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verursacht ist, Resultat ist von diesem Plane, dass ohne ihn kein Haar fällt von seinem Haupte und in seiner Wirkungssphäre kein Sperling vom Dache, dass jede wahrhaft gute Handlung gelingt, jede böse misslingt, und dass denen, die nur das Gute recht lieben, alle Dinge zum Besten dienen müssen. Es kann ebensowenig von der andern Seite dem, der nur einen Augenblick nachdenken und das Resultat dieses Nachdenkens sich redlich gestehen will, zweifelhaft bleiben, dass der Begriff von Gott als einer besondern Substanz unmöglich und widersprechend ist, und es ist erlaubt dies aufrichtig zu sagen und das Schulgeschwätz niederzuschlagen, damit die wahre Religion des freudigen Rechtthuns sich erhebe." (Forberg hatte in dem Aufsatz, welchem der Fichte'sche vorangeschickt wurde, es für ungewiss erklärt, ob ein Gott sei, den Polytheismus, falls nur die mythologischen Götter moralisch handelten, für eben so verträglich mit der Religion, wie den Monotheismus und in künstlerischem Betracht für vorzüglicher erklärt, die Religion auf zwei Glaubensartikel beschränkt: den Glauben an die Unsterblichkeit der Tugend, d. h. den Glauben, dass es immer auf Erden Tugend gab und giebt, und den Glauben an ein Reich Gottes auf Erden, d. h. die Maxime, an der Beförderung des Guten wenigstens so lange zu arbeiten, als die Unmöglichkeit des Erfolges nicht klar erwiesen sei; endlich es dem Ermessen eines Jeden anheimgegeben, ob er es rathsamer finde, an einen alten Ausdruck „Religion" einen neuen, verwandten Begriff zu binden und dadurch diesen der Gefahr auszusetzen, von jenem wieder verschlungen zu werden, oder lieber den alten Ausdruck gänzlich beiseite zu legen, aber dann zugleich auch bei sehr Vielen schwerer oder gar nicht Eingang zu finden. Forberg hat auch später noch, in einem Briefe an Paulus, Coburg 1821, in: Paulus u. s. Zeit, von Reichlin-Meldegg, Stuttgart 1853, Bd. II, S. 268 f. vgl. Hase, Fichte - Büchlein, S. 24 f., erklärt: „Des Glaubens habe ich in keiner Lage meines Lebens bedurft und gedenke in meinem entschiedenen Unglauben zu verharren bis an's Ende, das für mich ein totales Ende ist" etc., wogegen Fichte über die Unsterblichkeit, obschon er sich zu verschiedenen Zeiten verschieden äussert, doch stets affirmativere Ansichten gehegt hat; kein wirklich gewordenes Ich kann nach Fichte's Doctrin jemals untergehen; wie das Sein ursprünglich sich brach, so bleibt es gebrochen in alle Ewigkeit; wirklich geworden im vollen Sinne ist aber nur das Ich, das sich als Leben des Begriffs erscheint, das also etwas allgemein und ewig Gültiges aus sich entwickelt hat. Vgl. Löwe, die Ph. F.'s, Stuttg. 1862, S. 224-230.)

Die „Bestimmung des Menschen“, Berlin 1800, ist eine lebendige exoterische Darstellung des Fichte'schen Idealismus in seinem Gegensatz zum Spinozismus.

Bald nach dem Atheismus-Streit ging Fichte dazu über, den Ausgangspunkt seines Philosophirens im Absoluten zu nehmen, insbesondere bereits in der Darstellung der Wissenschaftslehre aus dem Jahre 1801 (erst in den Werken, Bd. II, 1845 gedruckt), in welche auch einzelne Schleiermacher'sche Begriffe aus den Reden über die Religion eingegangen sind, und in der „,Anweisung zum seligen Leben". Er erklärt Gott für das allein wahrhaft Seiende, welches sich durch sein absolutes Denken die äussere Natur als ein unwirkliches Nicht-Ich gegenüberstelle. Zu den beiden früher (im Anschluss an Kant's Ethik) unterschiedenen praktischen Lebensstandpunkten, dem des Genusses und dem des Pflichtbewusstseins in der Form des kategorischen Imperativs, fügt Fichte nunmehr drei andere hinzu, die ihm als höhere gelten: die positive oder schaffende Sittlichkeit, die religiöse Gemeinschaft mit Gott und die philosophische Gotteserkenntniss.

