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feine eigene Macht, oder auch Haß gegen sein Volk er= wecken. (VII, 1. Abtheil., 216 fg.)

Es muß in jedem gemeinen Wesen ein Gehorsam unter dem Mechanismus der Staatsverfassung nach Zwangsgesetzen (die aufs Ganze gehen), aber zugleich ein Geist der Freiheit seyn, da Jeder in dem, was allgemeine Menschenpflicht betrifft, durch Vernunft überzeugt zu seyn verlangt, daß dieser Zwang rechtmäßig sey, damit er nicht mit sich selbst in Widerspruch gerathe. Der erstere, ohne den letztern, ist die veranlassende Ursache aller geheimen Gesellschaften. Denn es ist ein Naturberuf der Menschheit, sich, vornämlich in dem, was den Menschen überhaupt angeht, einander mitzutheilen; jene Gesellschaften also würden wegfallen, wenn diese Freiheit begünstigt wird. Und wodurch anders können auch der Regierung die Kenntnisse kommen, die ihre eigene wesentliche Absicht befördern, als daß sie den in seinem Ursprung und in seinen Wirkungen so achtungswürdigen Geist der Freiheit sich äußern läßt? (VII, 1. Abtheil., 217 fg.)

Man hat die hohen Benennungen, die einem Beherrscher oft beigelegt werden (die eines göttlichen Gesalbten, eines Verwesers des göttlichen Willens auf Erden und Stellvertreters deffelben), als grobe, schwindlig machende Schmeicheleien oft getadelt, aber mich dinkt, ohne Grund. - Weit gefehlt, daß fie den Landesherrn sollten hochmüthig machen, so müssen sie ihn vielmehr in seiner Seele demüthigen, wenn er Verstand hat, und es bedenkt, daß er ein Amt übernom men habe, das für einen Menschen zu groß ist, nämlich das Heiligste, das Gott auf Erden hat, das Recht der Menschen zu verwalten, und diesem Augapfel Gottes irgend

worin zu nahe getreten zu seyn, jederzeit in Besorgniß stehen muß. (VII, 1. Abtheil., 245.)

Da auch das Kirchenwesen, welches von der Religion, als innerer Gesinnung, die ganz außer dem Wirkungsfreise der bürgerlichen Macht ist, sorgfältig unterschieden werden muß (als Anstalt zum öffentlichen Gottesdienste für das Volk, aus welchem dieser auch seinen Ursprung hat, es sey Meinung oder Ueberzeugung), ein wahres Staatsbedürfniß wird, sich auch als Unterthan einer höchsten unsichtbaren Macht, der sie huldigen müssen, und die mit der bürgerlichen oft in einen sehr ungleichen Streit kommen kann, zu betrachten; so hat der Staat das Recht, nicht etwa der innern Constitutionalgesetzgebung das Kirchenwesen nach seinem Sinne, wie es ihm vortheilhaft dünkt, einzurichten, den Glauben und gottesdienstliche Formen (ritus) dem Volke vorzuschreiben, oder zu befehlen (denn dieses muß gänzlich den Lehrern und Vorstehern, die es sich selbst ge= wählt hat, überlassen bleiben), sondern nur das negative Recht, den Einfluß auf das sichtbare, politische gemeine Wesen, der der öffentlichen Ruhe nachtheilig seyn möchte, abzuhalten, mithin bei dem innern Streite, oder dem der verschiedenen Kirchen unter einander, die bürgerliche Eintracht nicht in Gefahr kommen zu lassen, welches also ein Recht der Polizei ist. Daß eine Kirche einen gewissen Glauben, und welchen sie haben, oder daß sie ihn unabänderlich erhalten müsse, und sich nicht selbst reformiren dürfe, sind Einmischungen der obrigkeitlichen Gewalt, die unter ihrer Würde sind: weil sie sich dabei, als einem Schulgezänke, auf den Fuß der Gleichheit mit ihren Unterthanen einläßt (der Monarch sich zum Priester macht), die ihr geradezu sagen können, daß sie hiervon nichts verstehe; vornämlich was das lettere, nämlich das Verbot innerer Reformen, betrifft, - denn was das gesammte Volk nicht über sich

selbst beschließen kann, das kann auch der Gesetzgeber nicht über das Volk beschließen. Nun kann aber kein Volk be= schließen, in seinen, den Glauben betreffenden Einsichten (der Aufklärung) niemals weiter fortzuschreiten, mithin auch sich in Ansehung des Kirchenwesens nie zu reformiren, weil dies der Menschheit in seiner eigenen Person, mithin dem höchsten Rechte desselben entgegen seyn würde. Also kann es auch keine obrigkeitliche Gewalt über das Volk beschließen. Was aber die Kosten der Erhaltung des Kirchenwesens betrifft, so können diese, aus eben derselben Ursache, nicht dem Staate, sondern müssen dem Theile des Volks, der sich zu einem oder dem andern Glauben bekennt, d. i. nur der Gemeine, zu Lasten kommen. (IX, 175 fg.)

