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der eigentlichen Gelehrsamkeit und kann niemals anders, als nach den Wissenschaften, deren Organon sie sein soll, abgehandelt werden, damit das Verfahren regelmäßiger werde, welches man bei der Ausübung gebraucht hat, und die Natur der Disciplin, zusammt den Mitteln ihrer Verbesserung eingesehen werde. Auf solche Weise füge ich zu Ende der Metaphysik eine Betrachtung über die eigenthümliche Methode derselben bei, als ein Organon dieser Wissenschaft, welches im Anfange derselben nicht an seiner rechten Stelle sein würde, indem es unmöglich ist, die Regeln deutlich zu machen, wenn noch keine Beispiele bei der Hand find, an welchen man sie in concreto zeigen kann. Der Lehrer muß freilich das Organon vorher inne haben, ehe er die Wissenschaft vorträgt, damit er sich selbst darnach richte, aber dem Zuhörer muß er es niemals anders, alz zuleht vortragen. Die Kritik und Vorschrift der gesammten Weltweisheit, als eines Ganzen, diese vollständige Logik, kann also ihren Plah bei der Unterweisung nur am Ende der gesammten Philosophie haben, da die schon erworbenen Erkenntnisse derselben und die Geschichte der menschlichen Meinungen es einzig und allein möglich machen, Betrachtungen über den Ursprung ihrer Einsichten sowohl, als ihrer Irrthümer anzustellen und den genauen Grundriß zu entwerfen, nach welchem ein solches Gebäude der Vernunft dauerhaft und regelmäßig soll aufgeführt werden.

Ich werde die Logik von der ersten Art vortragen, und zwar nach dem Handbuche des Hrn. Prof. Meier; weil dieser die Grenzen der jetzt gedachten Absichten wohl vor Augen hat und zugleich Anlaß gibt, neben der Cultur der feineren und gelehrten Vernunft die Bildung des zwar gemeinen, aber thätigen und gesunden Verstandes zu begreifen, jene für das betrachtende, diese für das thátige und bürgerliche Leben. Wobei zugleich die sehr nahe Verwandtschaft der Materien Anlaß gibt, bei der Kritik der Vernunft einige Blicke auf die Kritik des Geschmacks, d. i. die Aesthetik zu werfen, davon die Regeln der einen jederzeit dazu dienen, die der anderen zu erläutern, und ihre Abstechung ein Mittel ist, beide besser zu begreifen.

3) Ethik. Die moralische Weisheit hat dieses besondere Schicksal, daß sie noch eher, wie die Metaphysik, den Schein der Wissenschaft und einiges Ansehen von Gründlichkeit annimmt, wenn gleich keine von beiden bei ihr anzutreffen ist; wovon die Ursache darinnen liegt, daß die Unterscheidung des Guten und Bösen in den Handlungen und das Urtheil über die sittliche Rechtmäßigkeit geradezu, und ohne den Umschweif der Beweise von dem menschlichen Herzen durch dasjenige, was man Sentiment nennt, leicht und richtig erkannt werden kann; daher, weil die Frage mehrentheils schon vor den Vernunftgründen entschieden ist, welches in der Metaphysik sich nicht so verhält, kein Wunder ist, daß man sich nicht sonderlich schwierig bezeigt, Gründe, die nur einigen Schein der Tüchtigkeit haben, als tauglich durchgehen zu lassen. Um deswillen ist nichts gemeiner, als der Titel eines Moralphilosophen, und nichts seltener, als einen solchen Namen zu verdienen.

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Ich werde für jeht die allgemeine praktische Weltweisheit und die Tugendlehre, beide nach Baumgarten vortra= gen. Die Versuche des Shaftesbury, Hutcheson und Hume, welche, obzwar unvollendet und mangelhaft, gleichwohl noch am weitesten in der Aufsuchung der ersten Gründe aller Sittlichkeit ge= langt sind, werden diejenige Prácision und Ergänzung erhalten, die ihnen mangelt, und indem ich in der Tugendlehre jederzeit dasjenige historisch und philosophisch erwäge, was geschieht, ehe ich anzeige, was geschehen soll, so werde ich die Methode deutlich machen, nach welcher man den Menschen studiren muß, nicht allein denjenigen, der durch die veränderliche Gestalt, welche ihm sein zufälliger Zustand eindrückt, entstellt und als ein solcher selbst von Philosophen fast jederzeit verkannt worden; sondern die Natur des Menschen, die immer bleibt, und deren eigenthümliche Stelle in der Schöpfung, damit man wisse, welche Vollkommenheit ihm im Stande der rohen, und welche im Stande der weisen Einfalt angemessen sei; was dagegen die Vorschrift seines Verhaltens sei, wenn er, indem er aus beiderlei Grenzen herausgeht, die höchste Stufe der physischen oder moralischen Vortrefflichkeit zu berühren

trachtet, aber von beiden mehr oder weniger abweicht. Diese Methode der sittlichen Untersuchung ist eine schöne Entdeckung unserer Zeiten und ist, wenn man sie in ihrem völligen Plane erwägt, den Alten gänzlich unbekannt gewesen.

