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Ueber den philosophischen Entwickelungsgang des Leibnitz sind vor Allem seine eigenen Aeusserungen, insbesondere in der Einleitung zu seinen Specimina Pacidii (Op. ph. ed. Erdm. p. 91), ferner in Briefen an Remond de Montmort u. A., belehrend. Ueber sein Leben, seine Schriften und seine Lehre handeln na mentlich: Jo. Geo. von Eckhart (L.'s Secretair und später sein College in der Historiographie des Hauses Braunschweig), dessen biographische Notizen erst spät durch von Murr in dem Journal zur Kunstgesch, u. allg. Litt. VII., Nürnberg 1779, veröffentlicht worden sind, aber im Manuscript an Fontenelle mitgetheilt, von diesem benutzt wurden für sein Eloge de Mr. de Leibniz (gelesen in der Pariser Akademie der Wiss. 1717, abgedr. in der Hist. de l'acad. des sc. de Paris, auch in der Sammlung der Eloges von Fontenelle, verdeutscht durch Eckhart in der deutschen Ausgabe der Theodicee von 1720, auch, mit Anm. von Baring, in der Ausgabe von 1735; vgl. Schleiermacher, über Lobreden im Allgemeinen und die Fontenelle'sche auf Leibniz insbesondere, in Sehleiermacher's Werken III., 3, S. 66 ff). Elogium Leibnitii (von Chr. Wolff, auf Grund Eckhartscher Nachrichten), in den Act. Erud., Juli 1717, wozu 1718 im „Otium Hannoveranum" ein von Feller verfasstes „Supplementum vitae Leibn. in actis erud." erschien. Histoire de la vie et des ouvrages de Mr. Leibnitz par M. L. de Neufville (Jaucourt) in der Amsterdamer Ausgabe der Theodicée von 1734. Karl Günther Ludovici, ausführlicher Entwurf einer vollständigen Historie der Leibnizischen Philosophie, Leipzig 1737. Lamprecht, Leben des Herrn von L., Berlin 1740, italienisch von Joseph Barsotti mit Anmerkungen besonders auf L.'s Aufenthalt in Rom 1689 bezüglich. Geschichte des Herrn von L., aus dem Franz. des Ritters von Jaucourt, Leipz. 1757. Eloge de L., qui a remporté le prix de l'acad. de Berlin, par Bailly, Berl. 1769. Lobschrift auf Gottfr. Wilh. Freih. v. L. in der K. deutschen Ges. zu Göttingen vorgel. von Abr. Gotthelf Kästner, Altenburg 1769. Mich. Hissmann, Versuch über das Leben L.'s, Münster 1783. Auch Rehberg im Hannoverschen Magazin 1787, und Eberhard im Pantheon der Deutschen II., 1795, haben Leibnizens Leben dargestellt. In neuerer Zeit hat Gottschalk Eduard Guhrauer eine ausführliche Biographie geliefert, G. W. Freih. v. L., 2 Bde., Breslau 1842, mit Nachträgen 1846, englisch von Macki, Boston 1845. Vgl. u. a. mehrere Vorträge und Abhandlungen von Boeckh: über Leibnitz und die deutschen Akademien, über L.'s Ansichten von der philologischen Kritik, über L. in s. Verhältniss zur positiven Theol. etc., abg. in Boeckh's kl. Schr., hrsg. v. Ferd. Ascherson, Bd. II., Leipzig 1859 und Bd. III., ebd. 1866. Trendelenburg, in den Monaisber. der Akad. der Wiss. und in Tr.'s hist. Beitr. zur Philos., Bd. II., Berlin 1855 u. Bd. III, ebd. 1867. Ferner: Onno Klopp, das Verhältniss von L. zu den kirchl. Reunionsversuchen in der zweiten Hälfte des 17. Jahrh., in: Zeitschrift des hist. Vereins für Niedersachsen, Jahrg. 1860, L. als Stifter gelehrter Gesellschaften, Vortrag bei der Philologen-Versammlung zu Hannover, Gött. 1864, L.'s Plan zur Gründung einer Societät der Wiss. in Wien, im Archiv für Kunde österr. Geschichtsquellen, auch separat, Wien 1868. L.'s Vorschlag einer franz. Expedition nach Aegypten, Hannover 1864. Die diesen Vorschlag enthaltenden Schriften haben Foucher de Careil, Oeuvres de L.: Projet d'expédition d'Egypte, présenté par L. à Louis XIV., Paris 1864, und Klopp, Hann. 1864, edirt. K. G. Blumstengel, L.'s ägyptischer Plan, Leipzig 1869.

