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dass ihrer vernünftigen Seele diese Gegenstände sich erschliessen. Mit heiligem Schauer wendet der Mensch seinen Blick in jene Sphären, aus welchen allein Licht hineinfällt in das irdische Dunkel. Aber Jacobi gesteht auch: Licht ist in meinem Herzen, aber sowie ich es in den Verstand bringen will, erlischt es. Welche von beiden Klarheiten ist die wahre, die des Verstandes, die zwar feste Gestalten, aber hinter ihnen einen Abgrund zeigt, oder die des Herzens, die zwar verheissend aufwärts leuchtet, aber bestimmtes Erkennen vermissen lässt? Um dieses Zwiespalts willen nennt sich Jacobi einen Heiden mit dem Verstande, einen Christen mit dem Gemüth".

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Jacobi findet das Wesentliche des Christenthums in dem Theismus, dem Glauben an einen persönlichen Gott, wie auch an die sittliche Freiheit und Ewigkeit der menschlichen Persönlichkeit. Das Christenthum „in dieser Reinheit aufgefasst“ und auf das unmittelbare Zeugniss des eigenen Bewusstseins gegründet, ist ihm das Höchste. Im Unterschiede von diesem rationalen Zuge seiner Glaubensphilosophie, den Friedrich Köppen, Cajetan von Weiller, Jak. Salat, Chr. Weiss, Joh. Neeb, J. J. F. Ancillon u. A. im Wesentlichen mit ihm theilen, hält sein Freund und Anhänger Thomas Wizenmann (vgl. über ihn Al. von der Goltz, Wiz., der Freund Jacobi's Gotha 1859) sich, was die Quelle des Glaubens betrifft, an die Bibel, und demgemäss in Bezug auf den Glaubensinhalt auch an die specifisch - christlichen Dogmen. In diesen letzteren findet Johann Georg Hamann (geb. zu Königsberg 1730, gest. zu Münster 1788), der mit Kant und auch mit Herder und mit Jacobi befreundete „Magus im Norden“, den Halt und Trost für sein unstetes, durch Sünde und Noth zerrissenes Gemüth und gefällt sich darin, in geistvollen, jedoch oft in's Gesuchte und Abenteuerliche ausartenden Gedankenblitzen die Mysterien oder „Pudenda“ des christlichen Glaubens zu Ehren zu bringen; zu diesem Behuf dient ihm insbesondere das „principium coincidentiae oppositorum" des Giordano Bruno. Seine Werke hat F. Roth herausgegeben, Berlin 1821-43; vgl. C. H. Gildemeister, H.'s Leben und Schriften, Gotha 1858-68, ferner Heinr. von Stein's Vortrag über H.; A. Brömel, J. G. Hamann (Abdr. aus der luth. Kirchenz.), Berlin 1870, J. Disselhoff, Wegweiser zu J. G. Hamann, dem Magus des Nordens, Elberf. 1870. Das Christenthum als die Religion der Humanität, den Menschen als Schlusspunkt der Natur und seine Geschichte als fortschreitende Entwicklung zur Humanität zu begreifen, ist die Aufgabe, an deren Lösung der phantasievolle und mit feinstem Sinn für die Realität und Poesie des Völkerlebens begabte Herder (geb. 1744 zu Morungen in Ostpreussen, gest. 1803 zu Weimar) erfolgreich gearbeitet hat; dem schroffen Dualismus, den Kant zwischen dem empirischen Stoff und der apriorischen Form statuirt, stellt er den tieferen Gedanken der wesentlichen Einheit und stufenmässigen Entwicklung in Natur und Geist entgegen; seine Weltanschauung culminirt in einem poëtisch umgestalteten, mit der Idee des persönlichen Gottesgeistes und der (als Metempsychose gedachten) Unsterblichkeit erfüllten (also der früheren, der Ethik vorausliegenden Form, obschon diese damals unbekannt war, wandten, der Lehre Bruno's wieder angenäherten) Spinozismus, den er besonders in der Schrift: Gott, Gespräche über Spinoza's System, 1787, zusammenhängend entwickelt hat. Den Ursprung der Sprache findet Herder (1772) in der Natur des Menschen, der als denkendes Wesen der uninteressirten, begierdefreien Betrachtung der Dinge fähig sei; der Ursprung der Sprache ist göttlich, sofern er menschlich ist. Der Entwicklungsgang der Sprache zeugt (wie Herder, zum Theil nach Hamann, 1799 in seiner Metakritik bemerkt) gegen den Kantischen Apriorismus. Raum und Zeit sind Erfahrungsbegriffe, Form und Materie der Erkenntniss sind auch in ihrem Ursprung nicht von einander getrennt, die Vernunft subsistirt

