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verständliche Sprache, wenn wir nur unsererseits unsere verbildeten Ohren und Herzen wieder auf seine Schlichtheit stimmen könnten. Dahin zielt, darum ringt die vielgeschmähte „moderne Theologie". Die Beseitigung des Dogmas ist ihr nicht Selbst- und Endzweck. Sie ist ihr nur Mittel zu dem eigentlichen, dem höchsten denkbaren Zweck, daß der Weg zu unseren Herzen frei werde für die volle, vollendete Einwirkung des Evangeliums.

Dieses Ziel muß erreicht werden und wird erreicht werden.

Das Herz schlägt höher bei dem Gedanken an die Freude, die denen bevorsteht, von deren Augen die Decke fallen wird. Dann werden wir auch ganz anders noch von der Wahrheit zeugen: freier, freudiger, wirksamer.

Und das tut uns doch eigentlich bitter not.

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Zur Dogmatik.

Von

Julius Kaftan.

C. Einzelne Lehren.

6) Trinitätslehre und Christologie.

Es liegt mir selbstverständlich fern, die beiden in der Ueberschrift genannten Lehren hier nochmals vortragen zu wollen. Lediglich um einige Ergänzungen zu der im Buch gegebenen Auseinandersehung kann und soll es sich handeln. Es sind gerade hier Erwägungen, die ich gern bei der neuen Auflage der Dogmatik dem Buch selbst eingefügt hätte, was aber nicht ohne dessen Charakter zu stören hätte geschehen können. In diesem Auffah wird es sich daher etwas bestimmter als in den früheren geltend machen, daß sie eine Begleitschrift zur neuen Auflage der Dogmatik sind. Vielleicht liegt es in der Natur des Themas, daß das bei der Verhandlung über einzelne Lehren stärker hervortreten muß.

Auf drei Punkte möchte ich nacheinander kurz eingehen, zuerst auf das Verhältnis von Trinitätslehre und Christologie zu einander und dann auf jede der beiden Lehren für sich unabhängig von der andern.

1.

In seiner Glaubenslehre hat Schleiermacher an letter Stelle in einem Schluß" überschriebenen Abschnitt kurz von der

"

Trinitätslehre gehandelt. Dabei ist es ihm mehr als um die Andeutungen für eine Weiterbildung der Lehre, die er gibt, um Betonung dessen zu tun gewesen, daß hier der richtige Ort sei, das Thema zu erörtern. Die zweite Hälfte des zweiten Teils, sagt er, hat von eben dem gehandelt, was in der Ueberlieferung auch in dieser Form, in der der Trinitätslehre, kurz zusammengefaßt gegeben ist. Aber natürlich ist die richtige Sachordnung die, zuerst die einzelnen Gedanken in ihrer konkreten Bedeutung für Frömmigkeit und Glaube zu besprechen und erst zum Schluß ihrer Zusammenfassung in der Trinitätslehre zu gedenken. Nur so hat, was diese besagt, die nicht selbst Ausdruck des Glaubens ist und sein kann, Sinn und einen ihrem Juhalt angemessenen Play im Zusammenhang der Glaubenslehre.

Meines Erachtens ist hiergegen nichts einzuwenden, sobald man die Voraussetzungen für zutreffend hält, von denen Schleiermacher ausgeht. Ihnen zufolge ist das christlich fromme Selbstbewußtsein das eigentliche Thema der Glaubenslehre. Sie bringt dieses mit seinem ihm eigentümlichen Inhalt und weiter wie sich die Welt darin spiegelt und Gott als sein leztes Woher zur Darstellung. Oder -in etwas anderer Wendung sie entwickelt, was sein muß, weil das christlich-fromme Selbstbewußtsein ist. Ob aber so oder so sie geht vom Gegebenen, dem frommen Selbstbewußtsein des Christen, aus und steigt von da auf zu seinen entfernteren Ursachen, handelt von der lezten, höchsten Ursache, von Gott an letzter Stelle. Sie ist eben Reflexion über die subjektive Frömmigkeit und gewinnt ihre Säße aus dieser Reflexion. Da ist dann nicht wohl etwas Anderes möglich, als daß die Trinitätslehre ihren Play am Schluß des Teils angewiesen erhält, der von dem spezifischen konkreten Inhalt der Erlösungsreligion handelt.

Dieselbe grundsätzliche Fassung der Aufgabe hat Schleiermacher dazu veranlaßt, die Lehre von Gott als Lehre von den göttlichen Eigenschaften auf die einzelnen Abschnitte seiner Glaubenslehre zu verteilen. Dagegen ist dann unter seinen Voraussehungen ebensowenig etwas einzuwenden. Es entspricht durchaus der ganzen Anlage der Lehre, wie er sie vorträgt, und den

Grundsätzen, die ihn dabei leiten.