In der Schrift:,,Grundzüge des gegenwärtigen Zeitalters", Vorlesungen, geh. zu Berlin 1804-1805, gedr. Berlin 1806, unterscheidet Fichte geschichtsphilosophisch fünf Perioden: 1. diejenige, da die menschlichen Verhältnisse ohne Zwang

und Mühe durch den blossen Vernunftinstinct geordnet werden; 2. diejenige, da dieser Instinct schwächer geworden und nur noch in wenigen Auserwählten sich aussprechend, durch diese Wenigen in eine zwingende äussere Autorität für Alle verwandelt wird; 3. diejenige, da diese Autorität und mit ihr die Vernunft in der einzigen Gestalt, in der sie bis jetzt vorhanden, abgeworfen wird; 4. diejenige, da die Vernunft in der Gestalt der Wissenschaft in die Gattung eintritt; 5. diejenige, da zu dieser Wissenschaft sich die Kunst gesellt, um das Leben mit sicherer und fester Hand nach der Wissenschaft zu gestalten, und da diese Kunst die vernunftgemässe Einrichtung der menschlichen Verhältnisse frei vollendet, und der Zweck des gesammten Erdenlebens erreicht wird und unsere Gattung die höheren Sphären einer andern Welt betritt. Die letzte Periode ist eine Rückkehr zum Ursprunge, jedoch so, dass die Menschheit sich mit Bewusstsein wieder zu dem macht, was sie ohne ihr Zuthun gewesen ist. Fichte findet, dass seine Zeit in der dritten Epoche stehe. In den im Sommersemester 1813 gehaltenen Vorlesungen über die Staatslehre erklärt Fichte (Werke, Bd. IV, S. 508) die Geschichte für den Fortgang von der ursprünglichen, auf blossem Glauben beruhenden Ungleichheit zu der Gleichheit, die das Resultat des die menschlichen Verhältnisse durchaus ordnenden Verstandes sei.

Die Energie der sittlichen Gesinnung Fichte's hat sich zumeist in seinen „Reden an die deutsche Nation" bekundet, die eine geistige Wiedergeburt erstreben. ,,Lasst die Freiheit auf einige Zeit verschwunden sein aus der sichtbaren Welt; geben wir ihr eine Zuflucht im Innersten unserer Gedanken, so lange, bis um uns herum die neue Welt emporwachse, die da Kraft habe, diese Gedanken auch äusserlich darzustellen." Dieses Ziel soll erreicht werden durch eine völlig neue, zur Selbstthätigkeit und Sittlichkeit führende Erziehung, für welche Fichte in Pestalozzi's Pädagogik den Anknüpfungspunkt findet. Nicht durch die einzelnen Vorschläge, die grossentheils überspannt und abenteuerlich sind, wohl aber durch das ethische Princip hat Fichte zur sittlichen Erhebung der deutschen Nation wesentlich mitgewirkt, und zumal die Jugend zum aufopferungsfreudigen Kampfe für die nationale Unabhängigkeit begeistert. Gegen Fichte's früheren Kosmopolitismus, der ihn noch 1804 in dem Staate, der jedesmal auf der Höhe der Cultur stehe, das wahre Vaterland des Gebildeten finden liess, contrastirt scharf die in den Reden sich bekundende warme Liebe zu der deutschen Nation, die sich jedoch bis zu einem überschwenglichen, den Gegensatz des Deutschen und Fremden nahezu mit dem des Guten und Bösen identificirenden Cultus des Deutschthums potenzirt.

Fichte's spätere Lehre ist eine Fortbildung der früheren in der nämlichen Richtung, in welcher Schelling über Fichte hinausging. Die Differenz zwischen Fichte's früherem und späterem Philosophiren ist vielleicht in der Sache geringer, als in der Lehrform. Schelling, der seinen eigenen Einfluss auf Fichte's spätere Gedankenbildung wohl überschätzt hat, mag die Differenz überspannt und vielleicht Fichte's früheren Standpunkt zu subjectivistisch gedeutet haben. Andererseits aber ist nicht zu verkennen, dass Fichte, von Kant's transscendentaler Apperception, welche das reine Selbstbewusstsein jedes Individuums ist, ausgehend, mehr und mehr in dem Begriff des alle Individuen in sich befassenden Absoluten das Princip seines Philosophirens gefunden hat und dass demgemäss sein späteres Lehrgebäude auch materiell von dem früheren gar nicht unbeträchtlich verschieden ist.

