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Dritte Periode der Philosophie der christlichen Zeit.

Die Philosophie der Neuzeit.

§ 1. Die Philosophie der Neuzeit ist die Philosophie seit

der Aufhebung des (die Scholastik charakterisirenden) Dienstverhältnisses gegen die Theologie, in ihrem stufenweisen Fortgange zur freien, durch die vorangegangenen Bildungsformen bereicherten und vertieften, mit der gleichzeitigen positiv-wissenschaftlichen Forschung und dem socialen Leben in Wechselwirkung stehenden Erkenntniss des Wesens und der Gesetze der Natur und des Geistes. Ihre Hauptabschnitte sind: 1. die Uebergangszeit seit der Erneuerung des Platonismus, 2. die Zeit des Empirismus, Dogmatismus und Skepticismus von Baco und Descartes bis auf die Encyclopädisten und Hume, 3. die Zeit des Kantischen Kriticismus und der aus demselben hervorgegangenen Systeme, von Kant bis zur Gegenwart.

Ueber die Philosophie der Neuzeit handeln ausser den Verfassern der umfassenden, Theil I, § 4 (4. Aufl. S. 8 ff.) citirten Geschichtswerke (Brucker, Tiedemann, Buhle in seinem Lehrbuch der Gesch. der Philosophie, Tennemann, Ernst Reinhold, Ritter, Hegel u. A.) insbesondere Folgende:

Joh. Gottl. Buhle, Geschichte der neueren Philosophie seit der Epoche der Wiederherstellung der Wissenschaften, Göttingen 1800-1805. Bildet die sechste Abtheilung der „,Geschichte der Künste und Wissenschaften seit der Wiederherstellung derselben bis an's Ende des achtzehnten Jahrhunderts", Göttingen 1796—1819.) Immanuel Hermann Fichte, Beiträge zur Charakteristik der neuern Philosophie, Sulzbach 1830, 2. Aufl. ebd. 1841.

Joh. Ed. Erdmann, Versuch einer wissenschaftlichen Darstellung der Geschichte der neuern Philosophie, Riga und Leipzig 1834-53; vergl. den zweiten Band von Erdmann's Grundriss der Geschichte der Philosophie, Berlin 1866, 2. Aufl. ebd. 1870.

Histoire de la philosophie allemande depuis Leibniz jusqu'à nos jours par le baron Barchou de Penhoën, Paris 1836.

Hermann Ulrici, Geschichte und Kritik der Principien der neuern Philosophie, Leipzig 1845.

J. N. P. Oischinger, speculative Entwickelung der Hauptsysteme der neuern Philosophie, von Descartes bis Hegel, Schaffhausen 1853-54.

Kuno Fischer, Geschichte der neuern Philosophie, Mannheim und Heidelberg 1854 ff.; 2. Aufl. ebd. 1865 ff.

Ueberweg, Grundriss III. 3. Aufl.

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Carl Schaarschmidt, der Entwickelungsgang der neuern Speculation, als Einleitung in die Philosophie der Geschichte kritisch dargestellt, Bonn 1857.

Ed. Zeller, Gesch. der deutschen Philos. seit Leibniz (in der Gesch. der Wiss. in Deutschland).

