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standes stehen, d. i. gar nicht Erscheinung sein, d. i. sie müsste als ein Ding an sich selbst, die Wirkungen aber allein als Erscheinungen angenommen werden.* Kann man einen solchen Einfluss der Verstandeswesen auf Erscheinungen ohne Widerspruch denken, so wird zwar aller Verknüpfung der Ursache und Wirkung in der Sinnenwelt Naturnothwendigkeit anhangen, dagegen doch derjenigen Ursache, die selbst keine Erscheinung ist, (obzwar ihr zum Grunde liegt,) Freiheit zugestanden, Natur also und Freiheit ebendemselben Dinge, aber in verschiedener Beziehung, einmal als Erscheinung, das andremal als einem Dinge an sich selbst, ohne Widerspruch beigelegt werden können.

Wir haben in uns ein Vermögen, welches nicht blos mit seinen subjectiv bestimmenden Gründen, welche die Naturursachen seiner Handlungen sind, in Verknüpfung steht und sofern das Vermögen eines Wesens ist, das selbst zu den Erscheinungen gehört, sondern auch auf objective Gründe, die blos Ideen sind, bezogen wird, sofern sie dieses Vermögen bestimmen können, welche Verknüpfung durch Sollen ausgedrückt wird. Dieses Vermögen heisst Vernunft, und sofern wir ein Wesen (den Menschen) lediglich nach dieser objectiv bestimmbaren Vernunft betrachten, kann es nicht als ein Sinnenwesen betrachtet werden, sondern die gedachte Eigenschaft ist die Eigenschaft eines Dinges an sich selbst, deren Möglichkeit, wie nämlich das Sollen, was doch noch nie geschehen ist, die Thätigkeit desselben bestimme und Ursache von Handlungen sein könne, deren Wirkung Erscheinung in der Sinnenwelt ist, wir gar nicht begreifen kön

* Die Idee der Freiheit findet lediglich in dem Verhältnisse des Intellectuellen, als Ursache, zur Erscheinung, als Wirkung, statt. Daher können wir der Materie in Ansehung ihrer unaufhörlichen Handlung, dadurch sie ihren Raum erfüllt, nicht Freiheit beilegen, obschon diese Handlung aus innerem Princip geschieht. Eben so wenig können wir für reine Verstandeswesen, z. B. Gott, sofern seine Handlung immanent ist, keinen Begriff von Freiheit angemessen finden. Denn seine Handlung, obzwar unabhängig von äusseren bestimmenden Ursachen, ist dennoch in seiner ewigen Vernunft, mithin der göttlichen Natur, bestimmt. Nur wenn durch eine Handlung etwas anfangen soll, mithin die Wirkung in der Zeitreihe, folglich der Sinnenwelt anzutreffen sein soll (z. B. Anfang der Welt), da erhebt sich die Frage, ob die Causalität der Ursache selbst auch anfangen müsse, oder ob die Ursache eine Wirkung anheben könne, ohne dass ihre Causalität selbst anfängt. Im ersteren Falle ist der Begriff dieser Causalität ein Begriff der Naturnothwendigkeit, im zweiten der Freiheit. Hieraus wird der Leser ersehen, dass, da ich Freiheit als das Vermögen eine Begebenheit von selbst anzufangen erklärte, ich genau den Begriff traf, der das Problem der Metaphysik ist.

nen. Indessen würde doch die Causalität der Vernunft in Ansehung der Wirkungen in der Sinnenwelt Freiheit sein, sofern objective Gründe, die selbst Ideen sind, in Ansehung ihrer als bestimmend angesehen werden. Denn ihre Handlung hinge alsdann nicht an subjectiven, mithin auch keinen Zeitbedingungen und also auch nicht vom Naturgesetze ab, das diese zu bestimmen dient, weil Gründe der Vernunft allgemein, aus Principien, ohne Einfluss der Umstände der Zeit oder des Orts, Handlungen die Regel geben.

Was ich hier anführe, gilt nur als Beispiel zur Verständlichkeit und gehört nicht nothwendig zu unserer Frage, welche, unabhängig von Eigenschaften, die wir in der wirklichen Welt antreffen, aus blosen Begriffen entschieden werden muss.

