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ersten Grundsätzen, aber unmittelbar; insofern sie indessen zugleich Gründe von andern Erkenntnissen enthalten, so sind sie die ersten materialen Grundsätze der menschlichen Vernunft. Z. E. ein Körper ist zusammengesetzt, ist ein unerweislicher Satz, insofern das Prädikat als ein unmittelbares und erstes Merkmal in dem Begriffe des Körpers nur kann gedacht werden. Solche materiale Grundsätze machen, wie Crusius mit Recht sagt, die Grundlage und Festigkeit der menschlichen Vernunft aus. Denn wie wir oben erwähnt haben, sind sie der Stoff zu Erklärungen, und die Data, woraus sicher kann geschlossen werden, wenn man auch keine Erklärungen hat.

Und hierin hat Crusius Recht, wenn er andere Schulen der Weltweisheit tadelt, dass sie diese materialen Grundsätze vorbeigegangen seien und sich blos an die formalen gehalten haben. Denn aus diesen allein kann wirklich gar nichts bewiesen werden, weil Sätze erfordert werden, die den Mittelbegriff enthalten, wodurch das logische Verhältniss anderer Begriffe soll in einem Vernunftschlusse erkannt werden können, und unter diesen Sätzen müssen einige die ersten sein. Allein man kann nimmermehr einigen Sätzen den Werth materialer oberster Grundsätze einräumen, wenn sie nicht für jeden menschlichen Verstand augenscheinlich sind. Ich halte aber dafür, dass verschiedene von denen, die Crusius anführt, sogar ansehnliche Zweifel verstatten.

Was aber die oberste Regel aller Gewissheit, die dieser berühmte Mann aller Erkenntniss, und also auch der metaphysischen vorzusetzen gedenkt, anlangt: was ich nicht anders als wahr denken kann, das ist wahr u. s. w., so ist leicht einzusehen, dass dieser Satz niemals ein Grund der Wahrheit von irgend einer Erkenntniss sein könne. Denn wenn man gesteht, dass kein anderer Grund der Wahrheit könne angegeben werden, als weil man es unmöglich anders, als für wahr halten könne, so giebt man zu verstehen, dass gar kein Grund der Wahrheit weiter angeblich sei und dass die Erkenntniss unerweislich sei. Nun giebt es freilich wohl viele unerweisliche Erkenntnisse, allein das Gefühl der Ueberzeugung in Ansehung derselben ist ein Geständniss, aber nicht ein Beweisgrund davon, dass sie wahr sind.

Die Metaphysik hat demnach keine formalen oder materialen Gründe der Gewissheit, die von anderer Art wären, als die der Messkunst. In beiden geschieht das Formale der Urtheile nach den Sätzen der Einstimmung und des Widerspruchs. In beiden sind unerweisliche Sätze, die die Grundlage zu Schlüssen machen. Nur da die Definitionen in der Mathematik die ersten unerweislichen Begriffe der erklärten Sachen sind, so müssen an deren Statt verschiedene unerweisliche Sätze in der Metaphysik die ersten Data angeben, die aber eben so sicher sein können, und welche entweder den Stoff zu Erklärungen, oder den Grund sicherer Folgerungen darbieten. Es ist ebensowohl eine zur Ueberzeugung nöthige Gewissheit, deren die Metaphysik, als welcher die Mathematik fähig ist, nur die letztere ist leichter und einer grösseren Anschauung theilhaftig. 9)

Vierte Betrachtung.

Von der Deutlichkeit und Gewissheit, deren die ersten Gründe der natürlichen Gottesgelahrtheit und Moral fähig sind.

§. 1.

Die ersten Gründe der natürlichen Gottesgelahrtheit sind der grössten philosophischen Evidenz fähig.