Zu der von Fichte in der „Wissenschaftslehre" dargelegten Doctrin hat sich eine Zeit lang auch Reinhold bekannt, der später theils Bardili'sche, theils Jacobi'sche Ansichten annahm; Friedr. Carl Forberg (1770-1848) und Friedr.

Immanuel Niethammer (1766-1848) schlossen sich an eben jene Lehre an; Johannes Baptista Schad und G. E. A. Mehmel haben in Schriften und Vorlesungen eben diese Doctrin vertreten.

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Von Fichte angeregt, ging Friedrich Schlegel (1772-1829), indem er an die Stelle des reinen Ich das geniale Individuum setzte, zu einem Cultus der Genialität fort. Im Anschluss an Jacobi gegen den Formalismus des kategorischen Imperativs (mit der Wendung, dem Kant sei die Jurisprudenz auf die inneren Theile geschlagen") polemisirend, findet er in der Kunst die wahre Erhebung über das Gemeine, wozu sich die pflichttreue Arbeit nur wie die getrocknete Pflanze zur frischen Blume verhalte. Indem das Genie sich über jede für das gemeine Bewusstsein geltende Schranke erhebt und über alles, was es selbst anerkennt, sich wiederum erhebt, so ist sein Verhalten das ironische. Eine positive Befriedigung kennt diese „Ironie" nicht, und die Erhebung, durch welche jedesmal das, was früher ein Ziel ernsten Strebens war, zum Object heitern Spieles herabgesetzt wird, besteht ihr nicht in der thatkräftig fortschreitenden Arbeit des Geistes, sondern nur in der stets erneuten Negation, die alle Besonderheit in den Abgrund des Absoluten versenkt. Verwandt mit Schlegel's Denkrichtung ist die von Novalis (Friedrich von Hardenberg, 1772 bis 1801). In's Extrem treibt Schlegel das ironische Verhalten und die Polemik gegen die Sitte in dem Roman: Lucinde, Berlin 1799, durch die Bekämpfung der Schamhaftigkeit und das „Lob der Frechheit", wo bei dem Mangel eines positiven sittlichen Gehaltes die berechtigte Polemik gegen einen rigoristischen Formalismus in eine sittenlose Frivolität umschlägt. (Schleiermacher hat seine idealere Auffassung des Rechtes der Individualität in den Roman hineingetragen.) Später fand F. Schlegel im Katholicismus die Befriedigung, die ihm seine Philosophie nicht dauernd zu gewähren vermochte. Trotz der Beziehung zu Fichte's Lehre ist die Schlegel'sche Romantik und Ironie, sofern sie die Willkür des Subjects an die Stelle des Gesetzes im Denken und Wollen treten lässt, nicht eine Consequenz, sondern (wie Lasson in seiner Schrift über Fichte S. 240 sie richtig bezeichnet) „das directe Widerspiel des Fichte'schen Geistes". (Vgl. J. H. Schlegel, die neuere Remantik und ihre Beziehung zur Fichte'schen Philosophie, Rastadt 1862.)

§ 21. Friedrich Wilhelm Joseph Schelling (später von Schelling, geb. 1775, gest. 1854) hat die Fichte'sche Ichlehre, von der er ausging, durch Verschmelzung mit dem Spinozismus zu dem Identitätssystem umgestaltet, aber von den beiden Seiten desselben, der Lehre von der Natur und vom Geist, vorzugsweise die erstere ausgebildet. Object und Subject, Reales und Ideales, Natur und Geist sind identisch im Absoluten. Wir erkennen diese Identität mittelst intellectueller Anschauung. Die ursprüngliche ungeschiedene Einheit oder Indifferenz tritt in die polarischen Gegensätze des positiven oder idealen und des negativen oder realen Seins auseinander. Der negative oder reale Pol ist die Natur. Der Natur wohnt ein Lebensprincip inne, welches die unorganischen und die organischen Wesen vermöge einer allgemeinen Continuität aller Naturursachen zu einem Gesammtorganismus verknüpft. Dieses Princip nennt Schelling die Weltseele. Die Kräfte der unorganischen Natur

wiederholen sich in höherer Potenz in der organischen. Der positive oder ideale Pol ist der Geist. Die Stufen seiner Entwicklung sind: das theoretische, das praktische und das künstlerische Verhalten, d. h. die Hineinbildung des Stoffes in die Form, der Form in den Stoff, und die absolute Ineinsbildung von Form und Stoff. Die Kunst ist bewusste Nachbildung der bewusstlosen Naturidealität, Nachbildung der Natur in den Culminationspunkten ihrer Entwicklung; die höchste Stufe der Kunst ist die Aufhebung der Form durch die vollendete Fülle der Form.

