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mit dem übrigen Theile allein könnte er den letzteren in Bewegung setzen; bliebe ihm aber nichts übrig, so würde er durch seinen Stoss den letzteren, seiner grossen Masse wegen, gar nicht in Bewegung bringen. Einer Bewegung kann nichts widerstehen, als entgegengesetzte Bewegung eines anderen, keineswegs aber dessen Ruhe. Hier ist also nicht Trägheit der Materie, d. i. bloses Unvermögen, sich von selbst zu bewegen, die Ursache eines Widerstandes. Eine besondere ganz eigenthümliche Kraft, blos um zu widerstehen, ohne einen Körper bewegen zu können, wäre unter dem Namen einer Trägheitskraft ein Wort ohne alle Bedeutung. Man könnte also die drei Gesetze der allgemeinen Mechanik schicklicher so benennen: das Gesetz der Selbstständigkeit, der . Trägheit und der Gegenwirkung der Materien (lex subsistentiae, inertiae et antagonismi) bei allen ihren Veränderungen derselben. Dass diese, mithin die gesammten Lehrsätze gegenwärtiger Wissenschaft, den Kategorien der Substanz, der Causalität und der Gemeinschaft, sofern diese Begriffe auf Materie angewandt werden, genau antworten, bedarf keiner weiteren Erörterung.

Allgemeine Anmerkung zur Mechanik.

Die Mittheilung der Bewegung geschieht nur vermittelst solcher bewegenden Kräfte, die einer Materie auch in Ruhe beiwohnen (Undurchdringlichkeit und Anziehung). Die Wirkung einer bewegenden Kraft auf einen Körper in einem Augenblicke ist die Sollicitation desselben, die gewirkte Geschwindigkeit des letzteren durch die Sollicitation, sofern sie in gleichem Verhältniss mit der Zeit wachsen kann, ist das Moment der Acceleration. (Das Moment der Acceleration muss also nur eine unendlich kleine Geschwindigkeit enthalten, weil sonst der Körper durch dasselbe in einer gegebenen Zeit eine unendliche Geschwindigkeit erlangen würde, welche unmöglich ist. Uebrigens beruht die Möglichkeit der Beschleunigung überhaupt, durch ein fortwährendes Moment derselben, auf dem Gesetze der Trägheit.) Die Sollicitation der Materie durch expansivė Kraft (z. B. einer zusammengedrückten Luft, die ein Gewicht trägt,) geschieht jederzeit mit einer endlichen Geschwindigkeit, die Geschwindigkeit aber, die dadurch einem anderen Körper eingedrückt (oder entzogen) wird, kann nur unendlich klein sein; denn jene ist nur eine Flächenkraft, oder, welches einerlei ist, die Bewegung eines unendlich kleinen Quantums von Materie, die folglich mit endlicher Geschwin

digkeit geschehen muss, um der Bewegung eines Körpers von endlicher Masse mit unendlich kleiner Geschwindigkeit (einem Gewichte) gleich zu sein. Dagegen ist die Anziehung eine durchdringende Kraft und als mit einer solchen übt ein endliches Quantum der Materie auf ein gleichfalls endliches Quantum einer andern bewegende Kraft aus. Die Sollicitation der Anziehung muss also unendlich klein sein, weil sie dem Moment der Acceleration, (welches jederzeit unendlich klein sein muss,) gleich ist, welches bei der Zurückstossung, da ein unendlich kleiner Theil der Materie einem endlichen ein Moment eindrücken soll, der Fall nicht ist. Es lässt sich keine Anziehung mit einer endlichen Geschwindigkeit denken, ohne dass die Materie durch ihre eigene Anziehungskraft sich selbst durchdringen müsste. Denn der Anziehung, welche eine endliche Quantität Materie auf eine endliche mit einer endlichen Geschwindigkeit ausübt, muss eine jede endliche Geschwindigkeit, womit die Materie durch ihre Undurchdringlichkeit, aber nur mit einem unendlich kleinen Theil der Quantität ihrer Materie entgegenwirkt, in allen Punkten der Zusammendrückung überlegen sein. Wenn die Anziehung nur eine Flächenkraft ist, wie man sich den Zusammenhang denkt, so würde das Gegentheil von diesem erfolgen. Allein es ist unmöglich, ihn so zu denken, wenn er wahre Anziehung (und nicht blos äussere Zusammendrückung) sein soll.

Ein absolut-harter Körper würde derjenige sein, dessen Theile einander so stark zögen, dass sie durch kein Gewicht getrennt, noch in ihrer Lage gegen einander verändert werden könnten. Weil nun die Theile der Materie eines solchen Körpers sich mit einem Moment der Acceleration ziehen müssten, welches gegen das der Schwere unendlich, der Masse aber, welche dadurch getrieben wird, endlich sein würde, so müsste der Widerstand durch Undurchdringlichkeit, als expansive Kraft, da er jederzeit mit einer unendlich kleinen Quantitität der Materie geschieht, mit mehr, als endlicher Geschwindigkeit der Sollicitation geschehen, d. i. die Materie würde sich mit unendlicher Geschwindigkeit auszudehnen trachten, welches unmöglich ist. Also ist ein absolut-harter Körper, d. i. ein solcher, der einem mit endlicher Geschwindigkeit bewegten Körper im Stosse einen Widerstand, der der ganzen Kraft desselben gleich wäre, in einem Augenblick entgegensetzte, unmöglich. Folglich leistet eine Materie durch ihre Undurchdringlichkeit oder Zusammenhang gegen die Kraft eines Körpers in endlicher Bewegung in einem Augenblicke nur unendlich kleinen Widerstand. Hieraus folgt nun das mechanische Gesetz der Stetigkeit (lex continui mechanica), nämlich:

