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sam in der Ruhe, der „technische oder formale Theil" aber betrachtet dieselbe Idee in der Bewegung oder das Werden des Wissens. Mit Kant unterscheidet Schleiermacher Stoff und Form des Wissens und lässt jenen durch die sinnliche Empfindung oder „,organische Function" gegeben sein, die aber aus der ,,intellectuellen Function" oder dem Denken stammen, welchem die Einheitsetzung und Entgegensetzung angehört. Die Formen unserer Erkenntniss entsprechen den Formen des Seins. Raum und Zeit sind die Formen der Existenz der Dinge, nicht nur die Formen unserer Auffassung der Dinge. Die Formen des Wissens sind Begriff und Urtheil; der Begriff entspricht dem Fürsichsein der Dinge oder den,,substanziellen Formen": Kraft und Erscheinung (der höhere Begriff entspricht der,,Kraft", der niedere der,,Erscheinung"), das Urtheil aber dem Zusammensein der Dinge, ihrer Wechselwirkung oder ihren Actionen und Passionen. Die Formen des Werdens des Wissens sind die Induction und Deduction. Der Deductionsprocess oder die Ableitung aus den Principien darf immer nur in Beziehung auf die Resultate des Inductionsprocesses, der von den Erscheinungen aus zur Erkenntniss der Principien fortgeht, ausgeführt werden. Schleiermacher bestreitet ausdrücklich *) die Annahme (auf welcher die Hegel'sche Dialektik ruht), dass das reine Denken von allem andern Denken getrennt einen eigenen Anfang nehmen und als ein besonderes für sich ursprünglich entstehen könne.

In der Gottesidee wird die absolute Einheit des Idealen und Realen mit Ausschluss aller Gegensätze gedacht, in dem Begriffe der Welt aber die relative Einheit des Idealen und Realen unter der Form des Gegensatzes. Es ist demnach Gott weder als identisch mit der Welt, noch als getrennt von der Welt zu denken. (Da das Ich die Identität des Subjects in der Differenz der Momente ist, so lässt sich Gottes Verhältniss zur Welt mit dem der Einheit des Ich zu der Totalität seiner zeitlichen Acte vergleichen.) Die Religion beruht auf dem absoluten Abhängigkeitsgefühl, in welchem mit dem eigenen Sein zugleich das unendliche Sein Gottes mitgesetzt ist. Vermittelst des religiösen Gefühls ist der Urgrund ebenso in uns gesetzt, wie in der Wahrnehmung die Aussendinge in uns gesetzt sind. Das Sein der Ideen und das Sein des Gewissens in uns ist das Sein Gottes in uns. Religion und Philosophie sind einander gleichberechtigte Functionen; jene ist die höchste subjective, diese die höchste objective Function des menschlichen Geistes. Die Philosophie ist nicht der Religion untergeordnet. Diese (scholastische) Unterordnung würde darauf beruhen müssen, dass alle Versuche Gott zu denken, nur aus dem Interesse des Gefühls abgeleitet würden. Aber die speculative Thätigkeit, welche sich auf den transscendenten Grund richtet, hat auch in sich selbst Werth und Bedeutung, insbesondere zur Entfernung des Anthropoeidischen. Andererseits ist aber auch die Religion nicht eine untergeordnete Stufe zur Philosophie. Denn das Gefühl kann nie etwas bloss Vergangenes sein; es ist in uns die ursprüngliche Einheit oder Indifferenz des Denkens und Wollens, und diese Einheit ist durch das Denken nicht zu ersetzen**).

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*) Und zwar mit gutem logischem Recht.

**) Schleiermacher's Auffassung des Verhältnisses zwischen Religion und Philosophie vermeidet den Fehler der Hegel'schen, wonach das Gefühl ebenso, wie die Vorstellung, eine blosse Vorstufe des Begriffs sein soll; das Gefühl steht zu der Erkenntnissthätigkeit überhaupt, ebenso wie zum Wollen und Handeln, nicht in dem Verhältniss der Stufenordnung, sondern in dem Verhältniss einer gleichberechtigten andern Richtung der psychischen Thätigkeit; eine Stufenordnung besteht nur innerhalb einer jeden der drei Hauptrichtungen, also zwischen den sinnlichen und den geistigen Gefühlen, zwischen dem sinnlichen und vernünftigen Begehren, zwischen Wahrnehmung, Vorstellung und Begriff. Aber die Religion

