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Einleitung.

Die vorgelegte Frage ist von der Art, daß wenn sie

gehörig aufgelöset wird, die höhere Philosophie das durch eine bestimmte Gestalt bekommen muß. Wenn die Methode fest stehet, nach der die höchstmöglichste Gewißheit in dieser Art der Erkenntniß kann erlangt werden, und die Natur dieser Ueberzeugung wohl eins gesehen wird, so muß, anstatt des ewigen Unbestands der Meinungen und Schulfekten, eine unwandelbare Vorschrift der Lehrart die denkenden Köpfe zu einerlei Bemühungen vereinbaren; so wie Newtons Metho de in der Naturwissenschaft die Ungebundenheit der physischen Hypothesen in ein sicheres Verfahren nach Erfahrung und Geometrie veränderte. Welche Lehrart wird aber diese Abhandlung selber haben sollen, in welcher der Metaphysik ihr wahrer Grad der Gewißheit, samt dem Wege, auf welchem man dazu gelangt, soll gewiesen werden? Ist dieser Vortrag wiederum Metaphysik, so ist das Urtheil desselben eben so unsicher als die Wissenschaft bis dahin gewesen ist, welche daDurch hofer, einigen Bestand und Festigkeit zu bekom:

men, und es ist alles verloren. Ich werde daher siches re Erfahrungssätze und daraus gezogene unmittelbare Folgerungen den ganzen Inhalt meiner Abhandlung seyn lassen. Ich werde mich weder auf die Lehren der Philosophen, deren Unsicherheit eben die Gelegenheit zu gegenwärtiger Aufgabe ist, noch auf Definitionen, die so oft trügen, verlassen. Die Methode, deren ich mich bediene, wird einfach und behutsam seyn. Einis ges, welches man noch unsicher finden möchte, wird von der Art seyn, daß es nur zur Erläuterung, nicht aber zum Beweise gebraucht wird.

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Erste Betrachtung.

Allgemeine Vergleichung der Art zur Gewißheit im mathematischen Erkenntnisse zu gelangen mit der im philosophischen *).

f. I.

Die Mathematik gelangt ju allen ihren Definitionen syns thetisch, die Philosophie aber analytisch.

Man kann zu einem jeden allgemeinen Begriffe auf zweierlei Wegen kommen, entweder durch die will kührliche Verbindung der Begriffe, oder durch Absonderung von derjenigen Erkenntniß, welche durch Zergliederung ist deutlich gemacht worden. Die Mathematik faffet niemals anders Definitionen ab, als auf die erstere Art. Man gedenke sich z. E. willkührs

Die Vernunfterkenntniß aus Begriffen (Betrachtung des Besondern im Allgemeinen) ist philosophisch'; die aus der Konstruction der Begriffe (Betrachtung des Allgemeinen im Besondern) ist mathematisch. Konstruiren ist das Verfahren der Einbildungskraft, einem Begriffe die ihm correspondirende Anschauung selbstthätig hervorzubringen. (T.)

fich vier gerade Linien, die eine Ebene einschließen, so daß die entgegenstehenden Seiten nicht parallel seyn, und nenne diese Fgur ein Trapezium. Der Bes griff, den ich erkläre, ist nicht vor der Definition gegeben, sondern er entspringt allererst durch dieselbe. Ein Kegel mag sonst bedeuten was er wolle; in der Mathematik entstehet er aus der willkührlichen Vorstels lung eines rechtwinklichten Triangels, der sich um eine Seite dreht. Die Erklärung entspringet hier und in allen andern Fållen offenbar durch die Synthesis.

Mit den Definitionen der Weltweisheit ist es ganz anders bewandt. Es ist hier der Begriff von einem Dinge schon gegeben, aber verworren oder nicht ges nugsam bestimmt. Ich muß ihn zergliedern, die abgesonderten Merkmale zusammen mit dem gegebenen Begriffe in allerlei Fällen vergleichen, und diesen ats strakten Gedanken ausführlich und bestimmt machen. Jedermann hat z. E. einen Begriff von der Zeit; dieser foll erklärt werden. Ich muß diese Idee in allers lei Beziehungen betrachten, um Merkmale derselben durch Zergliederung zu entdecken, verschiedene abstrahirte Merkmale verknüpfen, ob sie einen zureichenden Begriff geben, und unter einander zusammenhalten, ob nicht zum Theil eine die andre in sich schließe. Wolle te ich hier synthetisch auf eine Definition der Zeit zu kommen suchen, welch ein glücklicher Zufall müßte sich ereignen, wenn dieser Begriff gerade derjenige wäre, der die uns gegebene Idee völlig ausdrückte.

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