Auf die Leibnitzische Doctrin gehen ausser den betreffenden Theilen in den umfassenderen Geschichtswerken, worunter besonders die Darstellung derselben von Erdmann (Versuch einer wiss. Darstellung der Gesch. der neueren Philosophie, zweiten Bandes zweite Abth.: L. und die Entwicklung des Idealismus vor Kant, Leipzig 1842) und von Kuno Fischer (Gesch. der neuern Philosophie, Bd. II.: L. u. seine Schule, 2. neu bearbeitete Aufi., Heidelberg 1c67) hervorzuheben sind, Ludwig Feuerbach, Darstellung, Entwicklung und Kritik der L.'schen Philosophie, Ansbach 1837, 2. Aufl. 1844; Nourisson, la philosophie de L., Paris 1860; ferner manche ältere und neuere Abhandlungen und Schriften, welche einzelne Seiten der L.'schen Philosophie betreffen. Georg Bernhard Bilfinger, comm. de harmonia animi et corporis humani praestabilita, ex mente Leibnitii. Fref. 1723, 2. ed. 1735, de origine et permissione mali, praecipue moralis, Fref. 1724. Fr. Ch. Baumeister, hist. doctrinae de optimo mundo, Gorlitii 1741. G. Ploucquet, primaria monadologiae capita, Berol. 1748. De Justi, diss. qui a remporté le prix proposé par l'acad. de sc. de Prusse sur le système des monades, Berl. 1748. (Reinhard) diss. qui a remporté le prix prop. par l'acad. des sc. de Prusse sur l'optimisme, Berl. 1755. Kant, über den Optimismus, Königsberg 1759, womit jedoch die spätere, vom kritischen Standpunkt aus das Problem behandelnde Schrift über das

Misslingen aller philos. Versuche einer Theodicee zu vergleichen ist. Ancillon, essai sur l'esprit du Leibnitianisme, in den Abh. der ph. Cl. der Akad. der Wiss., Berlin 1816. Maine de Biron, expos. de la doctrine philos. de L., composée pour la Biogr. univ., Paris 1819. H. C. W. Sigwart, die L.'sche Lehre von der prästabilirten Harmonie in ihrem Zusammenhange mit früheren Philosophemen betrachtet, Tübingen 1822. G. E. Guhrauer, Leibnitii doctrina de unione animae et corporis, Inaug.-Diss., Berlin 1837. Karl Moritz Kahle, L.'s vinculum substantiale, Berlin 1839. G. Hartensteinii commentatio de materiae apud Leibnitium notione et ad monadas relatione (zur Feier des 21. Juni 1846, als des zweihundertjährigen Geburtstages L.'s), Lipsiae 1846. R. Zimmermann, L.'s Monadologie, Wien 1847; L. und Herbart, eine Vergleichung ihrer Monadologien, Wien 1849; das Rechtsprincip bei L., Wien 1852; über L.'s Conceptualismus, ebd. 1854 (aus dem Sitzungsber. der Wiener Akademie, wiederabg. in den Stud. u. Kr., Wien 1870). F. B. Kvet, L's Logik; L. und Comenius, Prag 1857. Ueber L.'s Religionsphilosophie handelt C. A. Thilo in der Zeitschr. f. ex. Philos. Bd. V, 1864, S. 167-204. Trendelenburg, über L.'s Entwurf einer allgemein. Charakteristik, und über das Element der Definition in L.'s Philosophie, in den Schriften der Berliner Akad. d. Wiss. und wiederabg. im 3. Bde. der hist. Beiträge zur Philos., Berlin 1867, S. 1-47 und S. 48-62. Emile Saisset, discours sur la philos. de L., Paris 1857. A. Foucher de Careil, L., la philos. juive et la cabbale, Paris 1861; L, Descartes et Spinoza, avec un rapport par Victor Cousin, Paris 1863 J. Bonifas, étude sur la théodicée de L., Paris 1863. Oscar Svahn, akad. Abh. über die Monadenlehre, Lund 1863. Hugo Sommer, de doctrina, quam de harmonia praestabilita Leibnitius propos., Gottingae 1866. Dan. Jacoby, de Leibnitii studiis Aristoteleis (inest ineditum Leibnitianum), diss. inaug., Berol. 1867. Ludw. Grote, L. u. s. Zeit, Hann. 1869. C. H Plath, L.'s Missionsgedanken, Berlin 1869. A. Pichler, die Theologie des L., München 1869 -70 Jos. Durdik, L. u. Newton, Halle 1869. Otto Caspari, L.'s Philosophie, Leipzig 1870 (69). Edmund Pfleiderer, G. W. L. als Patriot, Staatsmann und Bildungsträger, Leipz. 1870 (69), L. als Verf. von zwölf anonymen meist deutsch-polit. Flugschriften nachgewiesen, Leipz. 1870. Ad. Brennecke, L.'s Beweise für das Dasein Gottes, in: philos. Monatsh. V, 1870, S. 42—63.)

