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dadurch zu erzeugen. Also werde ich erste Grundurtheile vor aller philosophischen Erklärung der Sachen haben müssen, und es kann hiebei nur der Fehler vorgehen, dass ich dasjenige nur für ein uranfängliches Merkmal ansehe, was noch ein abgeleitetes ist. In der folgenden Betrachtung werden Dinge vorkommen, die dieses ausser Zweifel setzen werden. 4)

§. 4.

Das Objekt der Mathematik ist leicht und einfältig, das der Philosophie aber schwer und verwickelt.

Da die Grösse den Gegenstand der Mathematik ausmacht, und in Betrachtung derselben nur darauf gesehen wird, wie vielmal etwas gesetzt sei, so leuchtet in die Augen, dass diese Erkenntniss auf wenigen und sehr klaren Grundlehren der allgemeinen Grössenlehre (welches eigentlich die allgemeine Arithmetik ist,) beruhen müsse. Man sieht auch daselbst die Vermehrung und Verminderung der Grössen, ihre Zerfallung in gleiche Faktoren bei der Lehre von den Wurzeln, aus einfältigen und wenig Grundbegriffen entspringen. Einige wenige Fundamentalbegriffe vom Raume vermitteln die Anwendung dieser allgemeinen Grössenkenntniss auf die Geometrie. Man darf zum Beispiel nur die leichte Fasslichkeit eines arithmetischen Gegenstandes, der eine ungeheure Vielheit in sich begreift, mit der viel schwereren Begreiflichkeit einer philosophi schen Idee, darin man nur wenig zu erkennen sucht, zusammenhalten, um sich davon zu überzeugen. Das Verhältniss einer Trillion zur Einheit wird ganz deutlich verstanden, indessen dass die Weltweisen den Begriff der Freiheit aus ihren Einheiten d. i. ihren einfachen und bekannten Begriffen noch bis jetzt nicht haben verständlich machen können. Das ist der Qualitäten, die das eigentliche Objekt der Philosophie ausmachen, sind unendlich vielerlei, deren Unterscheidung überaus viel erfordert; imgleichen ist es weit schwerer, durch Zergliederung verwickelte Erkenntnisse aufzulösen, als durch die Synthesis gegebene einfache Erkenntnisse zu verknüpfen, und so auf Folgerungen zu kommen. Ich weiss, dass es Viele giebt, welche die Weltweisheit in Vergleichung mit

der höhern Mathesis sehr leicht finden. Allein diese nennen alles Weltweisheit, was in den Büchern steht, welche diesen Titel führen. Der Unterschied zeigt sich durch den Erfolg. Die philosophischen Erkenntnisse haben mehrentheils das Schicksal der Meinungen, und sind wie die Meteore, deren Glanz nichts für ihre Dauer verspricht. Sie verschwinden, aber die Mathematik bleibt. Die Metaphysik ist ohne Zweifel die schwerste unter allen menschlichen Einsichten; allein es ist noch niemals eine geschrieben worden. Die Aufgabe der Akademie zeigt, dass man Ursache habe, sich nach dem Wege zu erkundigen, auf welchem man sie allererst zu suchen gedenkt. 5)

Zweite Betrachtung.

Die einzige Methode, zur höchstmöglichen Gewissheit in der Metaphysik zu gelangen.

Die Metaphysik ist nichts Anderes, als eine Philosophie über die ersten Gründe unserer Erkenntniss; was demnach in der vorigen Betrachtung von der mathematischen Erkenntniss in Vergleichung mit der Philosophie dargethan worden, das wird auch in Beziehung auf die Metaphysik gelten. Wir haben namhafte und wesentliche Unterschiede gesehen, die zwischen der Erkenntniss in beiden Wissenschaften anzutreffen sind, und in Betracht dessen kann man mit dem Bischof Warburton sagen: dass nichts der Philosophie, schädlicher gewesen sei, als die Mathematik, nämlich die Nachahmung derselben in der Methode zu denken, wo sie unmöglich kann gebraucht werden; denn was die Anwendung derselben in den Theilen der Weltweisheit anlangt, wo die Kenntniss der Grössen vorkommt, so ist dieses etwas ganz Anderes und die Nutzbarkeit davon ist unermesslich.

