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Lichtstrahlen.

Erkenntniß und Wissenschaft.

Es giebt drei Arten oder Modi des Fürwahrhaltens: Meinen, Glauben und Wissen. Das Meinen ist ein problematisches, das Glauben ein assertorisches und das Wissen ein apodiktisches Urtheilen. So wäre z. B. unser Fürwahrhalten der Unsterblichkeit blos problematisch: wofern wir nur so handeln, als ob wir unsterblich wären; assertorisch aber, sofern wir glauben, daß wir unsterblich sind; und apodiktisch endlich, sofern wir Alle wüßten, daß es ein anderes Leben nach diesem giebt. Zwischen Meinen, Glauben und Wissen findet demnach ein wesentlicher Unterschied statt.

1. Das Meinen oder Fürwahrhalten aus einem Erkenntnißgrunde, der weder subjectiv noch objectiv hinreichend ist, kann als ein vorläufiges Urtheilen angesehen werden, dessen man nicht leicht entbehren kann. Man muß erst meinen, ehe man annimmt und behauptet, sich dabei aber auch hüten, eine Meinung für etwas mehr, als bloße Meinung zu halten. Vom Meinen fangen wir größtentheils bei allem unserm Erkennen an. Zuweilen haben wir ein dunkles Vorgefühl von der Wahrheit; eine Sache scheint uns Merkmale der Wahrheit zu enthalten; wir ahnen ihre Wahrheit schon, noch ehe wir sie mit bestimmter Gewißheit erkennen.

2. Das Glauben oder das Fürwahrhalten aus einem Grunde, der zwar objectiv unzureichend, aber subjectiv zureichend ist, bezieht sich auf Gegenstände, in Ansehung derer man nicht allein nichts wissen, sondern auch nichts meinen, ja auch nicht einmal Wahrscheinlichkeit vorwenden, sondern blos gewiß seyn kann, daß es nicht widersprechend ist, sich dergleichen Gegenstände so zu denken, wie man sie sich denkt. Das Uebrige hierbei ist ein freies Fürwahrhalten, welches nur in praktischer a priori gegebener Absicht nöthig ist, also ein Fürwahrhalten dessen, was ich aus moralischen Gründen annehme, und zwar so, daß ich gewiß bin, das Gegentheil könne nie bewiesen werden. *)

Das

Nur solche Gegenstände sind Sachen des Glaubens, bei denen das Fürwahrhalten nothwendig frei, d. h. nicht durch objective, von der Natur und dem Interesse des Subjects unabhängige Gründe der Wahrheit bestimmt ist. Glauben giebt daher auch wegen der blos subjectiven Gründe keine Ueberzeugung, die sich mittheilen läßt und allgemeine Beistimmung gebietet, wie die Ueberzeugung, die aus dem Wissen kommt. Ich selbst kann nur von der Gültigkeit und Unveränderlichkeit meines praktischen Glaubens gewiß seyn, und mein Glaube an die Wahrheit eines Saßes oder die Wirklichkeit eines Dinges ist das, was, in Beziehung auf mich, nur die Stelle eines Erkenntnisses vertritt, ohne selbst ein Erkenntniß zu seyn.

Moralisch ungläubig ist der, welcher nicht dasjenige

*) Das Glauben ist keine besondere Erkenntnißquelle. Es ist eine Art des mit Bewußtseyn unvollständigen Fürwahrhaltens, und unterscheidet sich vom Meinen nicht durch den Grad, sondern durch das Verhältniß, das es als Erkenntniß zum Handeln hat. So bedarf z. B. der Kaufmann, um einen Handel einzuschlagen, daß er nicht blos meine, es werde dabei etwas zu gewinnen sein, sondern daß er's glaube, d. i. daß seine Meinung zur Unternehmung aufs Ungewisse zureichend sey.

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