Vernunftschlusse verborgen liegt, die Schlußkraft enthält und die veränderte Stellung der Begriffe nur einen kleinen oder größeren Umschweif verursacht, den man zu durchlaufen hat, um die Folge einzusehen, und daß die Eintheilung der Figuren überhaupt, insofern sie reine und mit keinen Zwischenurtheilen vermischte Schlüsse enthalten sollen, falsch und unmöglich sei. Wie unsere allgemeinen Grundregeln aller Vernunftschlüsse zugleich die besonderen Regeln der sogenannten ersten Figur enthalten, imgleichen, wie man aus dem gegebenen Schlußsaße und dem mittleren Hauptbegriffe sogleich einen jeden Vernunftschluß aus einer der übrigen Figuren ohne die unnüße Weitläuftigkeit der Reductionsformeln in die erste und einfache Schlußart verändern könne, so, daß entweder die Conclusion selber oder ein Sat, daraus diese unmittelbare Folgerung fließt, geschlossen wird, ist aus unserer Erläuterung so leicht abzunehmen, daß ich mich dabei nicht aufhalte.

Ich will diese Betrachtung nicht endigen, ohne einige Anmerkungen beigefügt zu haben, die auch anderweitig von erheblichem Nugen sein könnten.

Ich sage demnach erstlich: daß ein deutlicher Begriff nur durch ein Urtheil, ein vollständiger aber nicht anders, als durch einen Vernunftschluß möglich sei. Es wird nämlich zu einem deutlichen Begriff erfordert, daß ich etwas als ein Merkmal eines Dinges klar erkenne; dieses aber ist ein Urtheil. Um einen deutlichen Begriff vom Körper zu haben, stelle ich mir die Undurchdringlichkeit als ein Merkmal desselben klar vor. Diese Vorstellung ist aber nichts Underes, als der Gedanke: ein Körper ist undurchdringlich. Hiebei ist nur zu merken, daß dieses Urtheil nicht der deutliche Begriff selber, sondern die Handlung sei, wodurch er wirklich wird; denn die Vorstellung, die nach dieser Handlung von der Sache selbst entspringt, ist deutlich. Es ist leicht zu

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zeigen, daß ein vollständiger Begriff nur durch einen Vernunftschluß möglich sei; man darf nur den ersten Paragraph dieser Abhandlung nachsehen. Um deswillen könnte man einen deutlichen. Begriff auch einen solchen nennen, der durch ein Urtheil klar ist, einen vollständigen aber, der durch einen Vernunftschluß deutlich ist. Ist die Vollständigkeit vom ersten Grade, so ist der Vernunftschluß ein einfacher; ist sie vom zweiten oder dritten, so ist sie nur durch eine Reihe von Kettenschüssen, die der Verstand, nach der Art eines Sorites verkürzt, möglich. Hieraus erhellt auch ein wesentlicher Fehler der Logik, so wie sie gemeiniglich abgehandelt wird, daß von den deutlichen und vollständigen Begriffen eher gehandelt wird, wie von Urtheilen und Vernunftschlüssen, obgleich jene nur durch diese möglich sind.

3weitens: eben so augenscheinlich, wie es ist, daß zum vollständigen Begriffe keine andere Grundkraft der Seele erfordert werde, wie zum deutlichen, (indem dieselbe Fähigkeit, die etwas unmittelbar als ein Merkmal in einem Dinge erkennt, auch in diesem Merkmale wieder ein anderes Merkmal vorzustellen und also die Sache durch ein entferntes Merkmal zu denken gebraucht wird,) eben so leicht fällt es auch in die Augen, daß Verstand und Vernunft d. i. das Vermögen, deutlich zu erkennen, und dasjenige, Vernunftschlüsse zu machen, keine verschiedenen Grundfähigkeiten seien. Beide bestehen im Vermögen zu urtheilen; wenn man aber mittelbar urtheilt, so schließt man.

Drittens ist hieraus auch abzunehmen, daß die obere Erkenntnißkraft schlechterdings nur auf dem Vermögen zu urtheilen beruhe. Demnach, wenn ein Wesen urtheilen kann, so hat es die obere Erkenntnißfähigkeit. Findet man Ursache, ihm die lehtere abzusprechen, so vermag es auch nicht zu urtheilen. Die Verabsâumung solcher Betrachtungen hat einen berühmten Gelehrten veranlaßt, den Thieren deutliche Begriffe zuzugestehen. Ein Ochs, heißt es, hat in seiner Vorstellung vom Stalle doch auch eine klare Vorstellung von seinem Merkmale der Thüre, also einen deutlichen Begriff vom Stalle. Es ist leicht, hier die Verwirrung zu verhüten.

