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die, so in der reinen Vernunft enthalten sind. Uller Glaube ist nun ein subjectiv zureichendes, objectiv aber mit Bewußtsein unzureichendes Fürwahrhalten; also wird er dem Wissen entgegenge= seht. Andererseits, wenn aus objectiven, obzwar mit Bewußtsein unzureichenden Gründen etwas für wahr gehalten, mithin blos gemeint wird; so kann dieses Meinen doch durch allmählige Ergånzung in derselben Art von Gründen endlich ein Wissen werden. Dagegen wenn die Gründe des Fürwahrhaltens ihrer Art nach gar nicht objectiv gültig sind, so kann der Glaube durch keinen Gebrauch der Vernunft jemals ein Wissen werden. Der historische Glaube 3. B. von dem Tode eines großen Mannes, den einige Briefe berichten, kann ein Wissen werden, wenn die Obrigkeit des Orts denselben, sein Begräbniß, Testament u. s. w. meldet. Daß daher etwas historisch blos auf Zeugnisse für wahr gehalten d. i. geglaubt wird, z. B. daß eine Stadt Rom in der Welt sei, und doch derjenige, der niemals da gewesen, sagen kann: ich weiß, und nicht blos: ich glaube, es existire ein Rom; das steht ganz wohl beifammen. Dagegen kann der reine Vernunftglaube durch alle natürliche Data der Vernunft und Erfahrung niemals in ein Wissen verwandelt werden, weil der Grund des Fürwahrhaltens hier blos subjectiv, nämlich ein. nothwendiges Bedürfniß der Vernunft ist, (und, so lange wir Menschen sind, immer bleiben wird,) das Dasein eines höchsten Wesens nur vorauszusehen, nicht zu demonstriren. Dieses Bedürfniß der Vernunft zu ihrem fie befriedigenden theoretischen Gebrauche würde nichts Underes, als reine Vernunft hypothese sein, d. i. eine Meinung, die aus subjectiven Gründen zum Fürwahrhalten zureichend wåre; darum, weil man gegebene Wirkungen zu erklären niemals einen anderen, als diesen Grund erwarten kann und die Vernunft doch einen Erklårungsgrund bedarf. Dagegen der Vernunft glaube, der auf dem Bedürfniß ihres Gebrauchs in praktischer Absicht beruht, ein Postulat der Vernunft heißen könnte; nicht, als ob es eine Einsicht wäre, welche aller logischen Forderung zur Gewißheit Genüge tháte, sondern weil dieses Fürwahrhalten, (wenn in dem Menschen

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Alles nur moralisch gut bestellt ist,) dem Grade nach keinem Wissen nachsteht *), ob es gleich der Art nach davon völlig unterschieden ist.

Ein reiner Vernunftglaube ist also der Wegweiser oder Compaß, wodurch der speculative Denker sich auf seinen ́ Vernunftstreifereien im Felde übersinnlicher Gegenstände orientiren, der Mensch von gemeiner, doch (moralisch) gesunder Vernunft aber seinen Weg, sowohl in theoretischer als praktischer Absicht, dem ganzen Zwecke feiner Bestimmung völlig angemessen vorzeichnen kann; und dieser Vernunftglaube ist es auch, der jedem anderen Glauben, ja jeder Offenbarung zum Grunde gelegt werden muß.

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Der Begriff von Gott, und selbst die Ueberzeugung von seinem Dasein kann nur allein in der Vernunft angetroffen werden, von ihr allein ausgehen, und weder durch Eingebung, noch durch eine ertheilte Nachricht von noch so großer Auctorität zuerst in uns kommen. Widerfährt mir eine unmittelbare Anschauung von einer solchen Art, als sie mir die Natur, so weit ich sie kenne, gar nicht liefern kann; so muß doch ein Begriff von Gott zur Richtschnur dienen, ob die Erscheinung auch mit Allem dem übereinstimme, was zu dem Charakteristischen einer Gottheit erforderlich ist. Ob ich gleich nun gar nicht einsehe, wie es möglich sei, daß irgend eine Erscheinung dasjenige auch nur der Qualität nach darstelle, was sich immer nur denken, niemals aber anschauen läßt; so ist doch wenigstens so viel klar, daß, um nur zu urtheilen, ob das Gott sei, was mir erscheint, was auf mein Gefühl innerlich oder äußers lich wirkt, ich ihn an meinen Vernunftbegriff von Gott halten und darnach prüfen müsse, nicht ob er diesem adáquat sei, sondern blos ob er ihm nicht widerspreche. Eben so: wenn auch bei Alem, wodurch er sich mir unmittelbar entdeckte, nichts angetroffen würde,

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*) Zur Festigkeit des Glaubens gehört das Bewußtsein seiner Üns veränderlichkeit. Nun kann ich völlig gewiß sein, daß mir Niemand den Sag: es ist ein Gott, werde widerlegen können; denn wo will er diese Einsicht hernehmen? Also ist es mit dem Vernunftglauben nicht so, wie mit dem historischen bewandt, bei dem es immer noch möglich ist, daß Beweise zum Gegentheil aufgefunden würden, und wo man sich immer noch vorbehalten muß, seine Meinung zu åndern, wenn sich unsere Kenntniß der Sachen erweitern sollte.