Ueber L. und die L.'sche Schule, besonders mit Rücksicht auf Kant's Kritik, handelt der Leibnitianer W. L. G. Frhr. von Eberstein, Versuch einer Geschichte der Logik und Metaphysik bei den Deutschen von Leibnitz bis auf die gegenwärtige Zeit, Halle 1794-99.

Eine Gesammtausgabe der Werke Vico's ist Neap. 1835, Mailand 1837 erschienen. Neuerdings sind Scritti inediti durch G. del Giudice, Neapel 1862, veröffentlicht worden. Ueber Vico handeln u. A.: Joseph Ferrari in der Einl zu der Ausg. der Werke Vico's, Mailand 1837; vgl. Ferrari, Vico et l'Italie, Paris 1839; Cantoni, Vico, Turin 1867.

Vgl. über die frühere Zeit die oben (S. 108) angeführte Schrift von K. G. Ludovici, ausführlicher Entwurf einer vollständigen Historie der L.'schen Philosophie, 2. Aufl., Leipz. 1737, ferner dessen Sammlung und Auszüge der sämmtlichen Streitschriften wegen der Wolff'schen Philosophie, Leipz. 1737, neueste Merkwürdigkeiten der Leibnitz-Wolff'schen Philosophie, Leipz. 1738, und über die Zeit bis gegen das Ende des 18. Jahrhunderts die unten wiederum zu erwähnenden, besonders auf den Kampf zwischen dem Leibnizianismus und Kantianismus bezüglichen Preisschriften von Joh. Christoph Schwab, C. L. Reinhold und Joh. Heinr. Abicht über die Frage: Welche Fortschritte hat die Metaphysik seit Leibnitzens und Wolff's Zeiten in Deutschland gemacht? Berlin 1796. Ausser den Darstellungen in Werken, die eigens auf die Geschichte der Philosophie gehen, sind hinsichtlich der Beziehung der Philosophie zur allgemeinen Bildung manche Darstellungen der deutschen Nationallitteratur und daneben besonders Schlossers Gesch. des 18. Jahrhunderts und auch Frank's Gesch. der protest. Theologie, 2. Theil, Leipz. 1865 und ähnliche Werke zu vergleichen.