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nicht abgesondert von den andern Kräften; statt der „Kritik der Vernunft bedarf es einer Physiologie der menschlichen Erkenntnisskräfte. Herder bezeichnet als den schönsten und schwersten Zweck des menschlichen Lebens, von Jugend auf Pflicht zu lernen, solche aber, als ob es nicht Pflicht sei, in jedem Augenblicke des Lebens auf die leichteste beste Weise zu üben. Herder's philosophisches Hauptverdienst liegt in der philosophischen Betrachtung der Geschichte der Menschheit (Ideen zur Philos. der Gesch. der Menschheit, Riga 1784–91 u. ö., mit Einleitung und Anm. hrsg. von Julian Schmidt, in der Bibliothek der deutschen Nationallitt. des 18. Jahrh., Bd. 23-25, Leipzig 1869. Vgl. u. A. Adolf Kohut, Herder und die Humanitätsbestrebungen der Neuzeit, Berlin 1870). Einen bedeutsamen Einfluss haben seine Briefe zur Beförderung der Humanität (1793—97) und hat überhaupt seine begeisterte Hingabe an die grosse Aufgabe der Herausbildung des allgemein menschlich Werthvollen aus den verschiedenartigen historisch gegebenen Culturformen geübt. Eine Theorie des Schönen versucht er in der Schrift Kalligone (1800) zu entwickeln. Uebrigens gehören Jacobi, Hamann und Herder noch mehr, als der Geschichte der Philosophie, der Geschichte der deutschen Nationallitteratur an. Vgl. u. A. Heinr. Erdmann in seiner Monographie: Herder als Religionsphilosoph, Marburger Inaug.-Diss., Hersfeld 1866. Aug. Werner, Herder als Theologe, Berl. 1871).

Jacob Fries (geb. 23. Aug. 1773 zu Barby, gest. 10. August 1843 zu Jena) hat eine Reihe von philosophischen Schriften verfasst, unter denen die „Neue Kritik der Vernunft", Heidelberg 1807, 2. Aufl. 1828-31, die bedeutendste ist; daneben sind insbesondere folgende hervorzuheben: System der Philosophie als evidenter Wissenschaft, Leipzig 1804, Wissen, Glaube und Ahndung, Jena 1805, System der Logik, Heidelberg 1811 (2. Aufl. 1819, 3. Aufl. 1837), Handbuch der praktischen Philosophie, Jena 1818-1832, Handbuch der psychischen Anthropologie, Jena 1820–21 (2. Aufl. 1837-39), mathematische Naturphilosophie, Heidelberg 1822, Julius und Euagoras oder die Schönheit der Seele, ein philosophischer Roman, Heidelberg 1822, System der Metaphysik, Heidelberg 1824. Fries wirft die Frage auf, ob die Vernunftkritik, welche die Möglichkeit der Erkenntniss a priori untersucht, ihrerseits durch eine Erkenntniss a priori oder a posteriori zu gewinnen sei und entscheidet sich für die letztere Annahme: wir können nur a posteriori, nämlich durch innere Erfahrung, uns dessen bewusst werden, dass und wie wir Erkenntnisse a priori besitzen. Die auf innerer Erfahrung ruhende Psychologie muss demgemäss die Basis alles Philosophirens bilden. Fries meint, Kant habe theilweise, Reinhold aber durchweg diesen Charakter der Vernunftkritik verkannt und dieselbe für Erkenntniss a priori angesehen*). Mit Kant

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*) Kant selbst hat jene Frage nicht aufgeworfen; seine Abweisung der psychologischen Empirie von der Metaphysik, Logik und Ethik involvirt nicht eine Abweisung derselben von der Erkenntnisslehre oder Vernunftkritik" selbst; da er aber das Bestehen apodiktischer Erkenntniss mindestens in der Mathematik als eine Thatsache seinen Untersuchungen zu Grunde legt, da er ferner die Kategorien aus den empirisch gegebenen Formen der Urtheile erkennt, und da er in der Moralphilosophie von dem unmittelbaren sittlichen Bewusstsein, das gleichsam ein „Factum der reinen Vernunft" sei, ausgeht: so lässt sich nicht leugnen, dass auch er seine Vernunftkritik auf wirkliche oder vermeintliche Thatsachen der inneren Erfahrung basirt; das Bedenken, ob und warum die Voraussetzung gerechtfertigt sei, dass jeder Andere in sich das Gleiche erfahre, was der Kritiker in seiner eigenen inneren Erfahrung findet, trifft in diesem Sinne auch Kant und ebenso auch das Bedenken, woher denn gewusst werden könne, dass Allgemeinheit und Nothwendigkeit ein Kriterium der Apriorität seien, da es gleich sehr unmöglich zu sein scheint, a posteriori, wie a priori den in der