In lezterem hat er nun keine Nachfolger gefunden. Und mit Recht nicht! Gott ist der eigentliche und im letzten Grund einzige Gegenstand des Glaubens. Aller Glaube ist Gottesglaube, alle aus dem Glauben geschöpfte Erkenntnis Gotteserkenntnis. Folglich gehört auch in einer Glaubenslehre die Lehre von Gott ungeteilt an die Spitze des Ganzen. Das hat sich soweit auch bei denen durchgesetzt, die Schleiermachers Spuren folgen, daß es in diesem Punkt bei der alten Regel und Anordnung geblieben ist.

Eben darin zeigt sich aber, daß die oben erwähnten Voraussetzungen und Grundsätze Schleiermachers irrig sind. Wir haben nicht Reflexionen über die subjektive Frömmigkeit vorzutragen, sondern die christliche Glaubenserkenntnis darzustellen, die dem eben Gesagten zufolge in erster Linie Gotteserkenntnis ist. Hiervon handle ich nicht nochmals, im Buch ist immer wieder davon die Rede, und der zweite dieser Aufsätze hat sich ausführlicher mit der Sache befaßt.

Wenn aber, dann muß auch die Folgerung für die Trinitätslehre gezogen werden. Gibt es eine solche Lehre, dann ist sie jedenfalls ein Bestandteil der christlichen Lehre von Gott und gehört folglich in das erste Hauptstück der Dogmatik, das von Gott handelt. Entweder oder! Entweder hat Schleiermacher Recht, dann muß man in allen Stücken, was die Lehre von Gott betrifft, seinem Vorbild folgen. Oder wenn seine methodischen Grundsäße der Wahrheit nicht entsprechen, dann ist auch seine Behandlung der Trinitätslehre, die Stellung derselben an den Schluß des Ganzen, irrig.

So scheint es wenigstens! Manche Dogmatiker jedoch folgen in diesem Punkt seinem Beispiel, obwohl sie es in den andern Teilen der Lehre von Gott nicht tun. Von der Voraussetzung aus, daß es so das Richtige sei, ist auch gegen meine Darstellung der Einwand erhoben worden, daß es ihrem ganzen Tenor nicht entspreche, die Trinitätslehre voranzustellen und die Christologie erst weiterhin zu behandeln. In der Christologie und Soteriologie fommt nämlich zur Sprache, wovon man meint, daß es vor

der Trinitätslehre erörtert werden müsse. Und da nun die Soteriologie in der alten Form bei mir wegfällt, der Stoff derselben, der für die Trinitätslehre in Betracht kommt, in die Lehre vom Werk Christi, also in die Christologie aufgenommen ist, so hat der Einwand folgerichtig die eben angegebene Form erhalten. So überzeugt sind also manche Dogmatiker von der Notwendigkeit, die Trinitätslehre an zweiter Stelle zu behandeln, daß sie es geradezu als einen Fehler betrachten, wenn es nicht geschieht.

Allerdings, gegen die alte Form des dogmatischen Systems wird der gleiche Einwand nicht erhoben. Ihr scheint es vielmehr angemessen zu sein, die Trinitätslehre voranzustellen. Wo aber wie in meinem Buch die Reform der Dogmatik durch Schleiermacher anerkannt und dessen Arbeit fortzusehen versucht wird, da soll es in Widerspruch mit den sonst befolgten methodischen Grundsägen stehen, wenn bei der Einordnung der Trinitätslehre in das Ganze das alte dogmatische System zum Muster genommen wird.

Diesen Einwand vermag ich jedoch nicht als richtig anzuerkennen. In dem Punkt, der da in Betracht kommt, habe ich die methodischen Grundsähe Schleiermachers niemals anerkannt, auch nirgends befolgt, sondern seit mehr als 20 Jahren bei jedem. Anlaß nachdrücklich bekämpft. Ich habe eben stets und auch in diesen Aufsätzen wieder (XIII, 132) die Ansicht vertreten, Schleiermachers Reform der Glaubenslehre werde nur durchgeführt und zu allgemeiner Anerkennung gebracht werden können, wenn auch in ihr zu voller Geltung komme, daß es sich um Gotteserkenntnis handle und daß, was sonst in der Dogmatik vorgetragen. werde, durch die Gotteserkenntnis seinen Charakter erhalte. Dazu gehört dann aber auch, daß die Trinitätslehre ihren alten Plah behält. Ja, daß es geschieht, wird die Probe aufs Exempel sein. Wenn es in meiner Dogmatik der Fall ist, steht das daher nicht in Widerspruch mit den von mir befolgten methodischen Grundsätzen, sondern sie kommen darin zu einem besonders deutlichen Ausdruck.

Man wird entgegenhalten, die Trinitätslehre sei ein zusammenfassendes Dogma, es müsse also vor ihr selbst zur Erörterung

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