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Zeit eröffnet; wofern nicht etwa auf die erste Epoche einer Naturrevolution, die blos das Thier- und Pflanzenreich, ehe noch Menschen waren, vergrub, noch eine zweite folgt, welche auch dem Menschengeschlechte eben so mitspielt, um andere Geschöpfe auf diese Bühne treten zu lassen u. f. w. Denn für die Allgewalt der Natur, oder vielmehr ihrer uns unerreichbaren obersten Ursache, ist der Mensch wiederum nur eine Kleinigkeit. Daß ihn aber auch die Herrscher von seiner eigenen Gattung dafür nehmen, und als eine solche behandeln, indem sie ihn theils thierisch, als bloßes Werkzeug ihrer Absichten, belasten, theils in ihren Streitigkeiten gegen einander aufstellen, um sie schlachten zu lassen, das ist keine Kleinigkeit, sondern Umkehrung des Endzwecks der Schöpfung selbst. (X, 351.)

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Fragt man: ob die Menschengattung als eine gute oder schlimme Race anzusehen seh, so muß ich gestehen, daß nicht viel damit zu prahlen sey. Doch wird Niemand, der das Benehmen der Menschen nicht blos in der alten Geschichte, sondern in der Geschichte des Tages ins Auge nimmt, zwar oft versucht werden, misanthropisch den Timon, weit öfterer aber und treffender den Momus in seinem Urtheile zu machen, und Thorheit eher als Bosheit in dem Charakterzuge unserer Gattung hervorstechend finden. Weil aber Thorheit, mit einem Lineamente von Bosheit verbunden, in der moralischen Physiognomik unserer Gattung nicht zu verkennen ist, so ist allein schon aus der Verheimlichung eines guten Theils seiner Gedanken, die ein jeder kluge Mensch nöthig findet, klar genug zu ersehen, daß in unserer Race Jeder es gerathen finde, auf seiner Hut zu seyn und sich nicht ganz erblicken zu lassen, wie er ist; welches schon den Hang unserer Gattung übel gegen einander gesinnt zu seyn, verräth.

Es gehört schon zur ursprünglichen Zusammensetzung

eines menschlichen Geschöpfs und zu seinem Gattungsbegriffe: zwar Anderer Gedanken zu erkunden, die feinigen aber zurückzuhalten; welche saubere Eigenschaft denn so allmälig von Verstellung zur vorsätzlichen Täuschung, bis endlich zur Lüge fortzuschreiten nicht ermangelt. Dieses würde dann eine Carricaturzeichnung unserer Gattung abgeben, die nicht blos zum gutmüthigen Belachen derselben, sondern zur Verachtung in dem, was ihren Charakter ausmacht und zum Geständnisse, daß diese Race vernünftiger Welt= wesen unter den übrigen (uns unbekannten) keine ehrenwerthe Stelle verdiene, berechtigte -wenn nicht gerade eben dieses verwerfende Urtheil eine moralische Anlage in uns, eine angeborne Aufforderung der Vernunft verriethe, auch jenem Hange entgegen zu arbeiten, mithin die Menschengattung nicht als böse, sondern als eine aus dem Bösen zum Guten in beständigem Fortschreiten unter Hindernissen emporstrebende Gattung vernünftiger Wesen darzustellen; wobei dann ihr Wollen, im Allgemeinen, gut, das Vollbringen aber dadurch erschwert ist, daß die Erreichung des Zwecks nicht von der freien Zusammenstimmung der Einzelnen, sondern nur durch fortschreitende Organisation der Erdbürger in und zu der Gattung als einem System, das kosmopolitisch verbunden ist, erwartet werden kann. (VII, 2. Abtheil., 274-276.)

Erziehung.

Der Mensch ist das einzige Geschöpf, das erzogen wer= den muß. Unter der Erziehung nämlich verstehen wir die Wartung (Verpflegung, Unterhaltung), Disciplin (Zucht) und Unterweisung nebst der Bildung. Dem zufolge ist der Mensch Säugling, Zögling und Lehrling.

369.)

(IX,

Disciplin oder Zucht ändert die Thierheit in die Menschheit um. Disciplin verhütet, daß der Mensch durch seine thierischen Antriebe von seiner Bestimmung, der Menschheit, abweiche. Sie muß ihn z. E. einschränken, daß er sich nicht wild und unbesonnen in Gefahren begebe. Zucht ist also blos negativ, nämlich die Handlung, wodurch man dem Menschen die Wildheit benimmt, Unterweisung hingegen ist der positive Theil der Erziehung.