Nun kann ich ohne Widerspruch sagen: alle Handlungen vernünftiger Wesen, sofern sie Erscheinungen sind, (in irgend einer Erfahrung angetroffen werden,) stehen unter der Naturnothwendigkeit; ebendieselben Handlungen aber, blos respective auf das vernünftige Subject und dessen Vermögen, nach bloser Vernunft zu handeln, sind frei. Denn was wird zur Naturnothwendigkeit erfordert? Nichts weiter, als die Bestimmbarkeit jeder Begebenheit der Sinnenwelt nach beständigen Gesetzen, mithin eine Beziehung auf Ursache in der Erscheinung, wobei das Ding an sich selbst, was zum Grunde liegt, und dessen Causalität unbekannt bleibt. Ich sage aber: das Naturgesetz bleibt, es mag nun das vernünftige Wesen aus Vernunft, mithin durch Freiheit, Ursache der Wirkungen der Sinnenwelt sein, oder es mag diese auch nicht aus Vernunftgründen bestimmen. Denn ist das Erste, so geschieht die Handlung nach Maximen, deren Wirkung in der Erscheinung jederzeit beständigen Gesetzen gemäss sein wird; ist das Zweite und die Handlung geschieht nicht nach Principien der Vernunft, so ist sie den empirischen Gesetzen der Sinnlichkeit unterworfen, und in beiden Fällen hängen die Wirkungen nach beständigen Gesetzen zusammen; mehr verlangen wir aber nicht zur Naturnothwendigkeit, ja mehr kennen wir an ihr auch nicht. Aber im ersten Falle ist Vernunft die Ursache dieser Naturgesetze und ist also frei, im zweiten Falle laufen die Wirkungen nach blosen Naturgesetzen der Sinnlichkeit, darum, weil die . Vernunft keinen Einfluss auf sie ausübt; sie, die Vernunft, wird aber darum nicht selbst durch die Sinnlichkeit bestimmt, (welches unmöglich ist,) und ist daher auch in diesem Falle frei. Die Freiheit hindert also nicht das Naturgesetz der Erscheinungen, so wenig, wie dieses der Freiheit des

praktischen Vernunftgebrauchs, der mit Dingen an sich selbst, als bestimmenden Gründen, in Verbindung steht, Abbruch thut.

Hiedurch wird also die praktische Freiheit, nämlich diejenige, in welcher die Vernunft nach objectiv-bestimmenden Gründen Causalität hat, gerettet, ohne dass der Naturnothwendigkeit in Ansehung ebenderselben Wirkungen, als Erscheinungen, der mindeste Eintrag geschieht. Eben dieses kann auch zur Erläuterung desjenigen, was wir wegen der transscendentalen Freiheit und deren Vereinbarung mit Naturnothwendigkeit (in demselben Subjecte, aber nicht in einer und derselben Beziehung genommen,) zu sagen hatten, dienlich sein. Denn was diese betrifft, so ist ein jeder Anfang der Handlung eines Wesens aus objectiven Ursachen, respective auf diese bestimmenden Gründe, immer ein erster Anfang, obgleich dieselbe Handlung in der Reihe der Erscheinungen nur ein subalterner Anfang ist, vor welchem ein Zustand der Ursache vorhergehen muss, der sie bestimmt und selbst ebenso von einer nah vorhergehenden bestimmt wird; so dass man sich an vernünftigen Wesen, oder überhaupt an Wesen, sofern ihre Causalität in ihnen als Dingen an sich selbst bestimmt wird, ohne in Widerspruch mit Naturgesetzen zu gerathen, ein Vermögen denken kann, eine Reihe von Zuständen von selbst anzufangen. Denn das Verhältniss der Handlung zu objectiven Vernunftgründen ist kein Zeitverhältniss; hier geht das, was die Causalität bestimmt, nicht der Zeit nach vor der Handlung vorher, weil solche bestimmende Gründe nicht Beziehung der Gegenstände auf Sinne, mithin nicht auf Ursachen in der Erscheinung, sondern bestimmende Ursachen, als Dinge an sich selbst, die nicht unter Zeitbedingungen stehen, vorstellen. So kann die Handlung in Ansehung der Causalität der Vernunft als ein erster Anfang, in Ansehung der Reihe der Erscheinungen aber doch zugleich als ein blos subordinirter Anfang angesehen, und ohne Widerspruch in jenem Betracht als frei, in diesem, (da sie blos Erscheinung ist,) als der Naturnothwendigkeit unterworfen angesehen werden.

Was die vierte Antinomie betrifft, so wird sie auf die ähnliche Art gehoben, wie der Widerstreit der Vernunft mit sich selbst in der dritten. Denn wenn die Ursache in der Erscheinung nur von der Ursache der Erscheinungen, sofern sie als Ding an sich selbst gedacht werden kann, unterschieden wird, so können beide Sätze wohl neben einander bestehen, nämlich dass von der Sinnenwelt überall keine Ursache (nach ähnlichen Gesetzen der Causalität) stattfinde, deren Existenz schlechthin nothwendig sei, imgleichen andererseits, dass diese Welt

dennoch mit einem nothwendigen Wesen als ihrer Ursache, (aber von anderer Art und nach einem anderen Gesetze,) verbunden sei; welcher zween Sätze Unverträglichkeit lediglich auf dem Missverstande beruht, das, was blos von Erscheinungen gilt, über Dinge an sich selbst auszudehnen und überhaupt beide in einem Begriffe zu vermengen.

