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stunden, wo es mit der Auflösung der Schwierigkeiten nicht recht fort will; es ist aber zu besorgen, dass, indem er künstelt allenthalben Logomachie zu ergrübeln, er selbst dagegen in Logodädalie verfalle, über welche der Philosophie nichts Nachtheiligeres widerfahren kann.

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Die zweite Maxime geht darauf hinaus, die Nachforschung der reinen Vernunft auf einer gewissen Stufe, (die lange noch nicht die höchste ist,) dem Scheine nach gesetzmässig zu hemmen und dem Frager kurz und gut den Mund zu stopfen. In den Morgenstunden S. 116 heisst es: Wenn ich euch sage, was ein Ding wirkt oder leidet, so fragt nicht weiter, was es ist? Wenn ich euch sage, was ihr euch von einem Dinge für einen Begriff zu machen habt, so hat die fernere Frage: was dieses Ding an sich selbst sei? weiter keinen Verstand" etc. Wenn ich aber doch, (wie in den metaphysischen Anfangsgründen der Naturwissenschaften gezeigt worden,) einsehe, dass wir von der körperlichen Natur nichts Anderes erkennen, als den Raum, (der noch gar nichts Existirendes, sondern blos die Bedingung zu den Oertern ausserhalb einander, mithin zu blosen äusseren Verhältnissen ist,) das Ding im Raume ausserdem, dass auch Raum in ihm (d. i. es selbst ausgedehnt) ist, keine andere Wirkung, als Bewegung, (Veränderung des Orts, mithin bloser Verhältnisse,) folglich keine andere Kraft oder leidende Eigenschaft, als bewegende Kraft und Beweglichkeit (Veränderung äusserer Verhältnisse) zu erkennen gibt; so mag mir MENDELSSOHN, oder jeder Andere an seiner Stelle doch sagen, ob ich glauben könne, ein Ding nach dem, was es ist, zu erkennen, wenn ich weiter nichts von ihm weiss, als dass es etwas sei, das in äusseren Verhältnissen ist, in welchem selbst äussere Verhältnisse sind, dass jene an ihm, und durch dasselbe an anderen verändert werden können, so dass der Grund dazu (bewegende Kraft) in demselben liegt; mit einem Worte, ob, da ich nichts, als Beziehungen von Etwas kenne, auf etwas Anderes, davon ich gleichfalls nur äussere Beziehungen wissen kann, ohne dass mir irgend etwas Inneres gegeben ist oder gegeben werden kann, ob ich da sagen könne: ich habe einen Begriff vom Dinge an sich, und ob nicht die Frage ganz rechtmässig sei: was denn das Ding, das in allen diesen Verhältnissen das Subject ist, an sich selbst sei? Eben dieses lässt sich auch gar wohl an dem Erfahrungsbegriff unserer Seele darthun, dass er blose Erscheinungen des inneren Sinnes enthalte und noch nicht den bestimmten Begriff des Subjectes selbst; allein es würde mich hier in zu grosse Weitläuftigkeit führen.

Freilich, wenn wir Wirkungen eines Dinges kennten, die in der

That Eigenschaften eines Dinges an sich selbst sein können, so dürfen wir nicht ferner fragen, was das Ding noch ausser diesen Eigenschaften an sich sei; denn es ist alsdann gerade das, was durch jene Eigenschaften gegeben ist. Nun wird man fordern, ich solle doch dergleichen Eigenschaften und wirkende Kräfte angeben, damit man sie und durch sie Dinge an sich von blosen Erscheinungen unterscheiden könne. Ich antworte: dieses ist schon längst und zwar von euch selbst geschehen.

