Page images
PDF
EPUB
[ocr errors]

Indessen, wird man sagen, erklären die Philosos phen bisweilen auch synthetisch, und die Mathematiker analytisch. Z. E. Wenn der Philosoph eine Substanz mit dem Vermögen der Vernunft sich willkührlicher Weise gedenkt, und sie einen Geist nennt. Ich antworte aber, dergleichen Bestimmungen einer Wortbes. deutung sind niemals philosophische Definitionen, sons dern wenn sie ja Erklärungen heißen föllen, so sind sie nur grammatische. Denn dazu gehört gar nicht Phis losophie, um zu sagen, was für einen Namen ich einem willkührlichen Begriffe will beigelegt wissen. Leibniz dachte sich eine einfache Substanz, die nichts. als dnnkle Vorstellungen håtte, und nannte sie eine schlummernde Monade. Hier hatte er nicht diese Monas erklärt, sondern erdacht; denn der Begriff derselben war ihm nicht gegeben, sondern von ihm ers schaffen worden. Die Mathematiker haben dagegen bisweilen analytisch erklärt, ich gefiehe es, aber es ist auch jederzeit ein Fehler gewesen. So hat Wolf die Aehnlichkeit in der Geometrie mit philosophischem Auge erwogen, um unter dem allgemeinen Begriffe derselben auch die in der Geometrie vorkommende zu fassen. Er hatte es immer können unterwegens laffen; denn wenn ich mir Figuren denke, 'in welchen die Winkel, die die Linien des Umkreises einschließen, gegenseitig gleich, und die Seiten, die sie einschließen, einerlei Verhältniß haben, so kann dieses allemal als die Definition der Aehnlichkeit der Figuren angesehen werden, und so mit den übrigen- Aehnlichkeiten der Räume. Dem Geometra ist an der allgemeinen Definition der

Aehnlichkeit überhaupt gar nichts gelegen. Es ist ein Glück für die Mathematik; daß, wenn bisweilen, durch eine übelverstandene Obliegenheit, der Meßkünstler sich mit solchen analytischen Erklärungen einläßt, doch in der That bei ihm nichts daraus gefolgert wird, oder auch seine nächsten Folgerungen im Grunde die mathematische Definition ausmachen, sonst würde diese Wissenschaft eben demselben unglücklichen Zwiste quss gesezt seyn, als die Weltweisheit.

Der Mathematiker hat mit Begriffen zu thun, die öfters noch einer philosophischen Erklärung fähig sind; wie . E. mit dem Begriffe vom Raume überhaupt *). Allein er nimmt einen solchen Begriff als gegeben nach seiner klaren urd gemeinen Vorstellung an. Bis weilen werden ihm philosophische Erklärungen aus andern Wissenschaften gegeben, vornämlich in der angewandten Mathematik, z. E. die Erklåkung der Flüssig= keit. Allein alsdenn entspringt dergleichen Definition

*) Der Philosoph muß untersuchen, woher die Begriffe von Raum und Zeit, (womit sich die Mathematiker, als den einzigen ursprünglichen Quantis beschäftigen) herkommen mögen; der Mathematiker aber, als solcher, nimmt sie als gegeben an und schreitet so fort zur Konstruction feiner Begriffe. Das Vernunftgeschäfte durch die Konstruction der Begriffe besteht nun überhaupt darin, daß eine Ans schauung a priori im Nanme (die Gestalt) oder die Theis lung der Zeit (die Dauer) bestimmt, oder bloß das Alls gemeine der Synthesis von Einem und demselben in der Zeit und dem Raume und die daraus entspringende Größe einer Anschauung überhaupt (die Zahl) erkannt werde. (T.)

[ocr errors]

nicht in der Mathematik, sondern wird daselbst nur ges braucht. Es ist das Geschäft der Weltweisheit, Bes griffe, die als verworren gegeben sind, zu zergliedern, ausführlich und bestimmt zu machen; der Mathematik aber, gegebene Begriffe von Größen, die klar und sicher find, zu verknüpfen und zu vergleichen, um zu sehen, was hieraus gefolgert werden könne.

§. 2.

Die Mathematik betrachtet in ihren Auflösungen, Beweisen

1

und Folgerungen, das Allgemeine unter den Zeichen in concreto, die Weltweisheit das Allgemeine durch die Zeichen in abstracto *).