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Die Ethik betrachtet das Handeln der Vernunft, sofern dasselbe Einheit der Vernunft und Natur hervorbringt. Güterlehre, Tugendlehre und Pflichtenlehre sind Formen der Ethik, deren jede unter einem eigenthümlichen Gesichtspunkte das Ganze enthält. Ein Gut ist jedes Einssein bestimmter Seiten von Vernunft und Natur. In dem Mechanismus und Chemismus, der Vegetation, Animalisation und der Humanisirung bekundet sich die aufsteigende Stufenfolge der Verbindung der Vernunft und Natur. Das Ziel des sittlichen Handelns ist das höchste Gut, d. h.

ist nicht bloss Frömmigkeit, d. h. nicht bloss Beziehung des Menschen zur Gottheit mittelst des Gefühls, sondern Beziehung des Menschen in allen seinen psychischen Functionen zur Gottheit; daher ist der Religion das theoretische und ethische Moment ebenso wesentlich, wie das affective. Sofern nun die Religion eine theoretische Seite hat, ist in der That Hegel's Bestimmung, auf das Verhältniss zwischen Dogma und Philosophem, religiöser Vorstellung und wissenschaftlicher Erkenntniss bezogen, zutreffend und die Schleiermacher'sche Nebeneinanderstellung im Verhältniss der Gleichberechtigung unhaltbar. In allen Sphären des Lebens muss das Gefühl, welches sich in Vorstellungen objectivirt, an wirkliche äussere und innere Vorgänge sich knüpfen, z. B. das Gefühl der Siegesfreude, welches in des Aeschylus Drama:,,die Perser" sich einen poetischen Ausdruck gegeben hat, an den wirklich errungenen Sieg, das christliche Gefühl, auf welchem christliche Dichtungen beruhen, an Thatsachen des äussern und innern Lebens. Nun ist es Aufgabe der Wissenschaft, diese wirklichen Vorgänge zu ermitteln und darzustellen, so dass in unser Bewusstsein ein treues Abbild derselben eingehe, z. B. die wirklichen Motive und den thatsächlichen Verlauf des Perserkriegs objectiv treu im Ganzen und Einzelnen zu reproduciren, ebenso die Vorgänge im Bewusstsein Jesu gleich wie in seinen Beziehungen zur Aussenwelt und ebenso auch die allgemeineren, zur Entstehung und Ausbreitung des Christenthums zusammenwirkenden Momente mit historischer Treue aufzufassen. Zu dem patriotischen oder religiösen Gefühl und der patriotischen oder religiösen Dichtung als solcher steht diese wissenschaftliche Thätigkeit im Verhältniss der Gleichberechtigung, und sofern ein Einfluss stattfindet, involvirt dieser nicht das Verhältniss der Unterordnung und blosser, einseitiger Dienstbarkeit, sondern das der freien gegenseitigen Förderung; dem Künstler dienen für seine Zwecke wissenschaftliche Kenntnisse als Mittel, und dem Vertreter der Wissenschaft dienen ebenso für seinen Forschungszweck manche Producte der Kunst, und ihm dient als Anregungsmittel zur Forschung sein eigenes, durch die Objecte seiner Forschung bedingtes Gefühl. Sofern aber die Vorstellung, in der das Gefühl sich objectivirt, theils Bestandtheile enthält, welche gewisse Elemente der Wirklichkeit repräsentiren, theils andere, welche im günstigsten Falle eine poetische Berechtigung haben, und beides in ihr ununterschieden als Repräsentation der Wirklichkeit gilt, steht sie der wissenschaftlichen Auffassung, welche die bloss poetisch gültigen Elemente ausscheidet, die objectiv gültigen aber vervollständigt und zu einem kritisch gesicherten Gesammtbilde verknüpft, an Berechtigung nicht gleich, sondern nach. Die Wissenschaft strebt darnach, theils die Einzelvorgänge, theils die denselben sowohl auf dem Gebiete der Natur, als des geistigen Lebens innewohnende Vernunftgemässheit zu erkennen, vermag aber daneben die Dichtung als solche in ihrem Werke zu schätzen und in ihren Motiven zu verstehen. Der religiöse Fortschritt bedingt zwar nicht eine Herabsetzung oder gar eine Austilgung des Gefühls und der Dichtung, nicht eine Einschränkung des religiösen Bewusstseins überhaupt auf wissenschaftlich Richtiges, wohl aber eine Ausscheidung aller nicht wissenschaftlich berechtigten Elemente aus den dogmatischen Sätzen, welche Anspruch auf objective Gültigkeit machen, und eine Anerkennung von Gefühl und Dichtung neben der Wissenschaft und zusammenwirkend mit ihr, gerade so, wie der Fortschritt in historischer Erkenntniss und Dichtung auf der Sonderung und dem Zusammenwirken der ursprünglich in der Sage mit einander verflochtenen historisch-treuen und poetischen Elemente beruht, wie denn auch thatsächlich die historische Dichtung sich mehr und mehr von der Geschichtsüberlieferung und kritischen Forschung abgezweigt und eben dadurch, indem zugleich die historische Erkenntniss reiner und tiefer wurde, sich zu freier und selbständiger Geltung erhoben hat.

