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den Menschen durch ihre Vortrefflichkeit in den Wetteifer der Speculation, welche ohne Unterschied klügelt und entscheidet, lehrt oder widerlegt, wie es die Scheineinsicht jedesmal mit sich bringt. Wenn diese Nachforschung aber in Philosophie ausschlägt, die über ihr eigenes Verfahren urtheilt, und die nicht die Gegenstände allein, sondern deren Verhältniß zu dem Verstande des Menschen kennt, so ziehen sich die Grenzen enger zusammen, und die Marksteine werden gelegt, welche die Nachforschung aus dem eigenthümlichen Bezirke niemals mehr ausschweifen lassen. (VII, 1. Abthl., 101 fg.)

Durch Kritik wird unserem Urtheil der Maaßstab zu= getheilt, wodurch Wissen und Scheinwissen mit Sicherheit unterschieden werden kann, und diese gründet dadurch, daß sie in der Metaphysik in ihre volle Ausübung gebracht wird, eine Denfungsart, die ihren wohlthätigen Einfluß nachher auf jeden andern Vernunftgebrauch erstreckt und zuerst den wahren philosophischen Geist einflößt. (III, 165.)

So viel ist gewiß: wer einmal Kritik gekostet hat, den ekelt auf immer alles dogmatische Gewäsche, womit er vorher aus Noth vorlieb nahm, weil seine Vernunft Etwas be= durfte und nichts Besseres zu ihrer Unterhaltung finden fonnte. Die Kritik verhält sich zur gewöhnlichen Schulmetaphysik gerade wie Chemie zur Alchemie, oder wie Astronomie zur wahrsagenden Astrologie. (III, 143.)

Verschiedene Arten zu philosophiren, und zu den ersten Vernunftprincipien zurückzugehen, um darauf, mit mehr oder weniger Glück, ein System zu gründen, hat es nicht allein

gegeben, sondern es mußte viele Versuche dieser Art, deren jeder auch um die gegenwärtige ein Verdienst hat, geben; aber, da es doch, objectiv betrachtet, nur Eine menschliche Vernunft geben kann: so kann es auch nicht viel Philosophien geben, d. i. es ist nur Ein wahres System derselben aus Principien möglich, so mannigfaltig und oft widerstreitend man auch über einen und denselben Say philosophirt haben mag. So sagt der Moralist mit Recht: es giebt nur Eine Tugend und Lehre derselben, d. i. ein einziges System, das alle Tugendpflichten durch ein Princip verbindet; der Chymist: es giebt nur Eine Chemie (die nach Lavoisier); der Arzneilehrer: es giebt nur Ein Princip zum System der Krankheitseintheilung (nach Brown), ohne doch darum, weil das neue System alle andern ausschließt, das Verdienst der ältern (Moralisten, Chemiker und Arzneilehrer) zu schmälern; weil ohne dieser ihre Entdeckungen, oder auch mißlungene Versuche, wir zu jener Einheit des wahren Princips der ganzen Philosophie in einem System nicht ge= langt wären. Wenn also Jemand ein System der Philosophie als sein eigenes Fabricat ankündigt, so ist es eben so viel, als ob er sage: „vor dieser Philosophie sey gar keine andere noch gewesen." Denn wollte er einräumen, es wäre eine andere (und wahre) gewesen', so würde es über dieselben Gegenstände zweierlei wahre Philosophien gegeben haben, welches sich widerspricht. Wenn also die kritische Philosophie sich als eine solche ankündigt, vor der es überall noch keine Philosophie gegeben habe, so thut sie nichts anders, als was alle gethan haben, thun werden, ja thun müssen, die eine Philosophie nach ihrem eigenen Plane entwerfen. (IX, 5 fg.)

Consequent zu seyn ist die größte Obliegenheit eines Philosophen, und wird doch am Seltensten angetroffen. Die alten Griechischen Schulen geben uns davon mehr Bei

spiele, als wir in unserm synkretistischen Zeitalter antreffen, wo ein gewisses Coalitionssystem widersprechender Grundsätze voll Unredlichkeit und Seichtigkeit erkünftelt wird, weil es sich einem Publicum besser empfiehlt, das zu= frieden ist, von Allem Etwas, und im Ganzen Nichts zu wissen, und dabei in allen Sätteln gerecht zu seyn. (VIII, 132 fg.)