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Besinnt euch nur, wie ihr den Begriff von Gott, als höchster Intelligenz, zu Stande bringt. Ihr denkt euch in ihm lauter wahre Realität, d. i. etwas, das nicht blos, (wie man gemeiniglich dafür hält,) den Negationen entgegengesetzt wird, sondern auch und vornehmlich den Realitäten in der Erscheinung (realitas phaenomenon), dergleichen alle sind, die uns durch Sinne gegeben werden müssen, und eben darum realitas apparens, (wiewohl nicht mit einem ganz schicklichen Ausdrucke) genannt werden. Nun vermindert alle diese Realitäten (Verstand, Wille, Seligkeit, Macht etc.) dem Grade nach, so bleiben sie doch der Art (Qualität) nach immer dieselben, so habt ihr Eigenschaften der Dinge an sich selbst, die ihr auch auf andere Dinge ausser Gott anwenden könnt. Keine anderen könnt ihr euch denken, und alles Uebrige ist nur Realität in der Erscheinung (Eigenschaft eines Dinges als Gegenstandes der Sinne), wodurch ihr niemals ein Ding denkt, wie es an sich selbst ist. Es scheint zwar befremdlich, dass wir unsere Begriffe von Dingen an sich nur dadurch gehörig bestimmen können, dass wir alle Realität zuerst auf den Begriff von Gott reduciren, und so, wie er darin stattfindet, allererst auch auf andere Dinge als Dinge an sich anwenden sollen. Allein jenes ist lediglich das Scheidungsmittel alles Sinnlichen und der Erscheinung von dem, was durch den Verstand, als zu Sachen an sich selbst gehörig, betrachtet werden kann. Also kann nach allen Kenntnissen, die wir immer nur durch Erfahrung von Sachen haben mögen, die Frage: was denn ihre Objecte als Dinge an sich selbst sein mögen? ganz und gar nicht für sinnleer gehalten werden.

Die Sachen der Metaphysik stehen jetzt auf einem solchen Fusse, die Acten zur Entscheidung ihrer Streitigkeiten liegen beinahe schon zum Spruche fertig, so dass es nur noch ein wenig Geduld und Unparteilichkeit im Urtheile bedarf, um es vielleicht zu erleben, dass sie endlich einmal ins Reine werden gebracht werden.

Königsberg, den 4. August 1786.

XV.

Ueber den Gebrauch

teleologischer Principien

in der

Philosophie.

1788.

Wenn man unter Natur den Inbegriff von allem versteht, was nach Gesetzen bestimmt existirt, die Welt (als eigentlich so genannte Natur) mit ihrer obersten Ursache zusammengenommen, so kann es die Naturforschung, (die im ersten Falle Physik, im zweiten Metaphysik heisst,) auf zweien Wegen versuchen, entweder auf dem blos theoretischen oder auf dem teleologischen Wege, auf dem letzteren aber, als Physik, nur solche Zwecke, die uns durch Erfahrung bekannt werden können, als Metaphysik dagegen, ihrem Berufe angemessen, nur einen Zweck, der durch reine Vernunft feststeht, zu ihrer Absicht gebrauchen. Ich habe anderwärts gezeigt, dass die Vernunft in der Metaphysik auf dem theoretischen Naturwege (in Ansehung der Erkenntniss Gottes) ihre ganze Absicht nicht nach Wunsch erreichen könne, und ihr also nur noch der teleologische übrig sei; so doch, dass nicht die Naturzwecke, die nur auf Beweisgründen der Erfahrung beruhen, sondern ein a priori durch reine praktische Vernunft bestimmt gegebener Zweck (in der Idee des höchsten Gutes) den Mangel der unzulänglichen Theorie ergänzen müsse. Eine ähnliche Befugniss, von einem teleologischen Princip auszugehen, wo uns die Theorie verlässt, habe ich in einem kleinen Versuche über die Menschenracen zu beweisen gesucht. Beide Fälle aber enthalten eine Forderung, der der Verstand sich ungern unterwirft und die Anlass genug zum Missverstande geben kann.

Mit Recht ruft die Vernunft in aller Naturuntersuchung zuerst nach Theorie, und nur später nach Zweck bestimmung. Den Mangel der erstern kann keine Teleologie, noch praktische Zweckmässigkeit ersetzen. Wir bleiben immer unwissend in Ansehung der wirkenden Ursachen, wenn wir gleich die Angemessenheit unserer Voraussetzung mit Endursachen, es sei der Natur- oder unsers Willens, noch so einleuchtend machen können. Am meisten scheint diese Klage da gegründet zu sein, wo, (wie in jenem metaphysischen Falle,) sogar praktische Gesetze vor

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