nimmt Fries an, dass Raum, Zeit und Kategorien subjective Formen a priori seien, die wir zu dem Gegebenen hinzuthun; auf die Erscheinungen, welche Vorstellungen sind, geht das empirisch-mathematische Wissen und erstreckt sich nicht über dieselben hinaus, sogar die Existenz von Dingen an sich ist nicht mehr Sache des Wissens; andererseits aber sind die Erscheinungen auch durchaus dem empirisch-mathematischen Wissen zugänglich; auch die Organismen müssen sich aus der Wechselwirkung aller Theile untereinander mechanisch erklären lassen; in ihnen herrscht der Kreislauf, wie im Unorganischen das Gesetz des Gleichgewichts oder der Indifferenz. (Den Gedanken der mechanischen Erklärbarkeit der Organismen hat, zunächst in Bezug auf die Pflanzenwelt, besonders Fries' Schüler Jak. Matthias Schleiden durchzuführen gesucht.) Auf die Dinge an sich, die Fries auch das wahre, ewige Wesen der Gegenstände nennt, geht der Glaube. Allem Handeln der Vernunft liegt der Glaube an Wesen und Werth, zuhöchst an die gleiche persönliche Würde der Menschen zum Grunde; aus diesem Princip fliessen die sittlichen Gebote. Die Veredelung der Menschheit ist die höchste sittliche Aufgabe. Die Vermittlung zwischen dem Wissen und Glauben liegt in der Ahndung, welcher die ästhetisch - religiöse Betrachtung angehört. Im Gefühl des Schönen und Erhabenen wird das Endliche als Erscheinung des Ewigen angeschaut; in der religiösen Betrachtung wird die Welt nach Ideen gedeutet; die Vernunft ahnt in dem Weltlauf den Zweck, in dem Leben der schönen Naturgestalten die ewige, allwaltende Güte. Die Religionsphilosophie ist Wissenschaft vom Glauben und der Ahnung, nicht aus ihnen. Der Fries'schen Schule gehören ausser Schleiden namentlich E. F. Apelt (1812-1859; Metaphysik, Leipzig 1857, Religionsphilosophie hrsg. von S. G. Frank, Leipzig 1860, zur Theorie der Induction, Leipzig 1854, zur Geschichte der Astronomie, die Epochen der Geschichte der Menschheit, Jena 1845-46 etc.), E. S. Mirbt (was heisst philosophiren und was ist Philosophie? Jena 1839, Kant und seine Nachfolger, Jena 1841), F. van Calker (Denklehre oder Logik u. Dialektik, 1822 etc.), Ernst Hallier, Schmidt, der Mathematiker Schlömilch (Abhandlungen der Fries'schen Schule, von Schleiden, Apelt, Schlömilch und Schmidt, Jena 1847) und Andere an; auch der Theolog de Wette geht von Fries'schen Principien aus. Auf Beneke, der zum durchgeführten psychologischen Empirismus fortgegangen ist, ist die Fries'sche Doctrin in mehrfachem Betracht von wesentlichem Einfluss gewesen.

Jakob Sigismund Beck (1761-1842) hat in seinem Hauptwerk: „Einzig möglicher Standpunkt, aus welchem die kritische Philosophie beurtheilt werden muss", Riga 1796, welches den dritten Band zu der Schrift: ,,Erläuternder Auszug aus Kant's kritischen Schriften", Riga 1793 ff., bildet, auch in seinem Grundriss der krit. Philosophie 1796 und anderen Schriften nach dem Vorgange Mai

