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lichkeit, die wechselseitige Liebe und Achtung (Leutseligkeit und Wohlanständigkeit) zu cultiviren, und so der Tugend die Grazien beizugefellen; welches zu bewerkstelligen selbst Tugendpflicht ist.

Dies sind zwar nur Außenwerke oder Beiwerke (parerga), welche einen schönen tugendähnlichen Schein geben, der auch nicht betrügt, weil ein Jeder weiß, wofür er ihn annehmen muß. Sie gelten nur als Scheidemünze, befördern aber doch das Tugendgefühl, selbst durch die Bestrebung, diesen Schein der Wahrheit so nahe wie möglich zu bringen, in der Zugänglichkeit, der Gesprächigkeit, der Höflichkeit, der Gastfreiheit, der Gelindigkeit im Widersprechen, ohne zu zanken, welche insgesammt als bloße Manieren des Verkehrs durch geäußerte Verbindlichfeiten zugleich Andere verbinden, also doch zur Tugendgefinnung hinwirken, indem sie die Tugend wenigstens be= liebt machen. (IX, 339.)

Die Tugendlehre besteht durch sich selbst (felbft ohne den Begriff von Gott), die Gottseligkeitslehre enthält den Begriff von einem Gegenstande, den wir uns in Beziehung auf unsere Moralität als ergänzende Ursache unseres Unvermögens in Ansehung des moralischen Endzwecks vorstellen. Die Gottseligkeitslehre kann also nicht für sich den Endzweck der sittlichen Bestrebung ausmachen, sondern nur zum Mittel dienen, das, was an sich einen bessern Menschen ausmacht, die Tugendgesinnung zu stärken; dadurch, daß sie ihr (als einer Bestrebung zum Guten, selbst zur Heiligkeit) die Erwartung des Endzwecks, dazu jene unvermögend ist, verheißt und versichert. Der Tugendbegriff ist dagegen aus der Seele des Menschen genommen. Er hat ihn schon ganz, obzwar unentwickelt, in sich, und darf nicht, wie der Religionsbegriff, durch Schlüsse herausvernünftelt werden.

In

seiner Reinheit, in der Erweckung des Bewußtseyns eines sonst von uns nie gemuthmaaßten Vermögens, über die größten Hindernisse in uns Meister werden zu können, in der Würde der Menschheit, die der Mensch an seiner eigenen Person und ihrer Bestimmung verehren muß, nach der er strebt, um sie zu erreichen, liegt etwas so Seelenerhebendes und zur Gottheit selbst, die nur durch ihre Heiligkeit und als Gesetzgeber für die Tugend anbetungswürdig ist, Hinleitendes, daß der Mensch, selbst wenn er noch weit davon entfernt ist, diesem Begriffe die Kraft des Einflusses auf feine Marimen zu geben, dennoch nicht ungern damit unterhalten wird, weil er sich selbst durch diese Idee schon in gewissem Grade veredelt fühlt, indeffen daß der Begriff von einem, diese Pflicht zum Gebote für uns machenden Weltherrscher noch in großer Ferne von ihm liegt, und wenn er davon anfinge, seinen Muth (der das Wesen der Tugend mit ausmacht) niederschlagen, die Gottseligkeit aber in schmeichelnde, knechtische Unterwerfung unter eine despotisch ge= bietende Macht zu verwandeln in Gefahr bringen würde. Dieser Muth, auf eigenen Füßen zu stehen, wird nun selbst durch die darauf folgende Versöhnungslehre gestärkt, indem sie, was nicht zu ändern ist, als abgethan vorstellt und nun den Pfad zu einem neuen Lebenswandel für uns eröffnet, anstatt daß, wenn diese Lehre den Anfang macht, die leere Bestrebung, das Geschehene ungeschehen zu machen (die Expiation), die Furcht wegen der Zueignung derselben, die Vorstellung unseres gänzlichen Unvermögens zum Guten und die Aengstlichkeit wegen des Rückfalls ins Böse dem Menschen den Muth benehmen und ihn in einen ächzenden_moralisch passiven Zustand, der nichts Großes und Gutes unternimmt, sondern alles vom Wünschen erwartet, verseßen muß. Es kommt in dem, was die moralische Gesinnung betrifft, Alles auf den obersten Begriff an, dem man seine Pflichten unterordnet. Wenn die Verehrung Gottes das Erste ist, der man also die Tugend unterordnet, so ist dieser