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was jenem Begriffe widerspräche; so würde dennoch diese Erschei nung, Anschauung, unmittelbare Offenbarung, oder wie man sonst eine solche Darstellung nennen will, das Dasein eines Wesens niemals beweisen, dessen Begriff, (wenn er nicht unsicher bestimmt und daher der Beimischung alles möglichen Wahnes unterworfen werden soll,) Unendlichkeit der Größe nach zur Unterscheidung von allem Geschöpfe fordert, welchem Begriffe aber gar keine Er fahrung oder, Anschauung adäquat sein, mithin auch niemals das Dasein eines solchen Wesens unzweideutig beweisen kann. Vom Dasein des höchsten Wefens kann also Niemand durch irgend eine Anschauung zuerst überzeugt werden; der Vernunftglaube muß vorhergehen, und alsdann könnten allenfalls gewisse Erscheinungen oder Eröffnungen Anlaß zur Untersuchung geben, ob wir das, was zu uns spricht oder sich uns darstellt, wohl befugt sind, für eine Gottheit zu halten, und, nach Befinden, jenen Glauben bestätigen.: 27

Wenn also der Vernunft in Sachen, welche übersinnliche Gegenstände betreffen, als das Dasein Gottes und die künftige Welt, das ihr zustehende Recht zuerst zu sprechen bestritten wird; so ist aller Schwärmerei, Aberglauben, ja selbst der Atheisterei eine weite Pforte geöffnet. Und doch scheint in der Jacobischen und Mendelssohn'schen Streitigkeit Alles auf diesen Umsturz, ich weiß nicht recht, ob blos der Vernunfteinsicht und des Wissens (durch vermeinte Stärke in der Speculation), oder auch sogar des Vernunftglaubens, und dagegen auf die Errichtung eines anderen Glaubens, den sich ein Jeder nach seinem Belieben machen kann, angelegt. Man sollte beinahe auf das Lehtere schließen, wenn ́man' den spinozistischen Begriff von Gott, als den einzigen, mit allen Grundsäßen der Vernunft einstimmigen *), und dennoch verwerfli

*) Es ist kaum zu begreifen, wie gedachte Gelehrte in der Kritik der reinen Vernunft Vorschub zum Spinozismus finden konnten. Die Kritik beschneidet dem Dogmatismus gänzlich die Flügel in Ansehung der Erkenntniß überfinnlicher Gegenstände, und der Spinozismus ist hierin so dogmatisch, daß er sogar mit dem Mathematiker in Ansehung der Strenge des Beweises wetteifert. Die Kritik beweiset: daß die Tafel der reinen Verstandesbegriffe alle Materialien des reinen Denkens enthalten müsse; der Spinozismus spricht von Gedanken, die doch selbst denken, und also von einem Accidens, das doch zugleich für sich als Subject existirt; ein Begriff, der sich im menschlichen

chen Begriff aufgestellt sieht. Denn ob es sich gleich mit dem Bers: nunftglauben ganz wohl verträgt, einzuräumen: daß speculative Vèrnunst selbst nicht einmal die Möglichkeit eines Wesens, wie wir uns Gott denken müssen, einzusehen im Stande sei; so kann es. doch mit gar keinem Glauben und überall mit keinem Fürwahrhalten eines Daseins zusammen bestehen, daß Vernunft gar die Unmög lichkeit eines Gegenstandes einsehen und dennoch, aus anderen Quellen, die Wirklichkeit desselben erkennen könnte.

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Männer von Geistesfähigkeiten und von erweiterten Gesinnungen! Ich verehre Eure Talente und liebe Euer Menschengefühl.... Aber habt Ihr auch wohl überlegt, was Ihr thut, und wo es mit Euren Angriffen auf die Vernunft hinaus will? Ohne Zweifel wollt Ihr, daß Freiheit zu denken ungekränkt erhalten werde; denn ohne diese würde es selbst mit Euren freien Schwüngen des Genies bald ein Ende haben. Wir wollen sehen, was aus dieser Denkfreiheit natürlicher Weise werden müsse, wenn ein solches Verfahren, als Ihr beginnt, überhand nimmt.

