3 was die Natur zur höchsten Absicht hat, ein allgemei ner weltbürgerlicher Zustand, als der Schoos, worin alle ursprüngliche Anlagen der Menschengattung entwickelt werden, dereinst einmal zu Stande kommen werde. Neunter Sak. Ein philosophischer Versuch, die alls gemeine Weltgeschichte nach einem Plane der Natur, der auf die vollkommene bürs gerliche Vereinigung in der Menschen gats tung abziele, zu bearbeiten, muß als móglich, und selbst für diese Naturabsicht bes förderlich angesehen werden. Es ist zwar ein befremdlicher und, dem Anscheine nach, ungereim ter Anschlag, nach einer Idee, wie der Weltlauf gehen müßte, wenn er gewissen vernünftigen Zwecken anges messen seyn sollte, eine Geschichte abfaffen zu wollen; es scheint, in einer solchen Absicht könne nur ein Roman zu Stande kommen. Wenn man indessen annehmen darf: daß die Natur, selbst im Spiele der menschlichen Freiheit, nicht ohne Plan und Endabsicht verfahre, so könnte diese Idee doch wohl brauchbar werden; und, ob wir gleich zu kurzsichtig sind, den geheimen Mechanism ihrer Veranstaltung durchzuschauen, so dürfte diese Idee uns doch zum Leitfaden dienen, ein sonst planloses Aggregat menschlicher Handlungen, wenigstens im Großen, als ein System darzustellen. Denn, wenn man von der griechischen Geschichte als derjenigen, wodurch uns jede andere åltere oder gleichzeitige aufbehalten worden, wenigs stens beglaubigt werden muß *) — anhebt; wenn man derselben Einfluß auf die Bildung und Mißbildung des Staatskörpers des römischen Volks, das den gries chischen Staat verschlang, und des letteren Einfluß auf die Barbaren, die jenen wiederum zerstörten, bis auf unsere Zeit verfolgt; dabei aber die Staatenges schichte anderer Völker, so wie deren Kenntniß durch eben diese aufgeklärten Nationen allmählig zu uns ges langet ist, episodisch hinzuthut; so wird man einen regelmäßigen Gang der Verbesserung der Staatsver= faffung in unserem Welttheile (der wahrscheinlicher Weise allen anderen dereiust Geseße geben wird) ents decken. Indem man ferner allenthalben nur auf die bürgerliche Verfassung und deren Geseße, und auf das Staatsverhältniß Acht hat, in so fern beide durch das Gute, welches sie enthielten, eine Zeitlang dazu dienten, Völker (mit ihnen auch Künste und Wissenschaften) empor zu heben und zu verherrlichen, durch das Fehlers hafte aber, das ihnen anhieng, sie wiederum zu stürz *) Nur ein gelehrtes Publikum, das von seinem. Aus fange an bis zu uns ununterbrochen fortgedauert hat, kann die alte Geschichte beglaubigen. Ueber dasselbe hinaus ist alles terra incognita; und die Geschichte der Völker, die außer demselben lebten, kann nur von Zeit zu Zeit anges fangen werden, da sie darin eintrater. Dies geschah mit dem jüdischen Volk zur Zeit der Ptolemåer, durch die griechische Bibelübersehung, ohne welche man ihren ifos lirten Nachrichten wenig Glauben beimessen würde. Vom da (wenn dieser Anfang vorerst gehörig ausgemittelt wors den) kann man aufwärts ihren Erzählungen nachgeben. Und so mit allen übrigen Völkern. Das erste Blatt im Thucydides (fagt Hume) ißt der einzige Anfang aller wahren Geschichte. 1 zen, so doch, daß immer ein Keim der Aufklärung übrig blieb, der, durch jede Revolution mehr entwickelt, eine folgende noch höhere Stufe der Verbesserung vorberei tete: so wird sich, wie ich glaube, ein Leitfaden ents decken, der nicht blos zur Erklärung des so verworres nen Spiels menschlicher Dinge, oder zur politischen Wahrsagerkunst künftiger Staatsveränderungen dienen kann (ein Nugen, den man schon sonst aus der Geschichte der Menschen, wenn man sie gleich als unzusammenhängende Wirkung einer regellofen Freyheit ansah, ges zogen hat); sondern es wird (was man ohne einen Naturplan vorauszusehen nicht mit Grunde hoffen kann) eine tröstende Aussicht in die Zukunft eröffnet werden, in welcher die Menschengattung in weiter Ferne vors gestellt wird, wie sie sich endlich doch zu dem Zustande empor arbeitet, in welchem alle Keime, die die Natur in sie legté, völlig können entwickelt und ihre Bestim mung hier auf Erden kann erfüllet werden. Eine solche Rechtfertigung der Natur- oder besser der Vorsehung ist kein unwichtiger Bewegungsgrund, einen besonderen Gesichtspunkt der Weltbetrachtung zu wählen. Denn was hilfts, die Herrlichkeit und Weisheit der Schöpfung im vernunftlosen Naturreiche zu preifen und der Betrachtung zu empfehlen; wenn der Theil des großen Schauplages der obersten Weisheit, der von allem diefen den Zweck enthält, -die Heschichte des menschlichen Geschlechts- ein unaufhörlicher Einwurf dagegen bleiben soll, dessen Anblick uns nöthigt unsere Augen von ihm mit Unwillen wegzuwenden, und, ins dem wir verzweifeln jemals darin eine vollendete vers nünftige Absicht anzutreffen, uns dahin bringt, sie nur in einer andern Welt zu hoffen? Daß ich mit dieser Idee einer Weltgeschichte, die gewissermaßen einen Leitfaden a priori hat, die Bears beitung der eigentlichen blos empirisch abgefaßten Historie verdrängen wollte, wåre Mißdeutung meiner Absicht; es ist nur ein Gedanke von dem, was ein phiz losophischer Kopf (der übrigens sehr geschichtskundig seyn müßte) noch aus einem anderen Standpunkte vers suchen könnte. Ueberdem muß die sonst rühmliche Ums ståndlichkeit, mit der man jegt die Geschichte seiner Beit abfaßt, doch einen jeden natürlicher Weise auf die Bedenklichkeit bringen: wie es unsere späten Nachs kommen anfangen werden, die kast von Geschichte, die wir ihnen nach einigen Jahrhunderten hinterlassen möchs ten, zu fassen. Ohne Zweifel werden sie die der åltesten Zeit, von der ihnen die Urkunden långst erloschen feyn dürften, nur aus dem Gesichtspunkte dessen, was fie interessirt, nåmlich desjenigen, was Völker und Regierungen in weltbürgerlicher Absicht geleistet oder geschadet haben, schågen. Hierauf aber Rücksicht zu nehmen, imgleichen auf die Ehrbegierde der Staatsoberhäupter sowohl, als ihrer Diener, um sie auf das einzige Mittel zu richten, das ihr rühmliches Andenken auf die späteste Zeit bringen kann: das kann noch übers dem einen kleinen Bewegungsgrund zum Versuche einer solchen philosophischen Geschichte abgeben. |