Es ist erstlich die leichteste und deutlichste Unterscheidung eines Dinges von allen andern möglich, wenn dieses Ding ein einziges mögliche seiner Art ist. Das Objekt der natürlichen Religion ist die alleinige erste Ursache; seine Bestimmungen werden so bewandt sein, dass sie nicht leichtlich mit anderer Dinge ihren können verwechselt werden. Die grösseste Ueberzeugung aber ist möglich, wo es schlechterdings nothwendig ist, dass diese und keine andere Prädikate einem Dinge zukommen. Denn bei zufälligen Bestimmungen ist es mehrentheils schwer,

die wandelbaren Bedingungen seiner Prädikate aufzufinden. Daher das schlechterdings nothwendige Wesen ein Objekt von der Art ist, dass, sobald man einmal auf die ächte Spur seines Begriffes gekommen ist, es noch mehr Sicherheit, als die mehresten anderen philosophischen Kenntnisse zu versprechen scheint. Ich kann bei diesem Theil der Aufgabe nichts Anderes thun, als die mögliche philosophische Erkenntniss von Gott überhaupt in Erwägung ziehen; denn es würde viel zu weitläuftig sein, die wirklich vorhandenen Lehren der Weltweisen über diesen Gegenstand zu prüfen. Der Hauptbegriff, der sich hier dem Metaphysiker darbietet, ist die schlechterdings nothwendige Existenz eines Wesens. Um darauf zu kommen, könnte er zuerst fragen: ob es möglich sei, dass ganz und gar nichts existire? Wenn er nun inne wird, dass alsdann gar kein Dasein gegeben ist, auch nichts zu denken, und keine Möglichkeit stattfinde, so darf er nur den Begriff von dem Dasein desjenigen, was aller Möglichkeit zum Grunde liegen muss, untersuchen. Dieser Gedanke wird sich erweitern und den bestimmten Begriff des schlechterdings nothwendigen Wesens festsetzen. Allein ohne mich in diesen Plan besonders einzulassen, sobald das Dasein des einigen vollkommensten und nothwendigen Wesens erkannt ist, so werden die Begriffe von dessen übrigen Bestimmungen viel abgemessener, weil sie immer die grössesten und vollkommensten sind, und viel gewisser, weil nur diejenigen eingeräumt werden können, die da nothwendig sind. Ich soll z. E. den Begriff der göttlichen Allgegenwart bestimmen. Ich erkenne leicht, dass dasjenige Wesen, von welchem alles Andere abhängt, indem es selbst unabhängig ist, durch seine Gegenwart zwar allen andern der Welt den Ort bestimmen werde, sich selber aber keinen Ort unter ihnen, indem es alsdann mit zur Welt gehören würde. Gott ist also eigentlich an keinem Orte, aber er ist allen Dingen gegenwärtig in allen Orten, wo die Dinge sind. Ebenso sehe ich ein, dass, indem die auf einander folgenden Dinge der Welt unter seiner Gewalt sind, er dadurch sich nicht selbst einen Zeitpunkt in dieser Reihe bestimme, mithin, dass in Ansehung seiner nichts vergangen oder künftig ist. Wenn ich also sage, Gott sieht das Künftige vorher, so heisst dieses nicht so

viel, Gott sieht dasjenige, was in Ansehung seiner künftig ist, sondern, was gewissen Dingen der Welt künftig ist, d. i. auf einen Zustand derselben folgt. Hieraus ist zu erkennen, dass die Erkenntniss des Künftigen, Vergangenen und Gegenwärtigen in Ansehung der Handlung des göttlichen Verstandes gar nicht verschieden sei, sondern dass er sie alle als wirkliche Dinge des Universum erkenne; und man kann viel bestimmter und deutlicher dieses Vorhersehen sich an Gott vorstellen, als an einem Dinge, welches zu dem Ganzen der Welt mit gehörte.

