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wendigkeit und Zufälligkeit u. s. w. lauter Begriffe, zu denen eine große Abstraktion und Aufmerksamkeit gehört, vornåmlich, da ihre Zeichen in der Anwendung viele unmerkliche Abartungen erleiden, deren Unters schied nicht mug aus der Acht gelassen werden. Es soll durchaus synthetisch verfahren werden. Man erklärt daher gleich Anfangs, und folgert daraus mit Zuvers ficht. Die Philosophen in diesem Geschmacke wünschen einander Glück, daß sie das Geheimniß gründlich zu denken, dem Meßkünstler abgelernt hätten, und bes merken gar nicht, daß diese durchs Zusammense Ben Begriffe erwerben, da jene es durch Auflösen allein thun können, welches die Methode zu denken ganz verändert.

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Sobald dagegen die Philosophen den natürlichen Weg der gesunden Vernunft einschlagen werden, zuerst dasjenige, was sie gewiß von dem abgezogenen Bez griffe eines Gegenstandes (z. E. dem Raume oder Zeit) wissen, aufzusuchen, ohne noch einigen Anspruch auf die Erklärungen zu machen; wenn sie nur aus dies fen sichern Datis schließen, wenn sie bei jeder veráns derten Anwendung eines Begriffs Acht haben, ob der Begriff selber, ohnerachtet sein Zeichen einerlei ist, nicht hier verändert sey: so werden sie vielleicht nicht so viel Einsichten feil zu bieten haben, aber diejenigen, die sie darlegen, werden von einem sichern Werthe seyn. Von dem legteren will ich noch ein Beispies ans führen. Die mehresten Philosophen führen als ein Exempel dunkler Begriffe diejenigen an, die wir im

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tiefen Schlafe haben mögen. Dunkle Vorstellungen sind diejenigen, deren man sich nicht bewußt ist *). Nun zeigen einige Erfahrungen: daß wir auch im ties fen Schlafe Vorstellungen haben, und da wir uns de ren nicht bewußt seyn, so sind sie dunkel gewesen. Hier ist das Bewußtseyn von zwiefacher Bedeutung. Man ist sich entweder einer Vorstellung nicht bewußt, daß man sie habe, oder daß man sie gehabt habe. Das erstere bezeichnet die Dunkelheit der Vorstellung, so wie sie in der Seele ist; das zweite zeigt weiter nichts an, als daß man sich ihrer nicht erinnere. Nun giebt die angeführte Instanz lediglich zu erkennen: daß es Vorstellungen geben könne, deren man sich im Wachen nicht erinnert, woraus aber gar nicht folgt, daß sie im Schlafe nicht sollten mit Bewußtseyn klar gewesen seyn; wie in dem Erempel des Herrn Souvage von der starrsüchtigen Person, oder bei den gemeinen Handlungen der Schlafwanderer. Indessen wird dadurch, daß man gar zu leicht ans Schließen geht, ohne vors her durch Aufmerksamkeit auf verschiedene Fälle jedesmal dem Begriffe feine Bedeutung gegeben zu haben, in diesem Falle ein vermuthlich großes Geheimniß der Natur mit Achtlosigkeit übergangen: nämlich, daß vielleicht im tiefsten Schlafe die größte Fertigkeit der Seele im vernünftigen Denken möge ausgeübt werden, Denn man hat keinen andern Grund zum Gegentheil,

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*) Vorstellung ist innere Bestimmung des Gemüths; sie ist

dunkel, wenn das Bewußtseyn nicht zum Bewußtseyn des
Unterschiedes derfelben von Andern zureicht. Vorstellung
mit Bewußtseyn ist Perception. (L.)

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als daß man deffen sich im Wachen nicht erinnert, wels Her Grund aber nichts beweist.