Ueber den Mathematiker Jacob Bernouilli (dessen Bruder Johann B. sein Schüler und Gegner war) handelt Giesel im Progr. der Realsch. zu Leer, 1869. Ueber Wolff's Leben handeln u. A.: Joh. Chr. Gottsched, histor. Lobschrift auf Christian Freiherrn von Wolff, Halle 1755; F. W. Kluge, Chr. v. Wolff, der Philosoph, Breslau 1831; eine Selbstbiographie W.'s hat Wuttke, Leipz. 1841, herausgegeben. Ueber W.'s Vertreibung aus Halle handelt Ed. Zeller in: Preuss. Jahrb. X, 1862, S. 47 ff, wiederabg. in Zeller's Vortr. u. Abh. geschichtlichen Inhalts, Leipz. 1865, S. 108-139.

Mendelssohn's sämmtliche Werke hat sein Enkel Geo. Benj. M. in 7 Bänd., Leipz. 1843-44 mit biogr. Einleitung herausgegeben. Ueber Mendessohn's philos. u. relig. Grundsätze handelt Kayserling, Leipz. 1856, und in der Biographie, Leipz. 1862; üb. sein Verhältniss z. Christenth. handelt C. Avenfeld, Erlangen 1867, üb. seine Stellung in der Gesch. der Aesthetik Gustav Kanngiesser, Frankf. a. M. 1868, üb. sein Leben, s. Werke und s. Einfluss auf den heutigen Judaismus Moses Schwab, Paris 1868, auch Arnold Bodek in seiner Ausg. der M.'schen Schriften Phädon und Jerusalem, in der Bibl. der deutsch. Nat.-Litt. des 18. und 19. Jahrh., Leipz. 1869; über M. M. und die deutsche Aufklärungsphilos. des 18. Jahrh. handelt R. Q. (uäbicker? in Gelzer's Monatsblättern f. innere Zeitgesch., Band 33, Heft 1, Januar 1869.

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Ueber Lessing vgl. ausser den oben § 9 citirten Schriften insbesondere noch die Schriften über Lessing's Leben und Werke von Danzel und Guhrauer, Leipz. 1850-54, und Ad. Stahr, Berlin 1859 u. ö., ferner Schwarz, Gotthold Ephraim Lessing als Theologe dargestellt, ein Beitrag zur Geschichte der Theol. im 18. Jahrh., Halle 1854. Rob. Zimmermann, Leibnitz und Lessing (aus den Sitzungsberichten der Wiener Akad. d. Wiss.), Wien 1855, auch in Z.'s St. u. Kr. abgedruckt. Eberhard Zirngiebl, der Jacobi - Mendelssohn'sche Streit über Lessing's Spinozismus, Inaug.-Diss., München 1861, Joh. Jacoby, Lessing der Philosoph, Berlin 1863, und dagegen: Lessing's Christenthum und Philosophie (anonym) Berlin 1863. C. Hebler, Lessing-Studien, Bern 1862; philos. Aufs., Leipz. 1869, S. 79 ff L. Crouslé, L. et le goût français en Allemagne, Paris 1863. Dietsch, über L. als Philolog, in: Verh. der 22. Philol.-Vers., Leipz. 1864. Kuno Fischer, L.'s Nathan der Weise, Stuttgart 1864. D. F. Strauss, L.'s Nathan der Weise, Berlin 1864. Wilh. Dilthey, über Gotthold Ephraim Lessing, in den Preuss. Jahrb. Bd. 19, 1867, in Heft 2 und 3; Constantin Rössler, neue Lessingstudien: die Erziehung des Menschengeschlechts, ebd Bd. 20, Heft 3, Sept. 1867; Dilthey, zur Seelenwanderungslehre Lessings, ebd. im Octoberheft. E. Fontanes, le Christianisme moderne, études sur Lessing, Paris 1867. J. F. T. Gravemann, über Lessings Laokoon, Promotionsschr., Rostock 1867. Victor Cherbuliez, L., in: Revue des deux mondes, t. 73, 1868, S. 78 - 121 und S. 981-1024. Ed. Zeller, Lessing als Theolog, in: hist. Zeitschr. h. v. Heinr. v. Sybel, Jahrg. XII, 1870, S. 343-383. (Zeller zeigt die Aussichtslosigkeit des Versuches, „Vertheidigungsgründe für eine supranaturalische Apologetik bei Lessing zu bringen“, weist die gemeinsame Grundlage nach, auf der Lessing's Ansicht von der Religion mit der Ansicht der gleichzeitigen „Aufklärung" trotz des scharfen Widerspruchs Lessing's gegen die Oberflächlichkeit der Aufklärer und besonders gegen ihr unhistorisches, exclusiv polemisches Urtheil über die Orthodoxie beruht, thut aber auch dar, dass Lessing mit dem Spinozismus nur, wie Leibnitz selbst, Berührungspunkte hatte, besonders vermöge seines Determinismus, ohne jedoch Spinozist zu sein. „Wer in der ganzen Geschichte der Menschheit einen göttlichen Weltplan sieht, wer alles auf den Zweck der Vervollkommnung der Wesen bezieht, wer das Recht der individuellen Eigenthümlichkeit und Entwicklung so lebhaft vertheidigt, die endlose Fortdauer des Individuums so wenig bezweifelt, und selbst eine so scharf ausgeprägte, so subjectiv zugespitzte Individualität ist, wie Lessing: der mag von Sp. noch so viel gelernt haben, ein Spinozist kann er nicht genannt werden.")