Da wir hier unsere Såte nur als 'unmittelbare. Folgerungen aus Erfahrungen abhandeln, so berufe ich mich wegen des gegenwärtigen zuerst auf die Arithmetik, sowohl die allgemeine von den unbestimmten Größen, als diejenige von den Zahlen, wo das Verhältniß der Größe zur Einheit bestimmt ist. In beiden werden zuerst, anstatt der Sachen selbst, ihre Zeichen, mit den besondern Bezeichnungen ihrer Vers mehrung oder Verminderung, ihrer Verhältnisse u. f. w. geseht, und hernach mit diesen Zeichen nach leichten und sichern Regelniverfahren, durch Versehung, Ver

*) Die Mathematik betrachtet das Allgemeine im Besondern und sogar im Einzelnen; indem sie dem Begriffe (z. B. vom Cirkel) die Anschauung beifügt. Die Philosophie bes trachtet das Besondere nur im Allgemeinen; z. B. ein ges gebenes Etwas dadurch, daß sie es als Urjache, Substanz u. s. w. denkt. (L.)

[ocr errors]

knüpfung oder Abziehen, und mancherlei Veränderung, so daß die bezeichneten Sachen selbst hiebei gänzlich aus den Gedanken gelassen werden, bis endlich beim Beschluffe die Bedeutung der fymbolischen Folgerung entzifert wird. Zweitens, in der Geometrie, um 3. E. die Eigenschaften aller Zirkel zu erkennen, zeichnet man einen, in welchem man statt aller möglichen sich innerhalb demselben schneidenden Linien, zwei zies het. Von diesen beweiset man die Verhältnisse, und betrachtet in denselben die allgemeine Regel der Vers hältnisse der si in allen Zirkeln durchkreuzenden Linien in concreto. :

Vergleicht man hiemit das Verfahren der Weltweisheit, so ist es davon gänzlich unterschieden. Die Zeichen der philofophischen Betrachtung sind niemals etwas anders als Worte, die weder in ihrer Zusammens fezung die Theilbegriffe, woraus die ganze Idee, wels che das Wort andeutet, besteht, anzeigen, noch in ihren Verknüpfungen die Verhältnisse der philosophischen Gedanken zu bezeichnen vermögen. Daher man bei jedem Nachdenken in dieser Art der Erkenntniß die Sache selbst vor Augen haben muß, und genöthigt ist, sich das allgemeine in abstracto vorzustellen, ohne dieser wichtigen Erleichterung sich bedienen zu können, daß man einzelne Zeichen statt der allgemeinen Begriffe der Sachen selbst behandle. Wenn z. E. der Meßkünstler darthun vill, daß der Raum ins Unendliche theilbar sey, so nimmt er etwa eine gerade Linie, die zwischen zwei Parallelen senkrecht steht, und ziehet aus einem

1

Punkt einer dieser gleichlaufenden Linien andere, die solche schneiden. Er erkennet an diesem Symbolo mit größester Gewißheit, daß die Zertheilung ohne Ende fortgehen müsse. Dagegen, wenn der Philosoph etwa darthun will, daß ein jeder Körper aus einfachen Substanzen bestehe, so wird er sich erstlich versichern, daß er überhaupt ein Ganzes aus Substanzen sey, daß bei diesen die Zusammenseßung ein zufälliger Zustand sen, ohne den sie gleichwohl existiren können, daß mithin alle Zusammensetzung in einem Körper in Gedanken könne aufgehoben werden, so doch, daß die Subs stanzen, daraus er besteht, existiren; und da dasjenige, was von einem Zusammengesetten bleibt, wenn alle Zusammensehung überhaupt aufgehoben worden, eins fach ist, daß der Körper aus einfachen Substanzen bes ftehen müsse *). Hier können weder Figuren noch sichts bare Zeichen, die Gedanken noch deren Verhältnisse ausdrücken, auch läßt sich keine Versehung der Zeichen nach Regeln an die Stelle der abstrakten Betrachtungen sehen, so daß man die Vorstellung der Sachen selbst in diesem Verfahren mit der flåreren und leichteren der

*) Jedoch folgt daraus, daß ich alle Zusammenseßung im Gedanken aufheben kann, noch nicht, daß der Körper und die durch die Eheilung gefundenen Eles mente selbst einfach sind. Die Theilung des Körpers geht eben so wohl ins Unendliche, als die des Raums, welchen er einnimmt; denn die Theilung des Körpers gründet sich auf, die Theilung, des Raums. S. Kr. der r. . . 553. (.)

« PreviousContinue »