Natur.

Alles in der Natur, sowohl in der leblosen als auch in der belebten Welt, geschieht nach Regeln, ob wir gleich diese Regeln nicht immer kennen. - Das Wasser fällt nach Gesetzen der Schwere, und bei Thieren geschieht die Bewegung des Gehens auch nach Regeln. Der Fisch im Wasser, der Vogel in der Luft bewegt sich nach Regeln. Die ganze Natur überhaupt ist eigentlich nichts anders, als ein Zusammenhang von Erscheinungen nach Regeln; und es giebt überall keine Regellosigkeit. Wenn wir eine solche zu finden meinen, so können wir in diesem Falle nur sagen, daß uns die Regeln unbekannt sind. (III, 169.)

In dem Verfahren der gereinigten Weltweisheit herrscht eine Regel, die, wenn sie gleich nicht förmlich gesagt, dennoch in der Ausübung jederzeit beobachtet wird: daß in aller Nachforschung der Ursachen zu gewissen Wirkungen man eine große Aufmerksamkeit bezeigen müsse, die Einheit der Natur so sehr wie möglich zu erhalten, d. i. vielerlei Wirkungen aus einem einzigen schon bekannten Grunde herzuleiten und nicht zu verschiedenen. Wirkungen wegen einiger scheinbaren größeren Unähnlichkeit sogleich neue und verschiedene wirkende Ursachen anzunehmen. Man präsumirt demnach, daß in der

Natur große Einheit sey in Ansehung der Zulänglichkeit eines einigen Grundes zu mancherlei Art Folgen, und glaubt Ursache zu haben, die Vereinigung einer Art Erscheinungen mit denen von anderer Art mehrentheils als etwas Nothwendiges und nicht als eine Wirkung einer künstlichen und zufälligen Ordnung anzusehen. Wie vielerlei Wirkungen werden nicht aus der einigen Kraft der Schwere hergeleitet, dazu man ehedem verschiedene Ursachen glaubte nöthig zu finden: das Steigen einiger Körper und das Fallen anderer. Die Wirbel, um die Himmelskörper in Kreisen zu erhalten, find abgestellt, sobald man die Ursache derselben in jener einfachen Naturkraft gefunden hat. Man präsumirt mit großem Grunde: daß die Ausdehnung der Körper durch die Wärme, das Licht, die elektrische Kraft, die Gewitter, vielleicht auch die magnetische Kraft vielerlei Erscheinungen einer und eben derselben wirksamen Materie, die in allen Räumen ausgebreitet ist, nämlich des Aethers sey, und man ist über= haupt unzufrieden, wenn man sich genöthigt sieht, ein neues Principium zu einer Art Wirkungen anzunehmen. Selbst da, wo ein sehr genaues Ebenmaaß eine besondere künstliche Anordnung zu erheischen scheint, ist man geneigt, sie dem nothwendigen Erfolg aus allgemeinern Gesetzen beizumessen und noch immer die Regel der Einheit zu beobachten, ehe man eine künstliche Verfügung zum Grunde setzt. Die Schneefiguren sind so regelmäßig und so weit über alles Plumpe, das der blinde Zufall zuwege bringen kann, zierlich, daß man fast ein Mißtrauen in die Aufrichtigkeit derer setzen sollte, die uns Abzeichnungen davon gegeben haben, wenn nicht ein jeder Winter unzählige Gelegenheit gäbe, einen Jeden durch eigene Erfahrung davon zu versichern. Man wird wenig Blumen antreffen, welche, so viel man äußerlich wahrnehmen kann, mehr Nettigkeit und Proportion_zeig= ten, und man sieht gar nichts, was die Kunst hervorbringen kann, das da mehr Richtigkeit enthielte, als diese Erzeugungen, die die Natur mit so viel Verschwendung über die Erdfläche

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