That falschen Satz zu erweisen, Erfahrung nebst Induction könne nur „comparative Allgemeinheit" ergeben. An sich aber liegt keineswegs, wie Einzelne gemeint haben, ein „Widersinn“ in der Annahme, dass wir durch innere Erfahrung inne werden, Erkenntnisse a priori zu besitzen; denn die Apodikticität und Apriorität soll den mathematischen und metaphysischen Erkenntnissen, wie auch dem Pflichtbewusstsein selbst anhaften, der empirische Charakter aber nicht diesen Erkenntnissen als solchen, sondern nur unserm Bewusstsein, dass wir dieselben besitzen. Falls es überhaupt Erkenntnisse a priori im Kantischen Sinne dieses Terminus gäbe, so könnte ganz wohl angenommen werden, was Fries annimmt, dass die Metaphysik ebenso wie die Mathematik von aller Erfahrungswissenschaft specifisch unterschieden sei, und dass doch zugleich eine auf innerer Erfahrung ruhende Wissenschaft, nämlich die Vernunftkritik, über den Rechtsgrund und die Grenzen der Gültigkeit jener apodiktischen oder wenigstens Apodikticität beanspruchenden Erkenntnisse zu entscheiden habe.

mon's und zum Theil auch wohl durch Fichte's (1794 erschienene) Wissenschaftslehre mitbestimmt, die in Kant's Vernunftkritik liegende Inconsequenz, dass die Dinge an sich uns afficiren und durch Affection den Stoff zu Vorstellungen uns geben und doch zugleich auch zeitlos, raumlos und causalitätslos existiren sollen, dadurch aufzuheben gesucht, dass er das Afficirtwerden des Subjectes durch die Dinge an sich in Abrede stellt und die Stellen, worin Kant dasselbe behauptet, für eine didaktische Accommodation an den Standpunkt des dogmatistisch gesinnten Lesers erklärt *); die Frage nach der Entstehung des empirischen Vorstellungsstoffs beseitigt Beck dadurch, dass er eine Affection der Sinne durch Erscheinungen annimmt**); die Beziehung des Individuums zu anderen Individuen lässt er unerklärt; die reinen Anschauungsformen Raum und Zeit führt er auf denselben Act ursprünglicher Synthesis des Mannigfaltigen, wie die Kategorien, zurück. Als Religion gilt ihm die Befolgung der Stimme des Gewissens als des inneren Richters, den der Mensch symbolisch ausser sich als Gott denke.

Christoph Gottfried Bardili (1761-1808) hat in seinen Briefen über den Ursprung der Metaphysik, die anonym Altona 1798 erschienen, und noch mehr in seinem Grundriss der ersten Logik, gereinigt von den Irrthümern der bisherigen Logik, besonders der Kantischen, Stuttgart 1800, freilich in abstruser Form, einen „rationalen Realismus“ zu begründen versucht, der manche Keime späterer Speculationen enthielt, insbesondere zu dem (Schelling'schen) Gedanken der Indifferenz des Objectiven und Subjectiven in einer absoluten Vernunft, und zu dem (Hegel'schen) Gedanken einer Logik, die zugleich Ontologie sei. Dasselbe Denken, welches das Weltall durchdringt, kommt im Menschen zum Bewusstsein; im Menschen erhebt sich das Lebensgefühl zur Personalität, die Naturgesetze der Erscheinungen werden in ihm zu Gesetzen der Association seiner Gedanken.

Der Bardilische Realismus setzt die Realität von Natur und Geist und ihre Einheit im Absoluten voraus, ohne die Kantischen Argumente völlig widerlegt zu haben. Der Beck'sche Idealismus hebt von den beiden widerstreitenden Elementen, die im Kantischen Kriticismus liegen, das idealistische mit willkürlicher Beseitigung des realistischen hervor. Zur Aufhebung jenes Widerstreits konnte mit gleichem Recht der entgegengesetzte Weg eingeschlagen werden, indem nämlich mit dem Gedanken des Afficirtwerdens des Subjectes durch „,Dinge an sich“ voller Ernst gemacht und die gesammte Doctrin auf dieser Grundlage umgebildet wurde; dieses Letztere geschah durch Herbart, der aber nicht unmittelbar von Kant, sondern zunächst von Fichte ausgegangen ist, dessen subjectivistischem Idealismus er seine mit der Leibnitzischen Monadologie verwandte Grundlehre von der Vielheit einfacher realer Wesen entgegenstellt.

§ 20. Johann Gottlieb Fichte (1762-1814), von Spinozistischem Determinismus durch die Kantische Einschränkung der Causalität auf Phaenomena und Behauptung einer causalitätslosen sittlichen Freiheit des Ich als eines Noumenon zurückgeführt, macht mit eben dieser Einschränkung, die ihm im ethischen Interesse werth

*) Was freilich eine wunderliche Didaktik wäre, die das richtige Verständniss nicht erleichtern, sondern nahezu unmöglich machen würde.

