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That Eigenschaften eines Dinges an sich selbst sein können, so dürfen wir nicht ferner fragen, was das Ding noch ausser diesen Eigenschaften an sich sei; denn es ist alsdann gerade das, was durch jene Eigenschaften gegeben ist. Nun wird man fordern, ich solle doch dergleichen Eigenschaften und wirkende Kräfte angeben, damit man sie und durch sie Dinge an sich von blosen Erscheinungen unterscheiden könne. Ich antworte: dieses ist schon längst und zwar von euch selbst geschehen.

Besinnt euch nur, wie ihr den Begriff von Gott, als höchster Intelligenz, zu Stande bringt. Ihr denkt euch in ihm lauter wahre Realität, d. i. etwas, das nicht blos, (wie man gemeiniglich dafür hält,) den Negationen entgegengesetzt wird, sondern auch und vornehmlich den Realitäten in der Erscheinung (realitas phaenomenon), dergleichen alle sind, die uns durch Sinne gegeben werden müssen, und eben darum realitas apparens, (wiewohl nicht mit einem ganz schicklichen Ausdrucke) genannt werden. Nun vermindert alle diese Realitäten (Verstand, Wille, Seligkeit, Macht etc.) dem Grade nach, so bleiben sie doch der Art (Qualität) nach immer dieselben, so habt ihr Eigenschaften der Dinge an sich selbst, die ihr auch auf andere Dinge ausser Gott anwenden könnt. Keine anderen könnt ihr euch denken, und alles Uebrige ist nur Realität in der Erscheinung (Eigenschaft eines Dinges als Gegenstandes der Sinne), wodurch ihr niemals ein Ding denkt, wie es an sich selbst ist. Es scheint zwar befremdlich, dass wir unsere Begriffe von Dingen an sich nur dadurch gehörig bestimmen können, dass wir alle Realität zuerst auf den Begriff von Gott reduciren, und so, wie er darin stattfindet, allererst auch auf andere Dinge als Dinge an sich anwenden sollen. Allein jenes ist lediglich das Scheidungsmittel alles Sinnlichen und der Erscheinung von dem, was durch den Verstand, als zu Sachen an sich selbst gehörig, betrachtet werden kann. Also kann nach allen Kenntnissen, die wir immer nur durch Erfahrung von Sachen haben mögen, die Frage: was denn ihre Objecte als Dinge an sich selbst sein mögen? ganz und gar nicht für sinnleer gehalten werden.

Die Sachen der Metaphysik stehen jetzt auf einem solchen Fusse, die Acten zur Entscheidung ihrer Streitigkeiten liegen beinahe schon zum Spruche fertig, so dass es nur noch ein wenig Geduld und Unparteilichkeit im Urtheile bedarf, um es vielleicht zu erleben, dass sie endlich einmal ins Reine werden gebracht werden.

Königsberg, den 4. August 1786.

XV.

Ueber den Gebrauch

teleologischer Principien

in der

Philosophie.

1788.

Wenn man unter Natur den Inbegriff von allem versteht, was nach Gesetzen bestimmt existirt, die Welt (als eigentlich so genannte Natur) mit ihrer obersten Ursache zusammengenommen, so kann es die Naturforschung, (die im ersten Falle Physik, im zweiten Metaphysik heisst,) auf zweien Wegen versuchen, entweder auf dem blos theoretischen oder auf dem teleologischen Wege, auf dem letzteren aber, als Physik, nur solche Zwecke, die uns durch Erfahrung bekannt werden können, als Metaphysik dagegen, ihrem Berufe angemessen, nur einen Zweck, der durch reine Vernunft feststeht, zu ihrer Absicht gebrauchen. Ich habe anderwärts gezeigt, dass die Vernunft in der Metaphysik auf dem theoretischen Naturwege (in Ansehung der Erkenntniss Gottes) ihre ganze Absicht nicht nach Wunsch erreichen könne, und ihr also nur noch der teleologische übrig sei; so doch, dass nicht die Naturzwecke, die nur auf Beweisgründen der Erfahrung beruhen, sondern ein a priori durch reine praktische Vernunft bestimmt gegebener Zweck (in der Idee des höchsten Gutes) den Mangel der unzulänglichen Theorie ergänzen müsse. Eine ähnliche Befugniss, von einem teleologischen Princip auszugehen, wo uns die Theorie verlässt, habe ich in einem kleinen Versuche über die Menschenracen zu beweisen gesucht. Beide Fälle aber enthalten eine Forderung, der der Verstand sich ungern unterwirft und die Anlass genug zum Missverstande geben kann.