4) Physische Geographie. Als ich gleich zu Anfange meiner akademischen Unterweisung erkannte, daß eine große Vernachlässigung der studirenden Jugend vornehmlich darin bestehe, daß sie frühe vernünfteln lernt, ohne genugsame historische Kenntnisse, welche die Stelle der Erfahrenheit vertreten können, zu besiten; so faßte ich den Anschlag, die Historie von dem jezigen Zustande der Erde, oder die Geographie im weitesten Verstande zu einem angenehmen und leichten Inbegriff desjenigen zu machen, was sie zu einer praktischen Vernunft vorbereiten und dienen könnte, die Luft_rege zu machen, die darinnen angefangenen Kenntnisse immer mehr auszubreiten. Ich nannte eine solche Disciplin, von demjenigen Theile, worauf damals mein vornehmstes Augenmerk gerichtet war: physische Geographie. Seitdem habe ich diesen Entwurf allmählig erweitert, und jezt gedenke ich, indem ich diejenige Abtheilung mehr zusammenziehe, welche auf die physischen Merkwürdigkeiten der Erde geht, Zeit zu gewinnen, um den Vortrag über die anderen Theile derselben, die noch gemeinnüßiger sind, weiter auszubreiten. Diese Disciplin wird also eine physisch; moralisch- und politische Geographie sein, worin zuerst die Merkwürdigkeiten der Natur durch ihre drei Reiche angezeigt werden, aber mit der Auswahl derjenigen, unter unzählig anderen, welche sich durch den Reiz ihrer Seltenheit, oder auch durch den Einfluß, welchen sie vermittelst des Handels und der Gewerbe auf die Staaten haben, vornehmlich der allgemeinen Wißbegierde darbieten. Dieser Theil, welcher zugleich das natürliche Verhältniß aller Länder und Meere und den Grund ihrer Verknüpfung enthält, ist das eigentliche Fundament aller Geschichte, ohne welche sie von Mährchenerzählungen wenig unterschieden ist; die zweite Abtheilung betrachtet den Menschen nach der Mannigfaltigkeit seiner natürlichen Eigenschaften und dem Unterschiede desjenigen, was an ihm moralisch ist, auf der ganzen Erde; eine

108 Nachricht v. d. Einrichtung d. Vorles. im Winterhalbenj. 1765-1766. fehr wichtige und eben so reizende Betrachtung, ohne welche man schwerlich allgemeine Urtheile vom Menschen fällen kann, und wo die, unter einander und mit dem moralischen Zustande ålterer Zeiten geschehene Vergleichung uns eine große Charte des menschlichen Geschlechts vor Augen legt. Suleht wird dasjenige, was als eine Folge aus der Wechselwirkung beider vorher erzählten Kräfte angesehen werden kann, nämlich der Zustand der Staaten und BólBerschaften auf der Erde erwogen, nicht sowohl wie er auf den zufälligen Ursachen der Unternehmung und des Schicksals einzelner Menschen, als etwa der Regierungsfolge, den Eroberungen oder Staatsrånken beruht, sondern in Verhältniß auf das, was bestándiger ist und den entfernten Grund von jenen enthält, nämlich die Lage ihrer Lånder, die Producte, Sitten, Gewerbe, Handlung und Bevölkerung. Selbst die Verjüngung, wenn ich es fo nennen soll, einer Wissenschaft von so weitläuftigen Aussichten nach einem kleineren Maaßstabe hat ihren großen Nußen, indem dadurch allein die Einheit der Erkenntniß, ohne welche alles Wissen nur Stückwerk ist, erlangt wird. Darf ich nicht auch in einem geselligen Jahr: hunderte, als das jezige ist, den Vorrath, den eine große Mannigfaltigkeit angenehmer und belehrender Kenntnisse von leichter Faßlichkeit zum Unterhalt des Umganges darbietet, unter den Nußen rechnen, welchen vor Augen zu haben, es für die Wissenschaft keine Erniedrigung ist? Zum Wenigsten kann es einem Gelehrten nicht angenehm sein, sich öfters in der Verlegenheit zu sehen, worin sich der Redner Isokrates befand, welcher, als man ihn in einer Gesellschaft aufmunterte, doch auch etwas zu sprechen, sagen mußte: was ich weiß, schickt sich nicht, und was sich schickt, weiß ich nicht.

Dieses ist die kurze Anzeige der Beschäftigungen, welche ich für das angefangene halbe Jahr der Akademie widme, und die ich nur darum nöthig zu sein erachtet, damit man sich einigen Begriff von der Lehrart machen könne, worin ich jezt einige Veränderung zu treffen nüßlich gefunden habe. Mihi sic usus est: Tibi, quod opus est facto, face. Terentius.

V.

Beantwortung der Frage:

Was ist Aufklärung?

1784.

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