Gegenstand ein Idol, d. i. er wird als ein Wesen gedacht, dem wir nicht durch sittliches Wohlverhalten in der Welt, sondern durch Anbetung und Einschmeichelung zu gefallen hoffen dürfen; die Religion aber ist alsdann Idololatrie. Gottseligkeit ist also nicht ein Surrogat der Tugend, um sie zu entbehren, sondern die Vollendung derselben, um mit der Hoffnung der endlichen Gelingung aller unserer guten Zwecke bekrönt werden zu können. (X, 221-224.)

Zwei Dinge erfüllen das Gemüth mit immer neuer und zunehmender Bewunderung und Ehrfurcht, je öfter und anhaltender sich das Nachdenken damit beschäftigt: der be= stirnte Himmel über mir, und das moralische Ge= set in mir. Beide darf ich nicht als in Dunkelheiten verhüllt, oder im Ueberschwänglichen, außer meinem Gesichtskreise suchen und blos vermuthen; ich sehe sie vor mir und verknüpfe sie unmittelbar mit dem Bewußtseyn meiner Existenz. Das erste fängt von dem Plaze an, den ich in der äußern Sinnenwelt einnehme, und erweitert die Verknüpfung, darin ich stehe, ins unabsehlich Große mit Welten über Welten und Systemen von Systemen, überdies noch in gränzenlose Zeiten ihrer periodischen Bewegung, deren Anfang und Fortdauer. Das zweite fängt von meinem unsichtbaren Selbst, meiner Persönlichkeit, an, und stellt mich in einer Welt dar, die wahre Unendlichkeit hat, aber nur dem Verstande spürbar ist, und mit welcher (dadurch aber auch zugleich mit allen jenen sichtbaren Welten) ich mich, nicht wie dort, in blos zufälliger, sondern allgemeiner und nothwendiger Verknüpfung erkenne. Der erstere Anblick einer zahllosen Weltenmenge vernichtet gleichsam meine Wichtigkeit, als eines thierischen Geschöpfs, das die Materie, daraus es ward, dem Planeten (einem bloßen Punkt im Weltall) wieder zurückgeben muß, nachdem es eine kurze Zeit (man weiß nicht wie) mit Lebenskraft versehen gewesen.

Der zweite erhebt dagegen meinen Werth, als einer Intelligenz, unendlich, durch meine Persönlichkeit, in welcher das moralische Gesez mir ein von der Thierheit und selbst von der ganzen Sinnenwelt unabhängiges Leben offenbart, wenigstens so viel sich aus der zweckmäßigen Bestimmung meines Daseyns durch dieses Gefeß, welche nicht auf Be= dingungen und Grenzen dieses Lebens eingeschränkt ist, son= dern ins Unendliche geht, abnehmen läßt. (VIII, 312 fg.)

Recht und Staat.

Der Begriff eines äußern Rechts überhaupt geht gänz= lich aus dem Begriffe der Freiheit im äußern Verhältnisse der Menschen zu einander hervor, und hat gar nichts mit dem Zwecke, den alle Menschen natürlicher Weise haben (der Absicht auf Glückseligkeit), und der Vorschrift der Mittel dazu zu gelangen, zu thun, so daß auch daher dieser lettere fich in jenes Gesetz schlechterdings nicht, als Bestimmungsgrund derselben, mischen muß. Recht ist die Einschränkung der Freiheit eines Jeden auf die Bedingung ihrer Zusam= menstimmung mit der Freiheit von Jedermann, in soferne diese nach einem allgemeinen Gesetze möglich ist; und das öffentliche Recht ist der Inbegriff der äußern Gefeße, welche eine solche durchgängige Zusammenstimmung möglich machen. (VII, 1. Abtheil., 198.)

Eine jede Handlung ist recht, die oder nach deren Marime die Freiheit der Willkühr eines Jeden mit Jedermanns Freiheit nach einem allgemeinen Gesetze zusammen bestehen. fann.

Wenn also meine Handlung, oder überhaupt mein Zustand, mit der Freiheit von Jedermann nach einem allge=

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