an keinem Körper wird der Zustand der Ruhe oder der Bewegung, und an dieser, der Geschwindigkeit oder der Richtung, durch den Stoss in einem Augenblicke verändert, sondern nur in einer gewissen Zeit, durch eine unendliche Reihe von Zwischenzuständen, deren Unterschied von einander kleiner ist, als der des ersten und letzten. Ein bewegter Körper, der auf eine Materie stösst, wird also durch deren Widerstand nicht auf einmal, sondern nur durch continuirliche Retardation zur Ruhe, oder der, so in Ruhe war, nur durch continuirliche Acceleration in Bewegung, oder aus einem Grade Geschwindigkeit in einen andern nur nach derselben Regel versetzt; imgleichen wird die Richtung seiner Bewegung in eine solche, die mit jener einen Winkel macht, nicht anders, als vermittelst aller möglichen dazwischen liegenden Richtungen, d. i. vermittelst der Bewegung in einer krummen Linie, verändert, (welches Gesetz aus einem ähnlichen Grunde auch auf die Veränderung des Zustandes eines Körpers durch Anziehung erweitert werden kann.) Diese lex continui gründet sich auf das Gesetz der Trägheit der Materie, da hingegen das metaphysische Gesetz der Stetigkeit auf alle Veränderung (innere sowohl, als äussere) überhaupt ausgedehnt sein müsste, und also auf den blosen Begriff einer Veränderung überhaupt, als Grösse, und der Erzeugung derselben, (die nothwendig in einer gewissen Zeit continuirlich, so wie die Zeit selbst, vorginge,) gegründet sein würde, hier also keinen Platz findet.

KANT's sämmtl. Werke. IV.

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Viertes Hauptstück.

Metaphysische Anfangsgründe

der

Phänomenologie.

Erklärung.

Materie ist das Bewegliche, sofern es, als ein solches, ein Gegenstand der Erfahrung sein kann.

Anmerkung..

Bewegung ist, so wie alles, was durch Sinne vorgestellt wird, nur als Erscheinung gegeben. Damit ihre Vorstellung Erfahrung werde, dazu wird noch erfordert, dass etwas durch den Verstand gedacht werde, nämlich zu der Art, wie die Vorstellung dem Subjecte inhärirt, noch die Bestimmung eines Objects durch dieselbe. Also wird das Bewegliche, als ein solches, ein Gegenstand der Erfahrung, wenn ein gewisses Object, (hier also ein materielles Ding) in Ansehung des Prädicats der Bewegung als bestimmt gedacht wird. Nun ist aber Bewegung Veränderung der Relation im Raume. Es sind also hier immer zwei Correlata, deren einem in der Erscheinung erstlich ebenso gut, wie dem anderen die Veränderung beigelegt, und dasselbe entweder, oder das andere bewegt genannt werden kann, weil beides gleichgültig ist, oder zweitens, deren eines in der Erfahrung mit Ausschliessung des anderen als bewegt gedacht werden muss, oder drittens, deren beide nothwendig durch Vernunft als zugleich bewegt vorgestellt werden müs

sen. In der Erscheinung, die nichts, als die Relation in der Bewegung (ihrer Veränderung nach) enthält, ist nichts von diesen Bestimmungen enthalten; wenn aber das Bewegliche, als ein solches, nämlich seiner Bewegung nach, bestimmt gedacht werden soll, d. i. zum Behuf einer möglichen Erfahrung, ist es nöthig, die Bedingungen anzuzeigen, unter welchen der Gegenstand (die Materie). auf eine oder andere Art durch das Prädicat der Bewegungen bestimmt werden müsse. Hier ist nicht die Rede von Verwandlung des Scheins in Wahrheit, sondern der Erscheinung in Erfahrung; denn beim Scheine ist der Verstand mit seinen, einen Gegenstand bestimmenden Urtheilen jederzeit im Spiele, obzwar er in Gefahr ist, das Subjective für objectiv zu nehmen; in der Erscheinung aber ist gar kein Urtheil des Verstandes anzutreffen; welches nicht blos hier, sondern in der ganzen Philosophie anzumerken nöthig ist, weil man sonst, wenn von Erscheinungen die Rede ist, und man nimmt diesen Ausdruck für einerlei der Bedeutung nach mit dem des Scheins, jederzeit übel verstanden wird.

Lehrsatz 1.

Die geradlinigte Bewegung einer Materie in Ansehung eines empirischen Raumes ist, zum Unterschiede von der entgegengesetzten Bewegung des Raums, ein blos mögliches Prädicat. Ebendasselbe in gar keiner Relation auf eine Materie ausser ihr, d. i. als absolute Bewegung gedacht, ist unmöglich.

Beweis.

Ob ein Körper im relativen Raume bewegt, dieser aber ruhig genannt werde, oder umgekehrt, dieser in entgegengesetzter Richtung gleich geschwinde bewegt, dagegen jener ruhig genannt werden solle, ist kein Streit über das, was dem Gegenstande, sondern nur seinem Verhältnisse zum Subject, mithin der Erscheinung und nicht der Erfahrung zukommt. Denn stellt sich der Zuschauer in demselben Raume als ruhig, so heisst ihm der Körper bewegt; stellt er sich (wenigstens in Gedanken) in einem andern und jenen umfassenden Raum, in Ansehung dessen der Körper gleichfalls ruhig ist, so heisst jener relative Raum bewegt. Also ist in der Erfahrung (einer Erkenntniss, die das Object für alle Erscheinungen gültig bestimmt,) gar kein Unterschied zwischen der Bewegung des Körpers im relativen Raume, oder der Ruhe des Körpers im absoluten und

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