Von der Geschichte der Naturphilosophie seit Baco handelt insbesondere Julius Schaller, Leipzig 1841-44. Ueber die Lehren von Raum, Zeit und Mathematik in der neuern Philos. handelt Jul. Baumann, Berlin 1868-69; vgl. auch August Tabulski, über den Einfluss der Mathem. auf die gesch. Entw. d. Philos. bis auf Kant, Jenenser Inaug.-Diss., Leipzig 1868. Ueber die christlichen Mystiker seit dem Reformationszeitalter handelt Ludwig Noack, Königsberg 1853; über die englischen, französischen und deutschen Freidenker handelt derselbe, Bern 1853-55. Ueber die rationalistische Denkart in Europa handelt Will. Edw. Hartpole Lecky, history of the rise and influence of the spirit of rationalism in Europe, 1. u. 2. Aufl., London 1865, 3. Aufl. ebd. 1866 (deutsch: Gesch. d. Aufklärung etc. von Heinr. Jolowicz, 2 Bde.. Leipz. 1867-68, 2. Aufl. 1870–71). Vgl. H. Dean, the history of civilisation, New-York and London 1869. Ueber die Geschichte der Ethik in der Neuzeit handeln insbesondere: J. Matter, hist. des doctrines morales et politiques des trois derniers siècles, Paris 1836; H. F. W. Hinrichs, Gesch. der Rechts- und Staatsprincipien seit der Reformation, Leipz. 1848-52; I. Herm. Fichte, die philos. Lehren von Recht, Staat und Sitte seit der Mitte des 18. Jahrhunderts, Leipz. 1850; F. Vorländer, Gesch. der philos. Moral, Rechts- und Staatslehre der Engländer und Franzosen mit Einschluss des Macchiavell, Marburg 1855; Simon S. Laurie, notes expository and critical on certain british theories of morals, Edinburgh 1868. Auch auf die philosophische Staatslehre geht Robert von Mohl ein in seiner Gesch. u. Litt. d. Staatswissenschaften, in Monographien dargestellt, Bd. I—III, Erlangen 1855–58, und auch J. C. Bluntschli, Gesch. d. allgem. Staatsrechts und der Politik seit dem 16. Jahrhundert bis zur Gegenwart, München 1864 (Gesch. der Wiss. in Deutschland in der neuern Zeit, Bd. I.). Die Gesch. der Aesthetik in Deutschland stellt Herm. Lotze dar im VII. Bande der Gesch. d. Wiss. in Deutschland, München 1868.

Wesentliche Beiträge zur Geschichte der Philosophie enthalten auch mehrere litteraturgeschichtliche Werke, wie die Geschichte der poetischen Nationallitteratur der Deutschen von Gervinus, Hillebrand's Geschichte der deutschen Nationallitteratur seit Lessing, Julian Schmidt's Geschichte des geistigen Lebens in Deutschland von Leibniz bis auf Lessing's Tod, Gesch. der deutschen Litt. seit 1.essing's Tode, Geschichte der franz. Litteratur seit der Revolution im Jahre 1789, Aug. Koberstein's Grundriss der Gesch. der deutschen Nationallitteratur, Herm. Hettner's Litteraturgesch. des 18. Jahrhunderts, ferner Werke über die Geschichte der Pädagogik, wie von Karl v. Raumer, Karl Schmidt u. A., der Staats- und Rechtslehre (s. o.), der Theologie und der Naturwissenschaften, Reichhaltige litterarische Nachweise findet man besonders bei Gumposch, die philos. Litt. der Deutschen von 1400 bis 1850, Regensburg 1851, wie auch in den anderen oben, Theil I, § 4 citirten Schriften. Die bloss auf einzelne Zeitabschnitte, insbesondere auf die neueste Philosophie seit Kant bezüglichen Schriften werden unten Erwähnung finden.

Einheit, Dienstbarkeit, Freiheit sind die drei Verhältnisse, in welche nacheinander die Philosophie der christlichen Zeit zu der kirchlichen Theologie getreten ist. Das Verhältniss der Freiheit entspricht dem allgemeinen Charakter der Neuzeit, welcher in der aus den mittelalterlichen Gegensätzen wiederherzustellenden harmonischen Einheit liegt (vgl. Grdr. I, § 5, und II, § 2). Die Freiheit des Gedankens nach Form und Inhalt wurde von der Philosophie der Neuzeit stufenweise errungen, zuerst unvollkommen mittelst des blossen Wechsels der Autorität durch Anlehnung an Systeme des Alterthums ohne die Umbildung, welche die Scholastik mit dem Aristotelischen vollzogen hatte, dann vollständiger mittelst eigener Erforschung der Natur und endlich auch des geistigen Lebens. Die Uebergangszeit ist die Periode des Aufstrebens zur Selbständigkeit. Die Zeit des Empirismus und Dogmatismus charakterisirt sich durch methodische Forschungen und umfassende Systeme, die auf dem Vertrauen beruhen, mittelst der Erfahrung und des Denkens selbständig zur Erkenntniss der natürlichen und geistigen Wirklichkeit gelangen zu können. Der dritte Abschnitt wird angebahnt durch den Skepticismus und begründet durch den Kriticismus, der die Erforschung

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