Durch successive Mitaufnahme mancher Philosopheme von Plato und Neuplatonikern, Giordano Bruno, Jakob Böhm und Anderen hat Schelling später eine synkretistische Doctrin gebildet, die immer mystischer geworden ist, auf den Entwicklungsgang der Philosophie aber einen weit geringeren Einfluss, als das anfängliche Identitätssystem, gewonnen hat. Schelling hat nach Hegel's Tode das Identitätssystem, das von Hegel nur auf eine logische Form gebracht worden sei, zwar nicht für falsch, aber für einseitig erklärt und als negative Philosophie bezeichnet, welche der Ergänzung durch eine positive Philosophie, nämlich durch die „Philosophie der Mythologie“ und Philosophie der Offenbarung" bedürfe. Diese Theosophie ist eine Speculation über die Potenzen und Personen der Gottheit, wodurch der Gegensatz des petrinischen und paulinischen Christenthums oder des Katholicismus und Protestantismus in einer Johanneskirche der Zukunft aufgehoben werden soll. Der Erfolg ist weit hinter Schelling's grossen Verheissungen zurückgeblieben.

Schelling's Werke hat in einer Gesammtausgabe, welche ausser dem früher Gedruckten auch vieles bis dahin Ungedruckte enthält, sein Sohn K. F. A. Schelling edirt, 1. Abth. 10 Bde., 2. Abth. 4 Bde., Stuttg. und Augsb. 1856 ff. Von G. L. Plitt in Erlangen ist hrsg. worden: Aus Schelling's Leben, in Briefen, Bd. I, 1775 -1803, Leipz. 1869, Bd. II, 1803-20, Leipz. 1870. Ueber Schelling handelt insbesondere C. Rosenkranz, Schelling, Vorlesungen gehalten im Sommer 1842 an der Universität zu Königsberg, Danzig 1843; vgl. die Darstellungen seines Systems bei den Historikern Michelet, Erdmann etc., ferner unter den älteren Schriften namentlich die von Jak. Fries über Reinhold, Fichte und Schelling, Leipz. 1803, F. Köppen, Sch.'s Lehre oder das Ganze der Philosophie des absoluten Nichts, nebst drei Briefen von F. H. Jacobi, Hamburg 1803, wie auch Jacobi's Schrift von den göttlichen Dingen, Leipzig 1811 (s. o. § 19, S. 226), von neueren mehrere bei der Eröffnung der Vorlesungen Schelling's in Berlin erschienene Streitschriften: Schelling und die Offenbarung, Kritik des neuesten Reactionsversuchs gegen die freie Philosophie, Leipz. 1842, (Glaser) Differenz der Schelling'schen und Hegel'schen Philosophie, Leipz. 1842, Marheineke, Kritik der Schelling'schen Offenbarungsphilosophie, Berlin 1843. Salat, Schelling in München, Heidelb. 1845, L. Noack, Schelling und die Philosophie der Romantik, Berlin 1859. Mignet, notice historique sur la vie et les travaux de M. de Schelling, Paris 1858 E. A. Weber, examen critique de la philos. religieuse de Sch., thèse, Strassb. 1860. Abhandlungen von Hubert Beckers in den Abh. der Bayr. Akad. der Wiss. (über die Bedeutung der Schelling'schen Metaphysik, ein Beitrag zum tieferen Verständniss der Potenzen- und Principienlehre Schelling's, in: Abh. der philos.-philol. Cl. der Münchener Akademie der Wiss., Bd. IX, München 1863, S. 399-546; über die wahre und bleibende Bedeutung der Naturphilosophie Schelling's, ebd. Bd. X, 2, München 1865, S. 401-449, die UnsterblichkeitsUeberweg, Grundriss III. 3. Aufl. 16

lehre Schelling's im ganzen Zusammenhange ihrer Entwicklung dargestellt, ebd. Bd. XI, 1, München 1866, S. 1-112), von Ehrenfeuchter, Dorner, Hamberger.in den Jahrb. f. deutsche Theol., auch in der 1863 erschienenen Abhandlung: Christenthum und moderne Cultur, Hoffmann im Athenaeum, Brandis (Gedächtniss rede) in den Abh. der Berl. Akad. 1855, Böckh, über Sch.'s Verh. zu Leibniz, in den Monatsber, der Berl. Akad. d. Wiss. 1855, kl. Schr. Bd. II. E. v. Hartmann, Sch's positive Philosophie als Einheit von Hegel und Schopenhauer, Berlin 1869.