In der Mathematik fange ich mit der Erklärung meines Objekts, z. E. eines Triangels, Zirkels u. s. w. an; in der Metaphysik muss ich niemals damit anfangen, und es ist so weit gefehlt, dass die Definition hier das Erste sei, was ich von dem Dinge erkenne, dass es vielmehr fast

jederzeit das Letzte ist. Nämlich in der Mathematik habe ich eher gar keinen Begriff von meinem Gegenstande, bis die Definition ihn giebt; in der Metaphysik habe ich einen Begriff, der mir schon gegeben worden, obzwar verworren; ich soll den deutlichen, ausführlichen und bestimmten davon aufsuchen. Wie kann ich denn davon anfangen? Augustinus sagte: ich weiss wohl, was die Zeit sei, aber wenn mich Jemand fragt, weiss ichs nicht. Hier müssen viel Handlungen der Entwicklung dunkler Ideen, der Vergleichung, Unterordnung und Einschränkung vor sich gehen, und ich getraue mir zu sagen, dass, ob man gleich viel Wahres und Scharfsinniges von der Zeit gesagt hat, dennoch die Realerklärung derselben niemals gegeben worden; denn was die Namenerklärung anlangt, so hilft sie uns wenig oder nichts, denn auch ohne sie versteht man dieses Wort genug, um es nicht zu verwechseln. Hätte man so viele richtige Definitionen, als in den Büchern unter diesem Namen vorkommen, mit welcher Sicherheit würde man nicht schliessen und Folgerungen daraus ableiten können! Allein die Erfahrung lehrt das Gegentheil.

In der Philosophie und namentlich in der Metaphysik kann man oft sehr viel von einem Gegenstande deutlich und mit Gewissheit erkennen, auch sichere Folgen daraus ableiten, ehe man die Definition desselben besitzt, auch selbst dann, wenn man es gar nicht unternimmt, sie zu geben. Von einem jeden Dinge können mir nämlich verschiedene Prädikate unmittelbar gewiss sein, ob ich gleich deren noch nicht genug kenne, um den ausführlich bestimmten Begriff der Sache d. i. die Definition zu geben. Wenn ich gleich niemals erklärte, was eine Begierde sei, so würde ich doch mit Gewissheit sagen können, dass eine jede Begierde eine Vorstellung des Begehrten voraussetze, dass diese Vorstellung eine Vorhersehung des Künftigen sei, dass mit ihr das Gefühl der Lust verbunden sei u. s. w. Alles dieses nimmt ein Jeder in dem unmittelbaren Bewusstsein der Begierde beständig wahr. Aus dergleichen verglichenen Bemerkungen könnte man vielleicht endlich auf die Definition der Begierde kommen. Allein so lange auch ohne sie dasjenige, was man sucht, aus einigen unmittelbar gewissen Merkmalen desselben Dinges kann gefolgert werden, so ist es unnöthig, eine

Unternehmung, die so schlüpfrig ist, zu wagen. In der Mathematik ist dieses, wie man weiss, ganz anders.

In der Mathematik ist die Bedeutung der Zeichen sicher, weil man sich leichtlich bewusst werden kann, welche man ihnen hat ertheilen wollen. In der Philosophie überhaupt, und der Metaphysik insonderheit, haben die Worte ihre Bedeutung durch den Redegebrauch, ausser insofern sie ihnen durch logische Einschränkung genauer ist bestimmt worden. Weil aber bei sehr ähnlichen Begriffen, die dennoch eine ziemliche Verschiedenheit versteckt enthalten, öfters einerlei Worte gebraucht werden, so muss man hier bei jedesmaliger Anwendung des Begriffs, wenn gleich die Benennung desselben nach dem Redegebrauch sich genau zu schicken scheint, mit grosser Behutsamkeit Acht haben, ob es wirklich einerlei Begriff sei, der hier mit eben demselben Zeichen verbunden worden. Wir sagen: ein Mensch unterscheidet das Gold vom Messing, wenn er erkennt, dass in einem Metalle z. E. nicht diejenige Dichtigkeit sei, die in dem andern. ist. Man sagt ausserdem: das Vieh unterscheidet ein Futter vom andern, wenn es das eine verzehrt und das andere liegen lässt. Hier wird in beiden Fällen das Wort: unterscheiden, gebraucht, ob es gleich im ersteren Falle so viel heisst, als den Unterschied erkennen, welches niemals geschehen kann, ohne zu urtheilen; im zweiten aber nur anzeigt, dass bei unterschiedlichen Vorstellungen unterschiedlich gehandelt wird, wo eben nicht nöthig ist, dass ein Urtheil vorgehe. Wie wir denn am Viehe nur gewahr werden, dass es durch verschiedene Empfindungen zu verschiedenen Handlungen getrieben werde, welches ganz wohl möglich ist, ohne dass es im mindesten über die Uebereinstimmung oder Verschiedenheit urtheilen darf.