In allen Stücken demnach, wo nicht ein Analogon der Zufälligkeit anzutreffen ist, kann die metaphysische Erkenntniss von Gott sehr gewiss sein. Allein das Urtheil über seine freien Handlungen, über die Vorsehung, über das Verfahren seiner Gerechtigkeit und Güte, da selbst in den Begriffen, die wir von diesen Bestimmungen an uns haben, noch viel Unentwickeltes ist, kann in dieser Wissenschaft nur eine Gewissheit durch Annäherung haben, oder eine, die moralisch ist. 10)

§. 2.

Die ersten Gründe der Moral sind nach ihrer gegenwärtigen Beschaffenheit noch nicht aller erforderlichen. Evidenz fähig.

Um dieses deutlich zu machen, will ich nur zeigen, wie wenig selbst der erste Begriff der Verbindlichkeit noch bekannt ist, und wie entfernt man also davon sein müsse, in der praktischen Weltweisheit die zur Evidenz nöthige Deutlichkeit und Sicherheit der Grundbegriffe und Grundsätze zu liefern. Man soll dieses oder jenes thun und das Andere lassen; dies ist die Formel, unter welcher eine jede Verbindlichkeit ausgesprochen wird. Nun drückt jedes Sollen eine Nothwendigkeit der Handlung aus, und ist einer zwiefachen Bedeutung fähig. Ich soll nämlich entweder etwas thun (als ein Mittel), wenn ich etwas Anderes (als einen Zweck) will; oder ich soll unmittelbar etwas Anderes (als einen Zweck) thun und wirklich machen. Das Erstere könnte man die Nothwendig

keit der Mittel (necessitatem problematicam), das Zweite die Nothwendigkeit der Zwecke (necessitatem legalem) nennen. Die erstere Art der Nothwendigkeit zeigt gar keine Verbindlichkeit an, sondern nur die Vorschrift als die Auflösung in einem Problem, welche Mittel diejenigen sind, deren ich mich bedienen müsse, wenn ich einen gewissen Zweck erreichen will. Wer einem Andern vorschreibt, welche Handlungen er ausüben und unterlassen müsse, wenn er seine Glückseligkeit befördern wollte, der könnte wohl zwar vielleicht alle Lehren der Moral darunter bringen, aber sie sind alsdann nicht mehr Verbindlichkeiten, sondern etwa so, wie es eine Verbindlichkeit wäre, zwei Kreuzbogen zu machen, wenn ich eine gerade Linie in zwei gleiche Theile zerfällen will, d. i. es sind gar nicht Verbindlichkeiten, sondern nur Anweisungen eines geschickten Verhaltens, wenn man einen Zweck erreichen will. Da nun der Gebrauch der Mittel keine andere Nothwendigkeit hat, als diejenige, so dem Zwecke zukommt, so sind so lange alle Handlungen, die die Moral unter der Bedingung gewisser Zwecke vorschreibt, zufällig und können keine Verbindlichkeiten heissen, so lange sie nicht einem an sich nothwendigen Zwecke untergeordnet werden. Ich soll z. E. die gesammte grösste Vollkommenheit befördern, oder ich soll dem Willen Gottes gemäss handeln; welchem auch von diesen beiden Sätzen die ganze praktische Weltweisheit untergeordnet würde, so muss dieser Satz, wenn er eine Regel und Grund der Verbindlichkeit sein soll, die Handlung als unmittelbar nothwendig, und nicht unter der Bedingung eines gewissen Zwecks gebieten. Und hier finden wir, dass eine solche unmittelbare oberste Regel aller Verbindlichkeit schlechterdings unerweislich sein müsse. Denn es ist aus keiner Betrachtung eines Dinges oder Begriffes, welche es auch sei, möglich zu erkennen und zu schliessen, was man solle, wenn dasjenige, was vorausgesetzt ist, nicht ein Zweck, und die Handlung ein Mittel ist. Dieses aber muss es nicht sein, weil es alsdann keine Formel der Verbindlichkeit, sondern der problematischen Geschicklichkeit sein würde.

Und nun kann ich mit Wenigem anzeigen, dass, nachdem ich über diesen Gegenstand lange nachgedacht habe,

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