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Erfahrung auch, daß so viele, welche von der fünftis gen Welt belehrt und überzeugt sind, gleichwohl dem Lafter und der Niederträchtigkeit ergeben, nur auf Mits tel finnen, den drohenden Folgen der Zukunft argliftig auszuweichen: aber es hat wohl niemals eine rechtschaffene Seele gelebt, welche den Gedanken håtte ers tragen können, daß mit dem Tode alles zu Ende sey, und deren edle Gesinnung sich nicht zur Hoffnung der Zukunft erhoben håtte. Daher scheint es der menschlichen Natur und der Reinigkeit der Sitten gemäßer zu seyn: die Erwartung der künftigen Welt auf die Empfindungen einer wohlgearteten Seele, als umgekehrt ihr Wohlverhalten auf die Hoffnung der andern Welt zu gründen. So ist auch der moralische Glaube bewandt, dessen Einfalt mancher Spitfindigkeit des Bernünftelns überhoben seyn kann, und welcher einzig und allein dem Menschen in jeglichem Zustande anges messen ist, indem er ihn ohne Umschweif zu seinen wahren Zwecken führet. Laßt uns demnach alle lermende Lehrverfassungen von so entfernten Gegenstånden, der Spekulation und der Sorge müßiger Köpfe überlassen.' Sie sind uns in der That gleichgültig, und der augenblickliche Schein der Gründe vor oder dawider mag vielleicht über den Beifall der Schulen, schwerlich aber etwas über das künftige Schicksal der Redlichen ents scheiden. Es war auch die menschliche Vernunft nicht gnugsam dazu beflügelt, daß sie so hohe Wolken theilen follte, die uns die Geheimnisse der andern Welt aus den Augen ziehen, und den Wißbegierige, die sich nach derselben so angelegentlich erkundigen, kann man

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den einfältigen aber sehr natürlichen Bescheid geben: daß es wohl am rathsamsten sey, wenn sie sich zu gedulden beliebten, bis sie werden dahin kommen. Da aber unser Schicksal in der künftigen Welt vermuthlich sehr darauf ankommen mag, wie wir unsern Posten in der gegenwärtigen verwaltet haben, so schließe ich mit demjenigen, was Voltaire seinen ehrlichen Candide, nach so viel unnüßen Schulstreitigkeiten, zum Beschlusse sagen låßt: Laßt uns unser Glück besorgen, in den Garten gehen, und arbeiten.

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Erster Abschnitt.

Von den unterschiedenen Gegenständen des Gefühles vom Erhabenen und Schönen.

Die

ie verschiedenen Empfindungen des Vergnügens oder des Verdrußses, beruhen nicht so sehr auf der Be schaffenheit der äußeren Dinge, die sie erregen, als, auf dem jedem Menschen eigenen Gefühle, dadurch mit Lust oder Unlust gerühret zu werden. Daher kommen die Freuden einiger Menschen, woran andre einen Ekel haben, die verliebte Leidenschaft, die öfters jedermann ein Räthsel ist, oder auch der lebhafte Widerwille, den der eine woran empfindet, was dem andern völlig gleichgültig ist. Das Feld der Beobachtungen dieser Besonderheiten der menschlichen Natur erstrecket sich sehr weit, und verbirgt annoch einen reichen Vorrath zu Entdeckungen, die eben so anmuthig als lehrreich find. Ich werfe fürjeßt meinen Blick nur auf einige Stellen, die sich in diesem Bezirke besonders auszuneh men scheinen, und auch auf diese mehr das Auge eines Beobachters, als des Philosophen.

Weil ein Mensch sich nur in so fern glücklich fins det, als er eine Neigung befriediget; so ist das Gefühl,

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