§. 54.

Dies ist nun die Aufstellung und Auflösung der ganzen Antinomie, darin sich die Vernunft bei der Anwendung ihrer Principien auf die Sinnenwelt verwickelt findet, und wovon auch jene (die blose Aufstellung) sogar allein schon ein beträchtliches Verdienst um die Kenntniss der menschlichen Vernunft sein würde, wenngleich die Auflösung dieses Widerstreits den Leser, der hier einen natürlichen Schein zu bekämpfen hat, welcher ihm nur neuerlich als ein solcher vorgestellt worden, nachdem er ihn bisher immer für wahr gehalten, noch nicht völlig befriedigen sollte. Denn eine Folge hievon ist doch unausbleiblich, nämlich dass, weil es ganz unmöglich ist, aus diesem Widerstreit der Vernunft mit sich selbst herauszukommen, so lange man die Gegenstände der Sinnenwelt für Sachen an sich selbst nimmt, und nicht für das, was sie in der That sind, nämlich blose Erscheinungen, der Leser dadurch genöthigt werde, die Deduction aller unserer Erkenntniss a priori und die Prüfung derjenigen, die ich davon gegeben habe, nochmals vorzunehmen, um darüber zur Entscheidung zu kommen. Mehr verlange ich jetzt nicht; denn wenn er sich bei dieser Beschäftigung nur allererst tief genug in die Natur der reinen Vernunft hinein gedacht hat, so werden die Begriffe, durch welche die Auflösung des Widerstreits der Vernunft allein möglich ist, ihm schon geläufig sein, ohne welchen Umstand ich selbst von dem aufmerksamsten Leser völligen Beifall nicht erwarten kann.

§. 55.

III. Theologische Idee. (Kritik S. 571 u. f.) 1

Die dritte transscendentale Idee, die zu dem allerwichtigsten, aber, wenn er blos speculativ betrieben wird, überschwenglichen (transscendenten) und eben dadurch dialektischen Gebrauch der Vernunft Stoff gibt,

1 Der Abschnitt,,von dem transscendentalen Ideale.“

ist das Ideal der reinen Vernunft. Da die Vernunft hier nicht, wie be der psychologischen und kosmologischen Idee, von der Erfahrung anhel und durch Steigerung der Gründe, wo möglich, zur absoluten Vollstän digkeit ihrer Reihe zu trachten verleitet wird, sondern gänzlich abbrich und aus blosen Begriffen von dem, was die absolute Vollständigkeit eine Dinges überhaupt ausmachen würde, mithin vermittelst der Idee eine höchst vollkommnen Urwesens zur Bestimmung der Möglichkeit, mithin auch der Wirklichkeit aller anderen Dinge herabgeht; so ist hier die blose Voraussetzung eines Wesens, welches, obzwar nicht in der Erfahrungs reihe, dennoch zum Behuf der Erfahrung, um der Begreiflichkeit der Verknüpfung, Ordnung und Einheit der letzteren willen gedacht wird, d. i. die Idee von dem Verstandesbegriffe leichter, wie in den vorigen Fällen, zu unterscheiden. Daher konnte hier der dialektische Schein, welcher daraus entspringt, dass wir die subjectiven Bedingungen unseres Denkens für objective Bedingungen der Sachen selbst und eine nothwendige Hypothese zur Befriedigung unserer Vernunft für ein Dogma halten, leicht vor Augen gestellt werden, und ich habe daher nichts weiter über die Anmassungen der transscendentalen Theologie zu erinnern, da das, was die Kritik hierüber sagt, fasslich, einleuchtend und entscheidend ist.

§. 56.

Allgemeine Anmerkung zu den transscendentalen Ideen.

Die Gegenstände, welche uns durch Erfahrung gegeben werden, sind uns in vielerlei Absicht unbegreiflich, und es können viele Fragen, auf die uns das Naturgesetz führt, wenn sie bis zu einer gewissen Höhe, aber immer diesen Gesetzen gemäss getrieben werden, gar nicht aufgelöst werden, z. B. woher Materien einander anziehen? Allein wenn wir die Natur ganz und gar verlassen, oder im Fortgange ihrer Verknüpfung alle mögliche Erfahrung übersteigen, mithin uns in blose Ideen vertiefen, alsdenn können wir nicht sagen, dass uns der Gegenstand unbegreiflich sei und die Natur der Dinge uns unauflösliche Aufgaben vorlege; denn wir haben es alsdenn gar nicht mit der Natur oder überhaupt mit gegebenen Objecten, sondern blos mit Begriffen zu thun, die in unserer Vernunft lediglich ihren Ursprung haben, und mit blosen Gedankenwesen, in Ansehung deren alle Aufgaben, die aus dem Begriffe derselben entspringen müssen, aufgelöst werden können, weil die Vernunft von ihrem

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