die Gesammtheit aller Einheiten von Natur und Vernunft. Die Kraft, aus welcher die sittlichen Handlungen hervorgehen, ist die Tugend; die verschiedenen Tugenden sind die Arten, wie die Vernunft als Kraft der menschlichen Natur innewohnt. In der Bewegung zu dem Ziele hin liegt die Pflicht, d. h. das sittliche Handeln in Bezug auf das sittliche Gesetz oder der Gehalt der einzelnen Handlungen als zusammenstimmend zur Hervorbringung des höchsten Gutes. Das sittliche Gesetz lässt sich mit der algebraischen Formel vergleichen, welche (in der analytischen Geometrie) den Lauf einer Curve bedingt, das höchste Gut mit der Curve selbst, die Tugend als die sittliche Kraft mit einem Instrument, welches auf die Hervorbringung der jener Formel entsprechenden Curve eingerichtet wäre. Die verschiedenen Pflichten bilden ein System von Handlungsweisen, welches hervorgeht aus der Gesammtheit der Tugenden des Subjectes, die sich bethätigen in der Richtung auf die Eine ungetheilte sittliche Aufgabe. Der Begriff des Erlaubten ist vielmehr ein Rechtsbegriff, als ein sittlicher Begriff; denn was innerhalb des sittlichen Gebietes liegt, muss sowohl durch den sittlichen Zielpunkt, wie durch die sittliche Kraft und durch das sittliche Gesetz in jedem einzelnen Falle vollständig bestimmt sein; in berechtigter ethischer Anwendung ist der Begriff des Erlaubten nur ein negativer Begriff, welcher besagt, die Bezeichnung einer Handlung sei zum Behuf ihrer wissenschaftlichen Schätzung noch nicht vollendet (noch nicht zureichend individualisirt); so gefasst, enthält dieser Begriff nicht eine sittliche Bestimmung, sondern nur die Aufgabe der Auffindung der sittlichen Bestimmung.

Das Handeln der Vernunft ist theils ein organisirendes oder bildendes, theils ein symbolisirendes oder bezeichnendes. Organ ist jedes Ineinander von Vernunft und Natur, sofern darin ein Handelnwerden auf die Natur, Symbol jedes, sofern darin ein Gehandelthaben auf die Natur gesetzt ist. Mit dem Unterschiede des Organisirens und Symbolisirens kreuzt sich der des allgemein gleichen oder identischen und des individuell eigenthümlichen oder differenzirenden Charakters des sittlichen Handelns.

Hieraus ergeben sich vier Gebiete des sittlichen Handelns, nämlich: Verkehr, Eigenthum, Denken, Gefühl. Der Verkehr ist das Gebiet des identischen Organisirens oder das Bildungsgebiet des gemeinschaftlichen Gebrauchs. Das Eigenthum ist das Gebiet des individuellen Organisirens oder das Bildungsgebiet als ein abgeschlossenes Ganzes der Unübertragbarkeit. Das Denken und die Sprache ist das Gebiet des identischen Symbolisirens oder der Gemeinsamkeit des Bewusstseins. Das Gefühl ist das Gebiet des individuellen Symbolisirens oder der ursprünglich verschiedenen Gestaltung des Bewusstseins.