**) Was jedoch, da die Erscheinungen selbst nur Vorstellungen sind, die Absurdität involvirt, dass die Entstehung unserer Vorstellungen überhaupt durch die Einwirkung unserer Vorstellungen auf unsere Sinne bedingt ist, dass also unsere Vorstellungen auf uns wirken, ehe sie existiren.

geworden war, in der theoretischen Philosophie volleren Ernst, als durch Kant geschehen war, indem er die von diesem angenommene Entstehung des Stoffs der Vorstellungen durch eine Affection, welche die Dinge an sich auf das Subject üben, negirt und den Stoff ebensowohl wie die Form aus der Thätigkeit des Ich hervorgehen lässt, und zwar aus demselben synthetischen Act, der die Anschauungsformen und Kategorien erzeuge. Das Mannigfaltige der Erfahrung wird ebenso wie die apriorischen Formen von uns durch ein schöpferisches Vermögen producirt. Nicht eine Thatsache, sondern die Thathandlung dieser Production ist der Grund alles Bewusstseins. Das Ich setzt sich selbst und das Nichtich und erkennt sich als eins mit dem Nichtich; der Process der Thesis, Antithesis und Synthesis ist die Form aller Erkenntniss. Dieses schöpferische Ich ist nicht das Individuum, sondern das absolute Ich; aber aus dem absoluten Ich sucht Fichte das Individuum zu deduciren; die sittliche Aufgabe nämlich fordert den Unterschied der Individuen. Die Welt ist das versinnlichte Material der Pflicht. Die ursprünglichen Schranken des Individuums erklärt Fichte ihrer Entstehung nach für unbegreiflich. Gott ist die sittliche Weltordnung. Indem Fichte in seinen späteren Speculationen vom Absoluten ausgeht, nimmt sein Philosophiren immer mehr einen religiösen Charakter an, jedoch ohne die ursprüngliche Basis zu verleugnen. Die Reden an die deutsche Nation schöpfen ihre zündende Kraft aus der Energie des sittlichen Bewusstseins. Der philosophischen Schule Fichte's gehören wenige Männer an; doch ist seine Speculation für den ferneren Entwicklungsgang der deutschen Philosophie theils durch Schelling, theils durch Herbart von entscheidendstem Einfluss geworden.

Joh. Gottlieh Fichte's nachgelassene Werke, hrsg. von Imm. Herm. Fichte, 3 Bände, Bonn 1834; sämmtliche Werke, hrsg. von I. H. Fichte, 8 Bände, Berlin 1845-46. Joh. Gottl. Fichte's Leben ist von seinem Sohne Immanuel Hermann Fichte beschrieben und zugleich der litt. Briefwechsel veröffentlicht worden, Sulzbach 1830, 2. Aufl. Leipz. 1862. Interessante Nachträge hat namentlich Karl Hase geliefert in dem Jenaischen Fichtebüchlein, Leipzig 1856. Vgl. Wilh. Schmidt, Memoir of Joh. G. Fichte, 2. ed., London 1848. Ueber Fichte als Politiker handelt Ed. Zeller in v. Sybel's histor. Zeitschr. IV, S. 1 ff., wieder abgedr. in Zeller's Vorträgen u. Abh., Leipzig 1865, S. 140-177. Unter den Darstellungen seines Systems sind besonders die von Wilh. Busse (F. u. s. Beziehung zur Gegenwart des deutschen Volkes, Halle 1848-49), Löwe (die Philosophie Fichte's nach dem Gesammtergebniss ihrer Entwicklung und in ihrem Verhältniss zu Kant und Spinoza, Stuttgart 1862), Ludw. Noack (J. G. F. nach s. Leben, Lehren und Wirken, Leipzig 1862), A. Lasson (J. G. Fichte im Verhältniss zu Kirche und Staat, Berlin 1863) zu erwähnen. Aus Anlass der Fichtefeier am 19. Mai 1862 sind zahlreiche Reden und Festschriften erschienen (über welehe v. Reichlin - Meldegg in I. H. Fichte's Ztschr. f. Ph. Bd. 42, 1863, S. 247-277 eine Uebersicht giebt), insbesondere von Heinr. Ahrens, Hubert Beckers, Karl Biedermann, Chr. Aug. Brandis, Mor. Carriere, O. Dorneck, Ad. Drechsler, L. Eckardt, Joh: Ed. Erdmann, Kuno Fischer, L. George, Rud. Gottschall, F. Harms, Hebler, Helfferich, Karl Heyder, Franz Hoffmann, Karl Köstlin, A. L. Kym, Ferd. Lassalle, Lott, J. H. Löwe, Jürgen Bona Meyer (über

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