Aus allem diesem fliessen die Regeln derjenigen Methode, nach welcher die höchstmögliche metaphysische Gewissheit einzig und allein kann erlangt werden, ganz natürlich. Sie sind von denen sehr verschieden, die man bis daher befolgt hat, und verheissen einen dermaassen glücklichen Ausgang, wenn man sie zur Anwendung bringen wird, dergleichen man auf einem andern Wege niemals hat erwarten können. Die erste und vornehmste Regel ist diese: dass man ja nicht von Erklärungen an

WO

fange, es müsste denn etwa blos die Worterklärung gesucht werden, z. E. nothwendig ist, dessen Gegentheil unmöglich ist. Aber auch da sind nur wenig Fälle, man so zuversichtlich den deutlich bestimmten Begriff gleich zu Anfange festsetzen kann. Vielmehr suche man in seinem Gegenstande zuerst dasjenige mit Sorgfalt auf, dessen man von ihm unmittelbar gewiss ist, auch ehe man die Definition davon hat. Man ziehe daraus Folgerungen, und suche hauptsächlich nur wahre und ganz gewisse Urtheile von dem Objekte zu erwerben, auch ohne sich noch auf eine verhoffte Erklärung Staat zu machen, welche man niemals wagen, sondern dann, wenn sie sich aus den augenscheinlichsten Urtheilen deutlich darbietet, allererst einräumen muss. Die zweite Regel ist: dass man die unmittelbaren Urtheile von dem Gegenstande, in Ansehung desjenigen, was man zuerst in ihm mit Gewissheit antrifft, besonders auszeichnet, und nachdem man gewiss ist, dass das eine in dem andern nicht enthalten sei, sie so, wie die Axiomen der Geometrie, als die Grundlage zu allen Folgerungen voranschickt. Hieraus folgt, dass man in den Betrachtungen der Metaphysik jederzeit dasjenige besonders auszeichne, was man gewiss weiss, wenn es auch wenig wäre, obgleich man auch Versuche von ungewissen Erkenntnissen machen kann, um zu sehen, ob sie nicht auf die Spur der gewissen Erkenntniss führen dürften, so doch, dass man sie nicht mit den ersteren vermengt. Ich führe die anderen Verhaltungsregeln nicht an, die diese Methode mit jeder andern vernünftigen gemein hat, und schreite nur dazu, sie durch Beispiele deutlich zu machen.

Die ächte Methode der Metaphysik ist mit derjenigen im Grunde einerlei, die Newton in die Naturwissenschaft einführte und die daselbst von so nutzbaren Folgen war. Man soll, heisst es daselbst, durch sichere Erfahrungen, allenfalls mit Hülfe der Geometrie die Regeln aufsuchen, nach welchen gewisse Erscheinungen der Natur vorgehen. Wenn man gleich den ersten Grund davon in den Körpern nicht einsieht, so ist gleichwohl gewiss, dass sie nach diesem Gesetze wirken, und man erklärt die verwickelten Naturbegebenheiten, wenn man deutlich zeigt, wie sie unter diesen wohlerwiesenen Regeln enthalten 'seien. Ebenso in der Metaphysik: suchet durch sichere

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