Diesen vier ethischen Gebieten entsprechen vier ethische Verhältnisse: Recht, Geselligkeit, Glaube und Offenbarung. Das Recht ist das sittliche Zusammensein der Einzelnen im Verkehr. Die Geselligkeit ist das sittliche Verhältniss der Einzelnen in der Abgeschlossenheit ihres Eigenthums, das Anerkennen des fremden Eigenthums, um es sich aufschliessen zu lassen und umgekehrt. Der Glaube oder das Vertrauen auf die Wahrhaftigkeit ist im allgemeinen ethischen Sinne das Verhältniss der gegenseitigen Abhängigkeit des Lehrens und Lernens in der Gemeinsamkeit der Sprache. Die Offenbarung ist im allgemeinen ethischen Sinne das Verhältniss der Einzelnen unter einander in der Geschiedenheit ihres Gefühls (dessen Inhalt die in dem Einzelnen vorwaltende Idee ist).

Diesen ethischen Verhältnissen entsprechen wiederum vier ethische Organismen oder Güter: Staat, gesellige Gemeinschaft, Schule, Kirche. Der Staat ist die Form der Vereinigung zur identisch bildenden Thätigkeit unter dem Gegensatz von Obrigkeit und Unterthanen. Die gesellige Gemeinschaft ist die Ver

einigung zur individuell organisirenden Thätigkeit unter dem Gegensatz der Freundschaft Einzelner und der weiteren persönlichen Verbindungen. Die Schule (im weiteren Sinne, mit Einschluss der Universität und Akademie) ist die Gemeinschaft zur identisch symbolisirenden Thätigkeit oder die Gemeinschaft des Wissens unter dem Gegensatz von Gelehrten und Publicum. Die Kirche ist die Gemeinschaft zur individuell symbolisirenden Thätigkeit, die Form der Vereinigung der unter demselben Typus stehenden Masse zur subjectiven Thätigkeit der erkennenden Function oder die Gemeinschaft der Religion unter dem Gegensatz von Clerus und Laien. Alle diese Organismen finden in der Familie ihre gemeinsame Grundlage.

Die Cardinaltugenden sind: Besonnenheit, Beharrlichkeit (oder Tapferkeit), Weisheit und Liebe; die erste ist Selbstbekämpfung, die zweite Bekämpfung nach aussen, die dritte Belebung in sich, die vierte Belebung nach aussen.

Die Pflichten zerfallen in Rechts- und Liebespflichten und in Berufs- und Gewissenspflichten nach den Gegensätzen des universellen und individuellen Gemeinschaftsbildens und des universellen und individuellen Aneignens. Das allgemeinste Pflichtgesetz ist: Handle in jedem Augenblick mit der ganzen sittlichen Kraft und die ganze sittliche Aufgabe anstrebend. Diejenige Handlung ist jedesmal die pflichtmässige, welche für das ganze sittliche Gebiet die grösste Förderung gewährt. In jedem pflichtmässigen Handeln müssen innere Anregung und äusserer Anlass zusammentreffen.

Die philosophische Sittenlehre verhält sich zur christlich-religiösen oder überhaupt zur theologischen Ethik (in welcher Schleiermacher das wirksame und das darstellende Handeln unterscheidet und jenes in das reinigende und verbreitende, dieses in die Darstellung im Gottesdienst und in der geselligen Sphäre eintheilt), wie die Anschauung zum Gefühl, das Objective zum Subjectiven. Jene wendet sich an die in Allen gleiche menschliche Vernunft und kann das moralische Bewusstsein als Voraussetzung des Gottesbewusstseins betrachten; die theologische Sittenlehre aber setzt immer das religiöse Bewusstsein unter der Form des Antriebs voraus. Die christliche Sittenlehre fragt: was muss werden, weil das christliche Selbstbewusstsein ist? (während die Glaubenslehre fragt: was muss sein, weil das christliche Selbstbewusstsein ist?) *).