Der Freiheit zu denken ist erstlich der bürgerliche Zwang entgegengesett. Zwar sagt mán: die Freiheit zu sprechen, oder zu schreiben, könne uns zwar durch übere Gewalt, aber die Freis

Berstande gar nicht findet und sich auch in ihn nicht bringen läßt. Die Kritik zeigt: es reiche noch lange nicht zur Behauptung der Möglichkeit eines selbst gedachten Wesens zu, daß in seinem Begriffe nichts Widersprechendes fef, (wiewohl es alsdann nöthigenfalls allerdings erlaubt bleibt, diese Möglichkeit anzunehmen;) der Spinozismus gibt aber vor, die Unmöglichkeit eines Wesens einzusehen, dessen Idee aus lauter reinen Verstandesbegriffen besteht, wovon man nur alle Bedingungen der Sinnlichkeit abgesondert hat, worin also niez mals ein Widerspruch angetroffen werden kann, und vermag doch diese über alle Grenzen gehende Anmaßung durch gar nichts zu unterstüßen. Eben um dieser willen führt der Spinozismus gerade zur Schwärmerei. Dagegen gibt es kein einziges sicheres Mittel, alle Schwärmerei mit der Wurzel auszurotten, als jene Grenzbestimmung des reinen Vernunftvermögens. Ebenso findet ein anderer Gelehrter in der Kritik der reinen Vernunft eine Skepsis; obgleich die Kritik eben darauf hinausgeht, etwas Gewisses und Bestimmtes in Ansehung des Umfanges unserer Erkenntniß a priori festzuseßen. Imgleichen eine Dialektik in den kritischen. Untersuchungen; welche doch darauf angelegt sind, die unvermeidliche Dialektik, womit die allerwärts dogmatisch geführte reine Vernunft sich selbst verfängt und verwickelt, aufzulösen und auf immer zu vertilgen. Die Neuplatoniker, die sich Eklektiker nannten, weil sie ihre eigenen Grillen allenthalben in åtteren Autoren zu finden wußten, wenn sie solche vorher hineingetragen hatten, verführen gerade benso; es geschieht also insofern nichts Neues unter der Sonne.

heit zu denken durch sie gar nicht genommen werden. Allein wie viel und mit welcher Richtigkeit würden wir wohl denken, wenn wir nicht gleichsam in Gemeinschaft mit Anderen, denen wir unsere, und die uns ihre Gedanken mittheilen, dächten! Also kann man wohl sagen, daß diejenige äußere Gewalt, welche die Freiheit, seine Gedanken öffentlich mitzutheilen, den Menschen entreißt, ihnen auch die Freiheit zu denken nehme; das einzige Kleinod, das uns bei allen bürgerlichen Lasten noch übrig bleibt, und wodurch allein wider alle Uebel dieses Zustandes noch Rath geschafft werden kann. Zweitens wird die Freiheit zu denken auch in der Bedeutung genommen, daß ihr der Gewissenszwang entgegengesett ist; wo ohne alle äußere Gewalt in Sachen der Religion sich Bürger über andere zu Vormündern aufwerfen, und, statt Argument, durch vorgeschriebene, mit ångstlicher Furcht vor der Gefahr einer eige: nen Untersuchung begleitete Glaubensformeln, alle Prüfung der. Vernunft durch frühen Eindruck auf die Gemüther zu verbannen wissen.

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Drittens bedeutet auch Freiheit im Denken die Unterwerfung der Vernunft unter keine andere Gefeße, als die sie sich selbst gibt; und ihr Gegentheil ist die Marime eines geseglosen Gebrauchs der Vernunft, (um dadurch, wie das Genie wähnt, weiter zu sehen, als unter der Einschränkung durch Gesetze.) Die Folge davon ist natürlicher Weise diese: daß, wenn die Vernunft dem Gefehe nicht unterworfen sein will, das sie sich selbst gibt, sie sich unter das Joch der Gesetze beugen muß, die ihr ein Anderer gibt; denn ohne irgend ein Gesetz kann gar nichts, selbst nicht der größte Unsinn, sein Spiel lange treiben. Also ist die unvermeidliche Folge der erklärten Gesetlosigkeit im Denken, (einer Befreiung von den Einschränkungen durch die Vernunft,) diese: daß Freiheit zu denken zuleßt dadurch eingebüßt, und, weil nicht etwa Unglück, sondern wahrer Uebermuth daran Schuld ist, im eigentlichen Sinne des Worts verscherzt wird.

Der Gang der Dinge ist ungefähr dieser. Zuerst gefällt sich das Genie sehr in seinem kühnen Schwunge, da es den Faden, woran es sonst die Vernunft lenkte, abgestreift hat. Es bezaubert

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