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tischen Bällen) aufzugeben; noch weniger aber eine moralische, welche, wenn ihre Bewirkung nur nicht demonstrativunmöglich ist, Pflicht wird. Ueberdies lassen sich manche Beweise geben, daß das menschliche Geschlecht, im Ganzen, wirklich in unserm Zeitalter, in Vergleichung mit allen vorigen, ansehnlich moralisch selbst zum Besseren fortgerückt sey (kurz dauernde Hemmungen können nichts dagegen beweisen); und daß das Geschrei von der unaufhaltsam zunehmenden Verunartung desselben gerade daher kommt, daß, wenn es auf einer höhern Stufe der Moralität steht, es noch weiter vor sich sieht, und sein Urtheil über das, was man ist, in Vergleichung mit dem, was man seyn sollte, mithin unser Selbsttadel immer desto strenger wird, je mehr Stufen der Sittlichkeit wir im Ganzen des uns bekannt gewordenen Weltlaufs schon erstiegen haben.

Fragen wir nun: durch welche Mittel dieser immerwährende Fortschritt zum Bessern dürfte erhalten, und auch wohl beschleunigt werden; so sieht man bald, daß dieser ins unermeßlich Weite gehende Erfolg nicht sowohl davon_ab= hängen werde, was wir thun (z. B. von der Erziehung, die wir der jüngern Welt geben), und nach welcher Methode wir verfahren sollen, um es zu bewirken; sondern von dem, was die menschliche Natur in und mit uns thun wird, um uns in ein Geleis zu nöthigen, in welches wir uns von selbst nicht leicht fügen würden. Denn von ihr, oder vielmehr (weil höchste Weisheit zur Vollendung dieses Zwecks erfordert wird) von der Vorsehung allein, können wir einen Erfolg erwarten, der aufs Ganze und von da auf die Theile geht, da im Gegentheil die Menschen mit ihren Entwürfen nur von den Theilen ausgehen, wohl gar nur bei ihnen stehen bleiben, und aufs Ganze, als ein solches, welches für sie zu groß ist, zwar ihre Ideen, aber nicht ihren Einfluß erstrecken können: vornämlich da sie, in ihren Entwürfen einander widerwärtig, sich aus eigenem freien Vorsatz schwerlich dazu vereinigen würden.

So wie allseitige Gewaltthätigkeit und daraus entsprin= gende Noth endlich ein Volk zur Entschließung bringen mußte, sich dem Zwange, den ihm die Vernunft selbst als Mittel vorschreibt, nämlich dem öffentlichen Geseße zu unterwerfen, und in eine staatsbürgerliche Verfassung zu treten; so muß auch die Noth aus den beständigen Kriegen, in welchen wiederum Staaten einander zu schmälern oder zu unterjochen suchen, sie zuletzt dahin bringen, selbst wider Willen entweder in eine weltbürgerliche Verfassung zu treten, oder, ist ein solcher Zustand eines allgemeinen Friedens (wie es mit übergroßen Staaten wohl auch mehrmals gegangen ist) auf einer andern Seite der Freiheit noch gefährlicher, indem er den schrecklichsten Despotismus herbeiführt, so muß sie diese Noth doch zu einem Zustande zwingen, der zwar kein weltbürgerliches gemeines Wesen unter einem Oberhaupt, aber doch ein rechtlicher Zustand der Föderation nach einem gemeinschaftlich verabredeten Völterrecht ist.

Ob es zwar in der Natur des Menschen, nach der ge= wöhnlichen Ordnung, eben nicht liegt, von seiner Gewalt willkührlich nachzulassen, gleichwohl es aber in dringenden Umständen doch nicht unmöglich ist; so kann man es für einen den moralischen Wünschen und Hoffnungen der Menschen (beim Bewußtseyn ihres Unvermögens) nicht unangemessenen Ausdruck halten, die dazu erforderlichen Umstände von der Vorsehung zu erwarten: welche dem Zwecke der Menschheit im Ganzen ihrer Gattung zu Erreichung ihrer endlichen Bestimmung durch freien Gebrauch ihrer Kräfte, so weit sie reichen, einen Ausgang verschaffen werde, welchem die Zwecke der Menschen, abgesondert betrachtet, ge= rade entgegenwirken. Denn eben die Entgegenwirkung der Neigungen, aus welchen das Böse entspringt, unter einander, verschafft der Vernunft ein freies Spiel, fie insgefammt zu unterjochen; und, statt des Bösen, was sich selbst zerstört, das Gute, welches, wenn es einmal da ist, sich

fernerhin von selbst erhält, herrschend zu machen. (VII, 1. Abtheil., 220-227.)