Sohn eines Würtembergischen Landgeistlichen, geboren zu Leonberg am 27. Januar 1775, trat Schelling, dessen glänzende Anlagen sich früh entwickelten, bereits in seinem sechszehnten Lebensjahre, zu Michaelis 1790, in das theologische Seminar zu Tübingen. Er trieb ausser den theologischen Studien philologische und philosophische, dann 1796 und 1797 zu Leipzig auch naturwissenschaftliche und mathematische. Seit 1798 docirte er in Jena neben Fichte und ebendaselbst auch noch nach dessen Abgange. Schelling erhielt 1803 eine Professur der Philosophie in Würzburg, die er bis 1806 bekleidete, wurde dann Mitglied der Akademie der Wissenschaften in München (später deren beständiger Secretair), las in Erlangen 1820-26, ward 1827, als unter Aufhebung der Universität zu Landshut die zu München gegründet wurde, an derselben Professor; von da 1841 nach Berlin als Mitglied der Akademie der Wissenschaften berufen, hielt er an der dortigen Universität einige Jahre lang Vorlesungen über Mythologie und Offenbarung, gab aber bald diese Lehrthätigkeit auf. Er starb am 20. August 1854 im Badeorte Ragaz in der Schweiz.

In seiner Magisterdissertation, die er 1792 verfasste: „Antiquissimi de prima malorum origine philosophematis explicandi tentamen criticum", gab er der biblischen Erzählung vom Sündenfall eine allegorische Deutung, im Anschluss an Herder'sche Ideen. In gleichem Geiste war die Abhandlung geschrieben, die 1793 in Paulus' Memorabilien (Stück V, S. 1-65) erschien: „Ueber Mythen, historische Sagen und Philosopheme der ältesten Welt". Der neutestamentlichen Kritik und ältesten Kirchengeschichte gehört die Abhandlung an: de Marcione Paulinarum epistolarum emendatore“, 1795. Immer mehr aber wandte sich Schelling's Interesse der Philosophie zu. Er las Kant's Vernunftkritik, Reinhold's Elementarphilosophie, Maimon's neue Theorie des Denkens, G. E. Schulze's Aenesidemus und Fichte's Recension dieser Schrift und dessen Schrift über den Begriff der Wissenschaftslehre, und schrieb 1794 die (zu Tübingen 1795 erschienene) Schrift: Ueber die Möglichkeit einer Form der Philosophie überhaupt“, worin er zu zeigen sucht, dass weder ein materialer Grundsatz, wie Reinhold's Satz des Bewusstseins, noch ein bloss formaler, wie der Satz der Identität, sich zum Princip der Philosophie eigne; dieses Princip müsse in dem Ich liegen, in welchem das Setzen und das Gesetzte zusammenfallen. In dem Satze: Ich = Ich, bedingen Form und Inhalt sich gegenseitig.

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In der nächstfolgenden Schrift: „Vom Ich als Princip der Philosophie oder über das Unbedingte im menschlichen Wissen", Tüb. 1795 (wiederabgedr. in den „philos. Schriften", Landshut 1809), bezeichnet Schelling als das wahre Princip der Philosophie das absolute Ich. Das Subject ist das durch ein Object bedingte Ich; der Gegensatz zwischen Subject und Object setzt ein absolutes Ich voraus, welches nicht durch ein Object bedingt ist, sondern alles Object ausschliesst. Das Ich ist das Unbedingte im menschlichen Wissen; durch das Ich selbst und durch Entgegensetzung gegen das Ich muss sich der ganze Inhalt alles Wissens bestimmen lassen. Die Kantische Frage: wie sind synthetische Urtheile a priori möglich? ist, in ihrer höchsten Abstraction vorgestellt, keine andere, als diese: wie kommt das absolute Ich dazu, aus sich selbst herauszugehen nud sich ein Nicht- Ich schlechthin entgegenzusetzen? Im endlichen Ich ist die

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