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Gottfried Wilhelm Leibnitz (Lubenie cz) wurde zu Leipzig am 21. Juni (alten Stils 1. Juli neuen Stils) 1646 geboren. Sein Vater, Friedrich L., ein Jurist, seit 1640 Professor der Moralphilosophie zu Leipzig, starb bereits 1652. Auf der Nicolaischule und auf der Leipziger Universität, welche er zu Ostern 1661 bezog, war der besonders um die Geschichte der alten Philosophie verdiente Jacob Thomasius (geb. zu Leipzig 1622, gest. 1684, der Vater des berühmten Juristen und Rechtsphilosophen Christian Thomasius) der bedeutendste. Ohne Aristoteles und die Scholastiker, wie auch Plato und Plotin, gering zu achten, fand er doch vollere Befriedigung bei Descartes; später näherte er sich jenen wiederum an. Leibnitz vertheidigte im Mai 1663 unter dem Vorsitze des Jacob Thomasius eine Abhandlung de principio individui, worin er sich für die nominalistische Doctrin erklärt. Im Sommer 1663 studirte er in Jena, besonders Mathematik unter Erhard Weigel (üb. ihn handelt F. Bartholomäi in d. Ztschr. f. exacte Ph., Bd. 9, Heft 3, 1871). Gegen Ende des Jahres 1664 erschien zu Leipzig sein Specimen difficultatis in jure seu quaestiones philosophicae amoeniores ex