Es ist noch lange die Zeit nicht, in der Metaphys fik synthetisch zu verfahren, nur wenn die Analysis uns wird zu deutlich und ausführlich verstandenen Bes griffen verholfen haben, wird die Synthesis den eins fachsten Erkenntnissen die zusammengeseßten, wie in der Mathematik, unterordnen können *).

*) Der Philosoph nimmt seinen Weg nach Begriffen, der Mat thematiker nach Anschauungen, die er a priori den Bes griffen gemäß hervorbringt. Doch legt es der Philofoph nicht blos auf analytische Säße an, die durch bloße Zers gliederung der Begriffe erzeugt werden können, sondern es giebt auch eine transscendentale Synthesis aus lauter Begriffen, die wiederum nur allein dem Phis losophen gelingt; die aber niemals mehr als ein Ding übers haupt betrift, nåmlich, unter welchen Bedingungen dessen Wahrnehmung zur möglichen Erfahrung gehören könne. Man urtheilt durch solche Begriffe synthetisch, aber doch nur discursiv, nicht intuitiv, S. Kr. 748. ff. (L.),

Dritte Betrachtung.

Bon der Natur der metaphysischen Gewißheit.

§. I.

Die philofophifche Gewißheir ist überhaupt von anderer,
Natur als die mathematische.

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Man ist gewiß, in so ferne man erkennet, daß es unmöglich sey, daß eine Erkenntniß falsch sey. Der Grad dieser Gewißheit, wenn er objective genommen wird, kommt auf das Zureichende `in den Merkmalen von der Nothwendigkeit einer Wahrheit an, in so ferne er aber subjective betrachtet wird, so ist er in so ferne größer, als die Erkenntniß dieser Nothwendigkeit mehr Anschauung hat. In beider Betrachtung ist die mathematische Gewißheit von anderer Art als die philosophische. Ich werde dieses auf das augenscheinlichste darthun.

Der menschliche Verstand ist so wie jede andre Kraft der Natur an gewiffe Regeln gebunden. Man 、irret nicht deswegen, weil der Verstand die Begriffe regellos verknüpfet, sondern weil man dasjenige Merks mal, was man in einem Dinge nicht wahrnimmt, auch von ihm verneinet, und urtheilt, daß dasjenige nicht

sey, wessen man sich in einem Dinge nicht bewußt ist. Nun gelanger Erstlich die Mathematik zu ihren Begriffen synthetisch und kann sicher sagen, was sie sich in ihrem Objecte durch die Definition nicht hat vor stellen wollen, das ist darin auch nicht enthalten. Denn der Begriff des Erklärten entspringt allererst durch die Erklärung, und hat weiter gar keine Bedeutung als die, so ihm die Definition giebt. Vergleicht man hiemit die Weltweisheit, und namentlich die Metaphysik, so ist sie in ihren Erklärungen weit unsicherer, wenn sie welche wagen will. Denn der Begriff des zu erz Flårenden ist gegeben. Bemerkt man nun ein oder das andrej Merkmal nicht, was gleichwohl zu seiner hinreichenden Unterscheidung gehört, und urtheilt, daß zu dem ausführlichen Begriffe kein solches Merkmal fehle, so wird die Definition falsch und trüglich. Wir könnten dergleichen Fehler durch unzählige Beispiele vor Augen legen, ich beziehe mich aber desfalls nur auf das oben angeführte von der Berührung. Zweitens betrachtet die Mathematik in ihren Folgerungen und Beweisen ihre allgemeine Erkenntniß unter den Zeichen in concreto, die Weltweisheit aber neben den Zeichen noch immer in abstracto. Dieses macht einen nam haften Unterschied aus, in der Art beider zur Gewiß: wigheit zu gelangen. Denn da die Zeichen der Mathematik sinnliche Erkenntnißmittel sind, so kann man mit derselben Zuversicht, wie man dessen, was man mit Augen sieht, versichert ist, auch wissen, daß man keinen Begriff aus der Acht gelassen, daß eine jede einzelne Vergleichung nach leichten Regeln geschehen sey

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