Nicht darin besteht die Deutlichkeit eines Begriffs, daß dasjenige, was ein Merkmal vom Dinge ist, klar vorgestellt werde, sondern daß es als ein Merkmal des Dinges erkannt werde. Die Thüre ist zwar etwas zum Stalle Gehöriges und kann zum Merkmal desselben dienen, aber nur derjenige, der das Urtheil abfaßt: diese Thüre gehört zu diesem Stalle, hat einen deutlichen Begriff von dem Gebäude, und dieses ist sicherlich über das Vermögen des Viches.

Ich gehe noch weiter und sage: es ist ganz was Anderes, Dinge von einander unterscheiden, und den Unterschied der Dinge erkennen. Das Lehtere ist nur durch Urtheilen möglich und kann von keinem unvernünftigen Thiere geschehen. Folgende Eintheilung kann von großem Nußen sein. Logisch unterschei: den heißt erkennen, daß ein A nicht B sei, und ist jederzeit ein verneinendes Urtheil; physisch unterscheiden heißt, durch ver: schiedene Vorstellungen zu verschiedenen Handlungen getrieben werden.

Der Hund unterscheidet den Braten vom Brode, weil er an ders vom Braten gerührt wird; (denn verschiedene Dinge verur: sachen verschiedene Empfindungen und die Empfindung vom ersteren ist ein Grund von einer anderen Begierde in ihm, als die vom legteren*), nach der natürlichen Verknüpfung seiner Triebe mit seinen Vorstellungen.) Man kann hieraus dié Veranlassung ziehen, dem wesentlichen Unterschiede der vernünftigen und vernunftlosen Thiere besser nachzudenken. Wenn man einzusehen vermag, was denn dasjenige für eine geheime Kraft sei, wodurch das Urtheilen möglich wird, so wird man den Knoten auflösen. Meine jezige Meinung geht dahin, daß diese Kraft oder Fähigkeit nichts Underes

*) Es ist in der That von der äußersten Erheblichkeit, bei der Untersuchung der thierischen Natur hierauf Acht zu haben. Wir werden an ihnen lediglich äußere Handlungen gewahr, deren Verschiedenheit unterschiedliche Bestimmungen ihrer Begierde anzeigt. Ob in ihrem Inneren diejenige Handlung der Erkenntnißkraft vorgeht, da fie sich der Uebereinstimmung oder des Widerstreits desjenigen, was in einer Empfindung ist, mit dem, was in einer anderen befindlich ist, bewußt seien und also urtheilen, das folgt gar nicht daraus.

Kant s. W. I.

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18 Von der falschen Spigfindigkeit der vier syllogistischen Figuren.

sei, als das Vermögen des inneren Sinnes d. i. seine eigene Vorstellungen zum Objecte seiner Gedanken zu machen. Dieses Vermögen ist nicht aus einem anderen abzuleiten, es ist ein Grundvermögen im eigentlichen Verstande und kann, wie ich dafür halte, blos vernünftigen Wesen eigen sein. Auf demselben aber beruht die ganze obere Erkenntnißkraft. Ich schließe mit einer Vorstellung, die denjenigen angenehm sein muß, welche das Vergnügen über die Einheit in den menschlichen Erkenntnissen empfinden können. Alle bejahende Urtheile stehen unter einer gemeinschaftlichen Formel, dem Sabe der Einstimmung: cuilibet subjecto competit praedicatum ipsi non oppositum. Alle bejahende Vernunftschlüsse sind unter der Regel enthalten: nota notae est nota rei ipsius; alle verneinende unter dieser: oppositum notae opponitur rei ipsi. Alle Urtheile, die unmittelbar unter den Säßen der Einstimmung oder des Widerspruchs stehen, das ist, bei denen weder die Identität, noch der Widerstreit durch ein Zwischenmerkmal, (mithin nicht vermittelst der Zergliederung der Begriffe,) sondern unmittelbar eingesehen wird, sind unerweisliche Urtheile; diejenigen, wo sie mittelbar erkannt werden kann, sind erweislich. Die menschliche Erkenntniß ist voll solcher unerweislicher Urtheile. Vor jeglicher Definition kommen deren etliche vor, sobald man, um zu ihr zu gelangen, dasjenige, was man zunächst und unmittelbar an einem Dinge erkennt, sich als ein Merkmal desselben vorstellt. Diejenigen Weltweisen irren, die so verfahren, als wenn es gar keine unerweisli= chen Grundwahrheiten außer einer gebe. Diejenigen irren eben so fehr, die ohne genugsame Gewährleistung zu freigebig sind, verschie= dene ihrer Sage dieses Vorzugs zu würdigen.

II.

Versuch,

den Begriff

der negativen Größen

in die Weltweisheit einzuführen.

1763.

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