Die Erziehung des Menschengeschlechts im Ganzen. ihrer Gattung, d. i. collectiv genommen (universorum) nicht Aller Einzelnen (singulorum), wo die Menge nicht ein System, sondern nur ein zusammengelesenes Aggregat abgiebt, das Hinstreben zu einer bürgerlichen, auf das Freiheits-, zugleich aber auch gesetzmäßige Zwangs- Princip, zu gründenden Verfassung ins Auge gefaßt, erwartet der Mensch doch nur von der Vorsehung, d. i. von einer Weisheit, die nicht die seine, aber doch die (durch seine eigene Schuld) ohnmächtige Idee seiner eigenen Vernunft ist, diese Erziehung von Oben herab, sage ich, ist heilfam, aber rauh und strenge, durch viel Ungemach und bis nahe an die Zerstörung des ganzen Geschlechts reichende Bearbeitung der Natur, nämlich der Hervorbringung des vom Menschen nicht beabsichtigten, aber, wenn es einmal da ist, sich ferner erhaltenden Guten, aus dem innerlich mit sich selbst immer veruneinigenden Bösen. Vorsehung bedeutet eben dieselbe Weisheit, welche wir in der Erhaltung der Species organisirter, an ihrer Zerstörung beständig arbeitender und dennoch sie immer schützender Naturwesen mit Bewunderung wahrnehmen, ohne darum ein höheres Princip in der Vorsorge anzunehmen, als wir es für die Erhaltung der Gewächse und Thiere anzuehmen. schon im Gebrauch haben. Uebrigens soll und kann die Menschengattung selbst Schöpferin ihres Glücks seyn; nur daß sie es seyn wird, läßt sich nicht a priori, aus den uns von ihr bekannten Naturanlagen, sondern nur aus der Erfahrung und Geschichte, mit so weit gegründeter Erwartung schließen, als nöthig ist, an diesem ihrem Fortschreiten zum Besseren nicht zu verzweifeln, sondern, mit

aller Klugheit und moralischer Vorleuchtung, die Annäherung zu diesem Ziele (ein Jeder, so viel an ihm ist) zu befördern. (VII, 2. Abtheil., 270 fg.)

Jüdische Propheten hatten gut weissagen, daß über kurz oder lang nicht blos Verfall, sondern gänzliche Auflösung ihrem Staate bevorstehe, denn sie waren selbst die Urheber dieses ihres Schicksals. Sie hatten, als Volksleiter, ihre Verfassung mit so viel kirchlichen und daraus abfließenden bürgerlichen Lasten beschwert, daß ihr Staat völlig untauglich wurde für sich selbst, vornämlich mit benachbarten Völkern zusammen, zu bestehen, und die Jeremiaden ihrer Priester mußten daher natürlicher Weise vergeblich in die Luft verhallen, weil diese hartnäckig auf ihrem Vorsatz einer unhaltbaren, von ihnen selbst gemachten, Verfassung beharrten, und so von ihnen selbst der Ausgang mit Unfehlbarkeit vorausgesehen werden konnte.

Unsere Politiker machen, so weit ihr Einfluß reicht, es eben so, und sind auch im Wahrsagen eben so glücklich. Man muß, sagen sie, die Menschen nehmen, wie sie sind, nicht wie der Welt unkundige Pedanten oder gutmüthige Phantasten träumen, daß sie seyn sollten. Das wie sie sind aber sollte heißen: wozu wir sie durch ungerechten Zwang, durch verrätherische, der Regierung an die Hand gegebene Anschläge gemacht haben, nämlich halsstarrig und zur Empörung geneigt; wo dann freilich, wenn sie ihre Zügel ein wenig sinken läßt, sich traurige Folgen ereignen, welche die Prophezeiung jener vermeintlich klugen Staatsmänner wahrmachen.

Auch Geistliche weissagen gelegentlich den gänzlichen Verfall der Religion und die nahe Erscheinung des Antichrists; während dessen sie gerade das thun, was erforder= lich ist, ihn einzuführen, indem sie nämlich ihrer Gemeinde

nicht sittliche Grundsätze ans Herz zu legen bedacht sind, die geradezu aufs Bessere führen, sondern Observanzen und historischen Glauben zur wesentlichen Pflicht machen, die es indirect bewirken sollen; woraus zwar mechanische Einhelligkeit, als in einer bürgerlichen Verfassung, aber keine in der moralischen Gesinnung erwachsen kann, alsdann aber über Irreligiosität klagen, welche sie selber gemacht haben, die sie also, auch ohne besondere Wahrsagergabe, vorherverkündigen konnten. (X, 340 fg.)

Vielleicht liegt es an unserer unrecht genommenen Wahl des Standspunkts, aus dem wir den Lauf menschlicher Dinge ansehen, daß dieser uns so widersinnig scheint. Die Planeten, von der Erde aus gesehen, sind bald rückgängig, bald stillstehend, bald fortgängig. Den Standpunkt aber von der Sonne aus genommen, welches nur die Vernunft thun kann, gehen sie nach der Copernikanischen Hypothese beständig ihren regelmäßigen Gang fort. Es gefällt aber einigen, sonst nicht Unweisen, steif auf ihrer Erklärungsart der Erscheinungen und dem Standpunkte zu beharren, den fie einmal genommen haben: sollten sie sich daritber auch in Tychonische Cyklen und Epicyklen bis zur Ungereimtheit verwickeln. (X, 344.)

Es ist ein nicht blos gutgemeinter und in praktischer Absicht empfehlungswürdiger, sondern allen Ungläubigen zum Troß auch für die strengste Theorie haltbarer Sat: daß das menschliche Geschlecht im Fortschreiten zum Bessern immer gewesen sey, und so fernerhin fortgehen werde, welches, wenn man nicht blos auf das sieht, was in irgend einem Volke geschehen kann, sondern auch auf die Verbreitung über alle Völker der Erde, die nach und nach daran Theil nehmen dürften, die Aussicht in eine unabsehliche

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