*) Dass Schleiermacher in der Sittenlehre zu sehr mit Ausdrücken operirt, wie Vernunft, Natur etc, welche sehr vielseitig sind und gleichsam als Abbreviaturen eine Menge verschiedenartiger Verhältnisse umfassen, dass er in Folge hiervon sich oft mit einem abstracten Schematismus begnügt, wo eine concretere Entwicklung an der Stelle gewesen wäre, ist offenbar; man kann v. Kirchmann nicht Unrecht geben, wenn er (in seiner Vorrede zu s. Ausg. der Sittenl. in der ph. B." Bd. XXIV., Berlin 1870, S. XIV.) Formeln, wie „Ineinander von Natur und Vernunft",,,Naturwerden der Vernunft“, ,Vernunftwerden der Natur" mit solchen hinter der Erkenntniss der wirklichen Gesetze weit zurückbleibenden Aufstellungen vergleicht, wie etwa:,,die Ellipse ist das Ineinander von Gradem und Kreisrundem", die Bewegung der Planeten ist eine Einheit von Centripetal- und Centrifugalkraft. Dennoch behauptet Schleiermachers Ethik im Vergleich mit der Kantischen und anderen Doctrinen durch ihre Bestimmung des Verhältnisses zwischen Gütern, Tugenden und Pflichten und insbesondere durch ihre ausgeführte Güterlehre einen unbestreitbar hohen und bleibenden Werth. In der Richtung auf das höchste Gut hat Schleiermacher das einheitliche Princip des sittlichen Urtheils über den subjectiven Willensact wirklich gefunden, welches in Hegel's objectivistischer Gestaltung der Ethik sich verbirgt, und bei Herbart in die Mehrheit der bei ihm ohne philosophische Begründung gebliebenen ethischen Ideen auseinanderfällt und ohne Beziehung zur theoretischen Philosophie bleibt; Schopenhauer's Pessimismus lässt keine positive Ethik zu; Beneke hat Schleiermacher's

§ 25. In nahem Anschluss an Kant, die nachkantische Speculation verwerfend, hat Arthur Schopenhauer (1788 — 1860) eine Lehre ausgebildet, welche sich als eine Uebergangsform von dem Kantischen Idealismus zu dem in der Gegenwart vorherrschenden Realismus bezeichnen lässt, indem er zwar mit Kant dem Raum, der Zeit und den Kategorien (unter denen die der Causalität die fundamentale sei) einen bloss subjectiven Ursprung und eine auf die Erscheinungen, welche blosse Vorstellungen des Subjectes seien, beschränkte Gültigkeit zuschreibt, die von unserm Vorstellen unabhängige Realität aber nicht mit Kant für unerkennbar hält, sondern in dem durch die innere Wahrnehmung uns völlig bekannten Willen findet, sich dabei jedoch in den Widerspruch verwickelt, dass er, wo nicht die Räumlichkeit, so doch mindestens die Zeitlichkeit und die Causalität sammt allen damit zusammenhängenden Kategorien auf den Willen, dem er sie principiell abspricht, in der Ausführung seiner Lehre zu beziehen nicht vermeidet und nicht vermeiden kann, durch welchen Widerspruch seine Doctrin der consequenten systematischen Durchführung unfähig wird und sich selbst widerlegt. Das an sich selbst Reale darf nach Schopenhauer nicht als transscendentales Object bezeichnet werden; denn kein Object ist ohne Subject, alle Objecte sind nur Vorstellungen des Subjects, also Erscheinungen. Den Begriff des Willens nimmt Schopenhauer in einem weit über den Sprachgebrauch hinausgehenden Sinne, indem er darunter nicht nur das bewusste Begehren, sondern auch den unbewussten Trieb bis herab zu den in der unorganischen Natur sich bekundenden Kräften versteht. Zwischen die Einheit des Willens überhaupt und die Individuen, in denen er erscheint, stellt Schopenhauer (gleich wie Schelling zwischen die Einheit der Substanz und die Vielheit der Individuen) im Anschluss an Plato die Ideen als reale Species in die Mitte. Die Ideen sind die Stufen der Objectivirung des Willens. Jeder Organismus zeigt die Idee, deren Abbild er ist, nur nach Abzug des Theiles der Kraft, welcher zur Ueberwindung der niederen Ideen verbraucht wird. Die reine Darstellung der Ideen in individuellen Gestalten ist die Kunst. Erst auf den höchsten Stufen der Objectivirung des Willens tritt das Bewusstsein hervor. Alle Intelligenz dient ursprünglich dem Willen zum Leben. In dem Genie befreit sie sich von dieser Dienstbarkeit und gewinnt die Präponderanz. Indem Schopenhauer in der Negation des niederen, sinnlichen Triebes einen Fortschritt erkennt,

fruchtbaren Grundgedanken wiederaufgenommen und unter Ersetzung der abstracten schematischen Formeln durch concrete, auf die innere Erfahrung begründete psychologische Betrachtungen durchzuführen gesucht.

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