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hatte, erschien diese selbst 1781; ihr folgten 1783 die „Prolegomena zu einer jeden künftigen Metaphysik, die als Wissenschaft wird auftreten können“; 1785 erschien die,,Grundlegung zur Metaphysik der Sitten“; 1786 die „Metaphysischen Anfangsgründe der Naturwissenschaft"; 1788 die Kritik der praktischen Vernunft"; 1790 die,,Kritik der Urtheilskraft “. Daneben gingen noch kleinere Schriften her, wie „Von den verschiedenen Racen der Menschen" (1775); „Ideen zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht" und ,,Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung?" (1784); ,,Recension von Herder's Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit" (1785); Ueber die Vulkane im Monde“; „Von der Unrechtmäßigkeit des Büchernachdrucks“; ,,Bestimmung des Begriffs einer Menschenrace" (1785); ,,Muthmaßlicher Anfang der Menschengeschichte“; „Was heißt sich im Denken orientiren" (1786); „Ueber den Gebrauch teleologischer Principien in der Philosophie“ (1788); ,,Ueber eine Entdeckung, nach der alle neue Kritik der Vernunft durch eine ältere entbehrlich gemacht werden soll“; ,,Ueber Schwärmerei und die Mittel dagegen" (1790).

Kant faufte 1783 ein eigenes Haus, das er bis an sein Lebensende besessen und bewohnt hat. Es ist von dem spätern Besitzer mit einer eingemauerten Marmorplatte versehen worden, auf der die Inschrift steht:,,Immanuel Kant wohnte und lehrte hier von 1783 bis zum 12. Februar 1804." Obgleich Kant unverheirathet blieb, so unterhielt er doch einen vielseitigen Verkehr mit der Welt und der Gesellschaft. Er liebte heitere Geselligkeit, und sein Umgang wurde ebenso gesucht als geschäßt. Von seinem Geburtsorte Königsberg hat er sich nie weiter als einige Meilen entfernt.

In der letzten Lebensperiode (1790-1804) verstattete das Alter unserm königsberger Philosophen nur zum Theil noch, in ungeschmälerter akademischer Thätigkeit zu wirken. Aber sein System wurde bereits auf den meisten deutschen

Universitäten mit dem lebhaftesten Interesse von Schülern gelehrt. Kein Confessionsunterschied hemmte hierin die rasche Ausbreitung, und die katholischen Universitäten wetteiferten fast um den Vorrang, in stärkerer Zahl als die ersten Verkinder der kritischen Philosophie in Deutschland gerühmt zu werden. Auch außerhalb der gelehrten Kreise herrschte gro= ßes Interesse für dieselbe. Unsere größten Dichter, Schiller, Goethe, Jean Paul, nahmen lebhaften Antheil an der Kant'schen Philosophie. Aber nicht blos auf Deutschland blieb die Ausbreitung und der Einfluß der Kant'schen Philosophie beschränkt; sie überschritt vielmehr auch die Grenzen Deutschlands und bahnte sich Eingang in den Niederlanden, in England, und wurde selbst troß der Revolutionsstürme in Paris, wenngleich nur sehr oberflächlich, bekannt.

Während Kant eine allgemeine geistige Bewegung auf allen deutschen Universitäten veranlaßte, während er auf die eminentesten Köpfe seines Volks auch außerhalb der Universitäten anregend, bildend und aufklärend wirkte, während er im Auslande selbst als eines der größten Talente seines Jahrhunderts und Begründer einer neuen philosophischen Aera bewundert wurde, sah er sich in seinem Vaterlande in seiner öffentlichen Thätigkeit als Schriftsteller und akademischer Lehrer bedroht. Im preußischen Staate ward nämlich bald nach der Thronbesteigung Friedrich Wilhelm's II. der Minister Freiherr von Zedlig, der kräftige Beförderer jedes höhern geistigen Strebens und aufrichtige Verehrer unsers Kant, von der Verwaltung des geistlichen Departements entfernt (1788) und durch den zum Staatsminister erhobenen vormaligen Prediger Wöllner ersetzt, der den Obscurantismus unumwunden begünstigte. Die Lehr- und Glaubensfreiheit wurde nun durch das berühmte unter Wöllner erlassene Religions - Edict beschränkt.

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Der

Rationalismus wurde unterdrückt. Die Zeit der Verdächtigungen war herangekommen. Die frühere Censurordnung wurde durch ein neues Edict bedeutend geschärft. In

Die

die Zeit einer solchen Veränderung der obersten Verwaltung der kirchlichen Angelegenheiten und des öffentlichen Unterrichts fällt die Bekanntmachung von Kant's Schriften religiösen und politischen Inhalts. Man verdächtigte auf Grund dieser den Philosophen. Besonders war es die Schrift über die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft", die Anstoß bei den Dunkelmännern erregte. berliner Cenforen verlangten eine ihrem Obscurantismus entsprechende Beschränkung der Lehr- und Schreibfreiheit des großen Mannes. Sie erfolgte durch die Cabinetsordre vom 1. October 1794, welche in mehrern seiner Schriften, hauptsächlich aber in dem genannten Werke, die Entstellung und Herabwürdigung einiger Haupt- und Grundlehren der heiligen Schrift und des Christenthums riigte, die Verantwortung Kant's forderte und ein strenges Verbot unter Androhung allerhöchster Ungnade aussprach, dergleichen Schriften und Lehren ferner ausgehen zu lassen. Kant erwiderte mit einer würdigen, seiner wissenschaftlichen Bedeutung, seiner musterhaften Pflichterfitllung als Lehrer und seiner Unterthanentreue angemessenen Erklärung. Er verpflichtete sich durch diefelbe, indem er aus eigenem Antriebe mehr gewähren wollte, als von ihm gefordert wurde,,,aller öffentlichen Vorträge, die Religion betreffend, es sei die natürliche oder die geoffenbarte, sowol in Vorlesungen als in Schriften, sich gänzlich zu enthalten". Den innern Kampf, den Kant bei dieser Erklärung bestand, gibt ein Zettel in seinem Nachlasse zu erkennen, auf welchem steht:,,Widerruf und Verlengnung seiner innern Ueberzeugung ist niederträchtig; aber Schweigen in einem Falle wie der gegenwärtige ist Unterthanspflicht; und wenn alles, was man sagt, wahr sein muß, so ist darum nicht auch Pflicht, alle Wahrheit öffentlich zu sagen."