Mit Recht ruft die Vernunft in aller Naturuntersuchung zuerst nach Theorie, und nur später nach Zweckbestimmung. Den Mangel der erstern kann keine Teleologie, noch praktische Zweckmässigkeit ersetzen. Wir bleiben immer unwissend in Ansehung der wirkenden Ursachen, wenn wir gleich die Angemessenheit unserer Voraussetzung mit Endursachen, es sei der Natur oder unsers Willens, noch so einleuchtend machen können. Am meisten scheint diese Klage da gegründet zu sein, wo, (wie in jenem metaphysischen Falle,) sogar praktische Gesetze vor

angehen müssen, um den Zweck allererst anzugeben, dem zum Behuf ich den Begriff einer Ursache zu bestimmen gedenke, der auf solche Art die Natur des Gegenstandes gar nichts anzugehen, sondern blos eine Beschäftigung mit unsern eigenen Absichten und Bedürfnissen zu sein scheint.

Es hält allemal schwer, sich in Principien zu einigen, in solchen Fällen, wo die Vernunft ein doppeltes, sich wechselseitig einschränkendes Interesse hat. Aber es ist sogar schwer, sich über die Principien dieser Art auch nur zu verstehen; weil sie die Methode zu denken vor der Bestimmung des Objects betreffen, und einander widerstreitende Ansprüche der Vernunft den Gesichtspunkt zweideutig machen, aus dem man seinen Gegenstand zu betrachten hat. In der gegenwärtigen Zeitschrift sind zwei meiner Versuche, über zweierlei sehr verschiedene Gegenstände und von sehr ungleicher Erheblichkeit, einer scharfsinnigen Prüfung unterworfen worden. In einer bin ich nicht verstanden worden, ob ich es zwar erwartete, in der andern aber über alle Erwartung wohl verstanden worden; beides von Männern von vorzüglichem Talente, jugendlicher Kraft und aufblühendem Ruhme. In jener gerieth ich in den Verdacht, als wollte ich eine Frage der physischen Naturforschung durch Urkunden der Religion beantworten; in der andern wurde ich von dem Verdachte befreit, als wollte ich durch den Beweis der Unzulänglichkeit einer metaphysischen Naturforschung der Réligion Abbruch thun. In beiden gründet sich die Schwierigkeit, verstanden zu werden, auf der noch nicht genug ins Licht gestellten Befugniss, sich, wo theoretische Erkenntnissquellen nicht zulangen, des teleologischen Princips bedienen zu dürfen, doch mit einer solchen Beschränkung seines Gebrauchs, dass der theoretisch - speculativen Nachforschung das Recht des Vortritts gesichert wird, um zuerst ihr ganzes Vermögen daran zu versuchen, (wobei in der metaphysischen von der reinen Vernunft mit Recht gefordert wird, dass sie dieses, und überhaupt ihre Anmassung, über irgend etwas zu entscheiden, vorher rechtfertige, dabei aber ihren Vermögenszustand vollständig aufdecke, um auf Zutrauen rechnen zu dürfen,) imgleichen, dass, im Fortgange, diese Freiheit ihr jederzeit unbenommen bleibe. Ein grosser Theil der Misshelligkeiten beruht hier auf der Besorgniss des Abbruchs, womit die Freiheit des Vernunftgebrauchs bedroht werde; wenn diese gehoben wird, so glaube ich die Hindernisse leicht wegräumen zu können.

Wider eine in der Berliner Monatsschrift, November 1785, eingerückte Erläuterung meiner vorlängst geäusserten Meinung, über

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