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begriffe beizubringen suchen. Doch muß dies nicht Ge= dächtnißwerk, bloße Nachahmung und alleiniges Affenwerk seyn, sondern der Weg, den man wählt, muß immer der Natur angemessen seyn. Kinder werden, auch ohne abstracte Begriffe von Pflicht, von Verbindlichkeiten, von Wohl- oder Uebelverhalten zu haben, einsehen, daß ein Gesetz der Pflicht vorhanden sey, daß nicht die Behaglichkeit, der Nußen und dergl. fie bestimmen solle, sondern etwas Allgemeines, das sich nicht nach den Launen der Menschen richtet. Der Lehrer selbst aber muß sich diesen Begriff machen.

Zuvörderst muß man alles der Natur, nachher diese selbst aber Gott zuschreiben, wie z. E. erstlich Alles auf Erhaltung der Arten und deren Gleichgewicht angelegt wor= den, aber von weitem zugleich auch auf den Menschen, damit er sich selbst glücklich mache.

Der Begriff von Gott dürfte am besten zuerst analo= gisch mit dem des Vaters, unter dessen Pflege wir sind, deutlich gemacht werden, wobei sich dann sehr vortheilhaft auf die Einigkeit der Menschen, als in einer Familie, hinweisen läßt.

Verbindet man Religion nicht mit Moralität, so wird Religion blos zur Gunstbewerbung. Lobpreisungen, Gebete, Kirchengehen sollen nur dem Menschen neue Stärke, neuen Muth zur Besserung geben, oder der Ausdruck eines von der Pflichtvorstellung beseelten Herzens seyn. Sie sind nur Vorbereitungen zu guten Werken, nicht aber selbst gute Werke, und man kann dem höchsten Wesen nicht anders gefällig werden, als dadurch, daß man ein besserer Mensch werde.

Zuerst muß man bei dem Kinde von dem Gefeße, das es in sich hat, anfangen. Der Mensch ist sich selbst ver= achtungswürdig, wenn er lasterhaft ist. Dieses ist in ihm selbst gegründet, und er ist es nicht deswegen erst, weil Gott das Böse verboten hat.

Man muß nicht von der Theologie anfangen.

Die

Religion, die blos auf Theologie gebaut ist, kann niemals etwas Moralisches enthalten. Man wird bei ihr nur Furcht auf der einen, und lohnsüchtige Absichten und Gesinnungen auf der andern Seite haben, und dies giebt dann blos einen abergläubischen Cultus ab. Moralität muß also vorhergehen, die Theologie ihr dann folgen, und das heißt Religion.

Wenn die Religion nicht zur moralischen Gewissenhaftigkeit hinzukommt: so ist sie ohne Wirkung. Religion, ohne moralische Gewissenhaftigkeit, ist ein abergläubischer Dienst. Man will Gott dienen, wenn man z. E. ihn lobt, seine Macht, seine Weisheit preist, ohne darauf zu denken, wie man die göttlichen Gesetze erfülle, ja, ohne einmal seine Macht, Weisheit u. s. w. zu kennen, und denselben nachzuspüren. Diese Lobpreisungen sind ein Opiat für das Gewissen solcher Leute, und ein Polster, auf dem es ruhig schlafen soll.

Kinder können nicht alle Religionsbegriffe faffen, einige aber muß man ihnen dessenungeachtet beibringen; nur müssen diese mehr negativ, als positiv seyn. Formeln von Kindern herbeten zu lassen, das dient zu nichts, und bringt nur einen verkehrten Begriff von Frömmigkeit hervor. Die wahre Gottesverehrung besteht darin, daß man nach Gottes Willen handelt, und dies muß man den Kindern beibringen.

Durch eine vereinigte Deutlichmachung des Begriffes von Gott und der Pflicht lernt das Kind um so besser die göttliche Vorsorge für die Geschöpfe respectiren, und wird dadurch vor dem Hange zur Zerstörung und Grausamkeit bewahrt, der sich so vielfach in der Marter kleiner Thiere äußert. Zugleich sollte man die Jugend auch anweisen, das Gute in dem Bösen zu entdecken, z. B. Raubthiere, Insecten sind Muster der Reinlichkeit und des Fleißes. Böse Menschen ermuntern zum Geseze. Vögel, die den Würmern nachstellen, sind Beschüßer des Gartens u. s. w.

J. Kant.

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Man muß den Kindern also einige Begriffe von dem höchsten Wesen beibringen, damit sie, wenn sie Andere beten sehen u. f. w., wissen mögen, gegen wen und warum dies geschieht. Diese Begriffe müssen aber nur wenige an der Zahl, und, wie gesagt, nur negativ seyn. Man muß sie ihnen aber schon von früher Jugend an beizubringen an= fangen, dabei aber ja dahin sehen, daß sie die Menschen nicht nach ihrer Religionsobservanz schätzen, denn ungeachtet der Verschiedenheit der Religionen giebt es doch überall Einheit der Religion. (IX, 431-434.)

Druck von F. A. Brockhaus in Leipzig.

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