jure collectae, 1666 seine Ars combinatoria. Die juristische Doctorwürde, um die er sich 1666 bewarb, wurde ihm in Leipzig nicht ertheilt, indem man ihn wegen seiner Jugend, um nicht ältere Bewerber um das Doctorat und das daran geknüpfte Anrecht auf Assessorstellen hintanzusetzen, auf eine spätere Promotion verwies, wohl aber in Altdorf, wo er am 5. November 1666 die Abhandlung de casibus perplexis in jure vertheidigte; er verlangt in derselben im Fall einer Unbestimmtheit der positiven Gesetze Entscheidung nach dem Naturrecht. Ohne Neigung zu der akademischen Lehrthätigkeit, die er in Altdorf hätte antreten können, suchte er sich in der nächstfolgenden Zeit durch den Umgang mit hervorragenden Gelehrten und Staatsmännern weiter auszubilden. In Nürnberg kam er mit Alchymisten in Berührung. Am wichtigsten ward für ihn die Verbindung mit dem Freiherrn Johann Christian von Boineburg, der bis zum Jahr 1664 erster geheimer Rath (Minister) des Kurfürsten Johann Philipp von Mainz gewesen war und immer noch grossen Einfluss besass. Leibnitz widmete dem Kurfürsten die (von ihm auf der Reise von Leipzig nach Altdorf 1666 verfasste) Schrift: Methodus nova discendae docendaeque jurisprudentiae, cum subjuncto catalogo desideratorum in jurisprudentia, Francof. 1667. Bei dem Catalogus desideratorum leitete ihn Baco's Vorgang in der Schrift de augmentis scientiarum. Eine von Leibnitz 1668 verfasste Abhandlung gegen den Atheismus erschien unter dem Titel: Confessio naturae contra atheistas mit des Spizelius Epistola ad Ant. Reiserum de eradicando atheismo, Aug. Vindel. 1669. Mit dem Mainzischen Hofrath Herm. Andreas Lasser arbeitete Leibnitz 1668 und 69 an einer Verbesserung des Corpus juris. Von des Nizolius Schrift de veris principiis et vera ratione philosophandi contra pseudo - philosophos, Parma 1553 (s. oben § 3, S. 13) besorgte Leibnitz, durch Boineburg veranlasst, eine neue Ausgabe mit Anmerkungen und Abhandlungen (insbesondere einer diss. de stilo philosophico Marii Nizolii), welche Francf. 1670, auch 1674 erschien. Durch Boineburg, der, selbst ein zum Katholicismus übergegangener Protestant, schon im Jahr 1660 zu Rom für eine Wiedervereinigung der Protestanten mit den Katholiken thätig war, wurde Leibnitz ́bereits während seines Aufenthaltes in Mainz für die Reunionsbestrebungen gewonnen, welche vor Allen Royas de Spinola (gest. 1695) mit Eifer betrieb, doch nahm erst später Leibnitz an denselben einen wesentlich mit eingreifenden Antheil. Auf Boineburg's Wunsch schrieb Leibnitz seine Defensio trinitatis per nova reperta logica contra epistolam Ariani 1669, worin er mehr die Argumente des Socinianers Wissowatius zu widerlegen, als einen positiven Gegenbeweis zu führen sucht. Im Sommer 1670 wurde L. Rath am Ober- Revisionscollegium, dem höchsten Gerichtshof des Kurfürstenthums. Im März 1672 trat er eine Reise nach Paris und London an. Nach London reiste er im Januar 1673, kam im März desselben Jahres nach Paris zurück, wo er bis zum October 1676 verweilte, eine Zeitlang als Erzieher von Boineburg's Sohne. In Paris erhielt L. im Jahr 1676 von dem Herzog Johann Friedrich von Braunschweig - Lüneburg und Hannover eine Ernennung zum Bibliothekar in Hannover. Er reiste aus Frankreich über London und Amsterdam nach Hannover, wo er im December 1676 seine Stelle antrat. Unter den Gelehrten, mit denen ihn der Aufenthalt im Auslande in Verbindung brachte, sind die bedeutendsten: in Paris der Cartesianer Arnauld, der holländische Mathematiker und Physiker Huygens, der deutsche Mathematiker und Logiker Walther von Tschirnhausen, durch den er mit philosophischen Sätzen Spinoza's und vielleicht auch, falls wirklich Tsch. ihm den von Newton an Collins gerichteten Brief vom 10. December 1672 über Barrow's Tangentenmethode mitgetheilt hat, mit mathematischen, auf die Fluxionsrechnung bezüglichen Theoremen Newton's bekannt wurde, in London der auch mit Spinoza befreundete Secretär