Wildheit ist die Unabhängigkeit von Gesezen. Disciplin unterwirft den Menschen den Gesetzen der Menschheit, und fängt an, ihm den Zwang der Gesetze fühlen zu lassen. Dieses muß aber frithe geschehen. So schickt man z. E. Kinder Anfangs in die Schule, nicht schon in der Absicht, damit sie dort etwas lernen sollen, sondern damit sie sich

daran gewöhnen mögen, still zu sitzen, und pünktlich das zu beobachten, was ihnen vorgeschrieben wird, damit sie nicht in Zukunft jeden ihrer Einfälle wirklich auch und augenblicklich in Ausübung bringen mögen.

Der Mensch hat aber von Natur einen so großen Hang zur Freiheit, daß, wenn er erst eine Zeit lang an sie gewöhnt ist, er ihr Alles aufopfert. Eben daher muß denn die Disciplin auch, wie gesagt, sehr frühe in Anwendung gebracht werden, denn wenn das nicht geschieht, so ist es schwer, den Menschen nachher zu ändern. Er folgt dann jeder Laune. Man sieht es auch an den wilden Nationen, daß, wenn sie gleich den Europäern längere Zeit hindurch Dienste thun, sie sich doch nie an ihre Lebensart gewöhnen. Bei ihnen ist dieses aber nicht ein edler Hang zur Freiheit, wie Rousseau und Andere meinen, sondern eine gewisse Rohheit, indem das Thier hier gewissermaaßen die Menschheit noch nicht in sich entwickelt hat. Daher muß der Mensch frühe gewöhnt werden, sich den Vorschriften der Vernunft zu unterwerfen. Wenn man ihm in der Jugend seinen Willen gelassen und ihm da nichts widerstanden hat: so behält er eine gewisse Wildheit durch sein ganzes Leben. Und es hilft denen auch nicht, die durch allzugroße mitterliche Zärtlichkeit in der Jugend geschont werden, denn es wird ihnen weiterhin nur desto mehr von allen Seiten her widerstanden, und überall bekommen sie Stöße, sobald sie sich in die Geschäfte der Welt einlassen. (IX, 370 f.)

Die Erziehung ist eine Kunst, deren Ausübung durch viele Generationen vervollkommnet werden muß. Jede Ge= neration, versehen mit den Kenntnissen der vorhergehenden, kann immer mehr eine Erziehung zu Stande bringen, die alle Naturanlagen des Menschen proportionirlich und zweckmäßig entwickelt, und so die ganze Menschengattung zu ihrer Bestimmung führt. Die Vorsehung hat gewollt,

daß der Mensch das Gute aus sich selbst herausbringen soll, und spricht, so zu sagen, zum Menschen: Gehe in die Welt", so etwa könnte der Schöpfer den Menschen anreden! ,,ich habe dich ausgerüstet mit allen Anlagen zum Guten. Dir kommt es zu, sie zu entwickeln, und so hängt dein eigenes Glück und Unglück von dir selbst ab.“

Der Mensch soll seine Anlagen zum Guten erst ent= wickeln; die Vorsehung hat sie nicht schon fertig in ihn gelegt; es sind bloße Anlagen und ohne den Unterschied der Moralität. Sich selbst besser machen, sich selbst cultiviren, und wenn er böse ist, Moralität bei sich hervorbringen, das soll der Mensch. Wenn man das aber reiflich überdenkt, so findet man, daß dieses sehr schwer sey. Daher ist die Erziehung das größeste Problem, und das schwerste, was dem Menschen kann aufgegeben werden. Denn Einsicht hängt von der Erziehung, und Erziehung hängt wieder von der Einsicht ab. Daher kann die Erziehung auch nur nach und nach einen Schritt vorwärts thun, und nur dadurch, daß eine Generation ihre Erfahrungen und Kennt= nisse der folgenden überliefert, diese wieder etwas hinzuthut, und es so der folgenden übergiebt, kann ein richtiger Begriff von der Erziehung entspringen. Welche große Cultur und Erfahrung sezt also nicht dieser Begriff voraus? Er konnte demnach auch nur spät entstehen, und wir selbst haben ihn noch nicht ganz ins Reine gebracht. (IX, 374 fg.)

Ein Princip der Erziehungskunst, das besonders solche Männer, die Pläne zur Erziehung machen, vor Augen haben sollten, ist: Kinder sollen nicht dem gegenwärtigen, sondern dem zukünftig möglich bessern Zustande des menschlichen Geschlechts, das ist: der Idee der Menschheit, und deren ganzer Bestimmung angemessen, erzogen werden. Dieses Princip ist von großer Wichtigkeit. Eltern erziehen gemeiniglich ihre Kinder nur so, daß sie in die gegenwär

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