Kant hatte bereits das 71. Jahr angetreten, als diese Verkeßerung ihm eine seiner liebsten Vorlesungen entzog. Das Gefühl, verletzt zu sein von der höchsten Behörde des

Staats, die Aussicht auf eine absichtliche Erniedrigung und Einengung der gewichtigsten Studien, die überhandnehmende Unzufriedenheit im Lande über die anbefohlene Gläubigkeit, die in schamlose Heuchelei ausartete, das Emporsteigen unwürdiger Männer zu hohen und einflußreichen Stellen: alles dies wirkte sehr verstimmend auf Kant und wirkte nachtheilig auch auf seine Gesundheit. Er erschien nicht mehr in größern Gesellschaften, ging seit 1794 überhaupt nicht mehr außerhalb des Hauses zur geistigen Erholung und beschränkte sich nur auf die Unterhaltung der täglichen Gäste an seinem eigenen Tische. Es entwickelten sich jetzt rascher bei ihm die Schwächen des Alters. Er gab nicht blos die Privatvorlesungen über die rationale Theologie auf, er stellte überhaupt mit dem Sommer 1795 alle seine Privatvorlesungen ein und las nur noch täglich eine Stunde die öffentlichen abwechselnd über Logik und Metaphysik. Endlich nöthigte ihn Erschlaffung des Geistes und Ermattung des Körpers, seiner akademischen Lehrthätigkeit ein Ziel zu setzen und von Michaelis 1797 ab auch keine öffentlichen Vorlesungen mehr zu halten.

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Von Schriften Kant's aus dieser dritten und letzten Lebensperiode sind außer der schon erwähnten,,Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft“ besonders noch zu nennen: Ueber den Gemeinspruch: das mag in der Theorie richtig sein, taugt aber nicht für die Braris" (1793); „Zum ewigen Frieden" (1795); „Metaphysische Anfangsgründe der Rechtslehre" und ,,Metaphysische Anfangsgründe der Tugendlehre" (1797);,,Der Streit der Facultäten", enthaltend zugleich die Abhandlung „Von der Macht des Gemüths, durch den bloßen Vorsatz seiner krankhaften Gefühle Meister zu sein" (1798); „Anthropologie in pragmatischer Hinsicht" (1798). Kant ließ einige seiner jüngern, mit seiner Philosophie vertrauten Tischgenossen an der Revision seiner Papiere theilnehmen. Magister Fäsche erhielt die Erlaubniß zur Herausgabe der Logif (1800),

Professor Rink für die physische Geographie und Pädagogik (1802 und 1803).

Im Jahre 1802 schwand bei Kant die Gedächtnißkraft auffallend, es wurde ihm äußerst schwer, eine Reihenfolge von Gedanken zu behalten. Die bekanntesten Namen seiner Umgebung, sonst häufig von ihm gebrauchte Worte und Redewendungen entfielen ihm, oder wurden von ihm verwechselt. Er mußte sich jetzt alle Tagesgeschäfte vorher aufzeichnen, wozu er sich kleiner Memorienbücher bediente. In diese Büchlein schrieb er auch die Tagesneuigkeiten, die Namen von Tischgenossen und Gerichten, aber er merkte hier auch das am meisten Interessirende aus den Gesprächen mit seinen Tischgenossen oder Besuchern an, sowie die Titel von ihn interessirenden Büchern. Naturwissenschaften, Reisebeschreibungen und Politik gewährten ihm in dieser Zeit bis zu den letzten Tagen seines Lebens den meisten Reiz und die befriedigendste Unterhaltung. Ueber seine abnehmende Geistes- und Körperkraft täuschte sich inzwischen Kant keineswegs. Schon seit 1799 äußerte er nicht selten gegen seine Tischgenossen: Meine Herren, ich bin alt und schwach, Sie müssen mich wie ein Kind betrachten." Ueber den Tod sprach er ohne Rückhalt, er fürchte ihn nicht und werde zu sterben wissen.

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Mit dem Januar 1804 wurde er theilnahmlos auch für seine liebsten Gewohnheiten, die Hinfälligkeit nahm zu. Den 12. Februar 1804 hauchte er seinen letzten Athemzug aus. ,,Sein Tod war ein Aufhören des Lebens und nicht ein gewaltsamer Act der Natur.“ Die Nachricht von seinem Tode machte in der Stadt einen unbeschreiblichen Eindruck; denn Kant wurde seit länger als dreißig Jahren als das Kleinod des Landes bewundert und verehrt. Die feierliche Beerdigung fand unter dem Geläute aller Glocken der Stadt und unter einem überaus zahlreichen Gefolge aus allen Ständen statt.

Kant legte großen Werth auf das, was man Cha= rakter nennt, und war selbst ein Mann von Charakter.

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