der Akademie der Wissenschaften Oldenburg, der Chemiker Boyle, ferner der Mathematiker Collins (den er jedoch erst 1676 sah); durch Oldenburgs Vermittlung hat Leibnitz auch mit Newton, der damals in Cambridge war, Briefe gewechselt; bei der Durchreise durch Holland hat Leibnitz Spinoza besucht, mit dem er schon im October 1671 über eine optische Frage correspondirt hat. Bei seinem ersten Aufenthalt in Paris im Jahr 1672 legte Leibnitz Ludwig dem XIV. den Rath zur Eroberung Aegyptens vor, wodurch Frankreichs Macht gemehrt, zugleich aber sein Interesse von den deutschen Angelegenheiten abgelenkt werden und auch die damals immer noch beträchtliche Macht der Türken gebrochen werden sollte. Ein kurzer Entwurf dieses (von Boineburg ausgegangenen) Planes wurde bereits gegen das Ende des Jahres 1671 nach Paris gesandt, von L. verfasst unter dem Titel: Specimen demonstrationis politicae: de eo, quod Franciae intersit inpraesentiarum seu de optimo consilio, quod potentissimo Regi dari potest; concluditur expeditio in Hollandiam Orientis seu Aegyptum (veröffentlicht von Onno Klopp in dessen Ausg. L.'scher Werke, I. Reihe, 2. Band, S. 100 ff.); daran schlossen sich: de expeditione Aegyptiaca regi Franciae proponenda justa dissertatio (die Hauptschrift), und die gedrängtere Darstellung: Consilium Aegyptiacum. (Von der „Justa dissertatio hat 1799 das englische Ministerium sich eine Abschrift von Hannover aus senden lassen, woraus 1803 in einer englischen Brochüre ein Auszug erschien; von dem Consilium Aegyptiacum hat 1803 der französische General Mortier eine Abschrift in Hannover sich geben lassen und nach Paris gesandt, wonach ein Abdruck 1839 in Guhrauer's Schrift: Kurmainz in der Epoche von 1672, erfolgt ist, die grössere Denkschrift ist unvollständig durch Foucher de Careil im V. Bande seiner Ausgabe, vollständig zuerst durch Onno Klopp in seiner Ausg. L.'scher Werke 1864 veröffentlicht worden.)

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Newton hatte bereits seit 1665 und 1666 die von ihm sogenannte „Arithmetik der Fluxionen" erfunden und bald nachher nach ihrer Grundlage und in der Anwendung auf das Tangentenproblem theils durch eine im Jahr 1671 verfasste Abhandlung, theils und besonders durch einen Brief an J. Collins vom 10. Dec. 1672 Einzelnen mitgetheilt, veröffentlichte dieselbe aber erst in seinem 1686 beendeten, 1687 erschienenen grossen Werke: Principia mathematica philosophiae naturalis. Im Jahre 1676 gelangte Leibnitz (vielleicht nicht ganz unabhängig von Newtonschen Andeutungen) zu seiner mit Newton's Fluxionencalcul sachlich übereinkommenden, formell aber vollkommeneren, Differentialrechnung“; er veröffentlichte seine Erfindung zuerst 1684 im November in den Acta eruditorum" durch den Aufsatz: Nova methodus pro maximis et minimis. Sowohl bei dem Newton'schen, wie bei dem Leibnitzischen Verfahren handelt es sich der Sache nach um die Bestimmung des Grenzwerthes, dem das Verhältniss der Zunahmen zweier veränderlichen Grössen, deren eine von der andern abhängig oder eine „,Function“ derselben ist, sich immer mehr nähert, je kleiner diese Zunahmen werden, dann auch umgekehrt (in der sogenannten „Integralrechnung“), wenn dieser Grenzwerth gegeben ist, um den Rückschluss auf die Art der Abhängigkeit der einen Grösse von der andern. Newton nannte die stetig veränderlichen Grössen,,fliessende“ (fluentes), die (unendlich kleinen) augenblicklichen Differenzen aber ,,Momente", die er als principia jamjam nascentia finitarum magnitudinum" bezeichnet, und den Grenzwerth der Verhältnisse der Veränderungen (,,prima nascentium proportio"),,Fluxion"; Leibnitz nannte die Differenzen je zweier Werthe einer veränderlichen Grösse, sofern diese Differenzen als unendlich klein oder verschwindend (in's Unendliche abnehmend) gedacht werden, Differentialien und den Grenzwerth, dem sich das Verhältniss zwischen den Differenzen der einen und denen der andern Grösse bei unendlicher Verkleinerung dieser Differenzen immer mehr

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