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Was den Staat in Religionsdingen allein interessiren darf, ist: wozu die Lehrer derselben anzuhalten sind, damit er nützliche Bürger, gute Soldaten und überhaupt getreue Unterthanen habe? Wenn er nun dazu die Einschärfung der Rechtgläubigkeit in statutarischen Glaubenslehren und eben solcher Gnadenmittel wählt, so kann er hierbei sehr übel fahren. Denn da das Annehmen dieser Statute eine leichte und dem schlechtdenkendsten Menschen weit leichtere Sache ist, als dem guten, dagegen die moralische Besserung der Gesinnung viel und lange Mühe macht, er aber von der erstern hauptsächlich seine Seligkeit zu hoffen gelehrt worden ist, so darf er sich eben kein großes Bedenken ma= chen, seine Pflicht (doch behutsam) zu übertreten, weil er ein unfehlbares Mittel bei der Hand hat, der göttlichen Strafgerechtigkeit (nur daß er sich nicht verspäten muß) durch seinen rechten Glauben an alle Geheimnisse und inständige Benutzung der Gnadenmittel zu entgehen, dagegen, wenn jene Lehre der Kirche geradezu auf die Moralität gerichtet seyn würde, das Ürtheil seines Gewissens ganz anders lauten würde, nämlich daß, so viel er von dem Bösen,

was er that, nicht ersetzen kann, dafür müsse er einem künftigen Richter antworten, und dieses Schicksal abzuwenden, vermöge kein kirchliches Mittel, kein durch Angst herausgedrängter Glaube, noch ein solches Gebet. Bei welchem Glauben ist nun der Staat sicherer? (X, 317.)

Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit. Ünmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines Andern zu bedienen." Selbst verschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Muthes liegt, sich seiner ohne Leitung eines Andern zu bedienen. Sapere aude! Habe Muth, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! ist also der Wahlspruch der Aufflärung.

Faulheit und Feigheit sind die Ursachen, warum ein so großer Theil der Menschen, nachdem sie die Natur längst von fremder Leitung freigesprochen, dennoch gerne Zeitlebens unmindig bleiben; und warum es Anderen so leicht wird, sich zu deren Vormündern aufzuwerfen. Es ist so bequem, unmündig zu seyn. Habe ich ein Buch, das für mich Verstand hat, einen Seelsorger, der für mich Gewissen hat, einen Arzt, der für mich die Diät beurtheilt, u. f. w., so brauche ich mich ja nicht selbst zu bemühen. Ich habe nicht nöthig zu denken, wenn ich nur bezahlen kann; Andere werden das verdrießliche Geschäft schon für mich überneh= men. Daß der bei Weitem größte Theil der Menschen (darunter das ganze schöne Geschlecht) den Schritt zur Mündigkeit, außerdem daß er beschwerlich ist, auch für sehr gefährlich halte: dafür sorgen schon jene Vormünder, die die Oberaufsicht über sie gütigst auf sich genommen haben. Nachdem sie ihr Hausvieh zuerst dumm gemacht haben, und sorgfältig verhüteten, daß diese ruhigen Geschöpfe einen

Schritt außer dem Gängelwagen, darin sie sie einsperrten, wagen durften; so zeigen sie ihnen nachher die Gefahr, die ihnen droht, wenn sie es versuchen, allein zu gehen. Nun ist diese Gefahr zwar eben so groß nicht, denn sie würden durch einigemal Fallen wohl endlich gehen lernen; allein ein Beispiel von der Art macht doch schüchtern, und schreckt gemeiniglich von allen fernern Versuchen ab.

Es ist also für jeden einzelnen Menschen schwer, sich aus der ihm beinahe zur Natur gewordenen Unmündigkeit herauszuarbeiten. Er hat sie sogar lieb gewonnen, und ist vor der Hand wirklich unfähig, sich seines eigenen Verstandes zu bedienen, weil man ihn niemals den Versuch davon machen ließ. Satzungen und Formeln, diese mechanischen Werkzeuge eines vernünftigen Gebrauchs oder vielmehr Mißzbrauchs seiner Naturgaben, sind die Fußschellen einer immerwährenden Unmündigkeit. Wer sie auch abwürfe, würde dennoch auch über den schmalsten Graben einen nur unsicheren Schritt thun, weil er zu dergleichen freier Bewegung nicht gewöhnt ist. Daher giebt es mir Wenige, denen. es gelungen ist, durch eigene Bearbeitung ihres Geistes sich aus der Unmündigkeit heraus zu wickeln, und dennoch einen sichern Gang zu thun.

Zur Aufklärung wird nichts erfordert als Freiheit, und zwar die unschädlichste unter Allem, was nur Freiheit heißen mag, nämlich die: von seiner Vernunft in allen Stücken öffentlichen Gebrauch zu machen. Nun höre ich aber von allen Seiten rufen: räfonnirt nicht! Der Officier sagt: räsonnirt nicht, sondern exercirt! Der Finanzrath: räsonnirt nicht, sondern bezahlt! Der Geistliche: räsonnirt nicht, sondern glaubt! (Nur ein einziger Herr in der Welt sagt: räjonnirt, so viel ihr wollt, und worüber ihr wollt; aber gehorcht!) Hier ist überall Einschränkung der Freiheit. Welche Einschränkung aber ist der Aufklärung hinderlich? welche nicht, sondern ihr wohl gar beförderlich?

Ich antworte: der öffentliche Gebrauch seiner Ver

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