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Demnach hört der Unterschied der Wärmepole alsbald auf, wenn die Mittheilung oder Beraubung Zeit genug gehabt hat, sich durch die ganze Materie gleichförmig zu verbreiten, gleichwie die Röhre des Herrn Professor Aepinus nur einerlei Elektricität zeigt, sobald sie den Funken gezogen hat. Vielleicht dass auch die grosse Kälte der oberen Luftgegend nicht lediglich dem Mangel der Erwärmungsmittel, sondern einer positiven Ursache beizumessen ist, nämlich, dass sie in Ansehung der Wärme nach dem Maasse negativ wird, als die untere Luft und Boden es positiv sind. Ueberhaupt scheinen die magnetische Kraft, die Elektricität und die Wärme durch einerlei Mittelmaterie zu geschehen. Alle insgesammt können durch Reiben erregt werden, und ich vermuthe, dass die Verschiedenheit der Pole und die Entgegensetzung der positiven und negativen Wirksamkeit durch eine geschickte Behandlung eben sowohl bei den Erscheinungen der Wärme dürften bemerkt werden. Die schiefe Fläche des Galilei, der Perpendikel des Huygens, die Quecksilberröhre des Torricelli, die Luftpumpe des Otto Guericke und das gläserne Prisma des Newton haben uns den Schlüssel zu grossen Naturgeheimnissen gegeben. Die negative und positive Wirksamkeit der Materien, vornehmlich bei der Elektricität, verbergen allem Ansehen nach wichtige Einsichten, und eine glücklichere Nachkommenschaft, in deren schöne Tage wir hinaussehen, wird hoffentlich davon allgemeine Gesetze erkennen, was uns für jetzt in einer noch zweideutigen Zusammenstimmung erscheint. 6)

Dritter Abschnitt.

Enthält einige Betrachtungen, welche zu der Anwendung des gedachten Begriffs auf die Gegenstände der Weltweisheit vorbereiten können.

Was ich bis daher vorgetragen habe, sind nur die ersten Blicke, die ich auf einen Gegenstand von Wichtig-keit, aber nicht minderer Schwierigkeit werfe. Wenn man

von den angeführten Beispielen, die begreiflich genug sind, zu allgemeinen Sätzen hinaufsteigt, so hat man Ursache, äusserst besorgt zu sein, dass sich auf einer unbetretenen Bahn Fehltritte zutragen können, die vielleicht nur im Fortgange bekannt werden. Ich gebe demnach dasjenige, was ich noch hierüber zu sagen habe, nur für einen Versuch aus, der sehr unvollkommen ist, ob ich mir gleich von der Aufmerksamkeit, die man darauf etwa verwenden möchte, mannichfaltigen Nutzen verspreche. Ich weiss wohl, dass ein dergleichen Geständniss eine sehr schlechte Empfehlung zum Beifalle ist für diejenigen, die einen dreisten dogmatischen Ton verlangen, um sich in eine jede Richtung bringen zu lassen, darin man sie haben will. Aber ohne das mindeste Bedauern über den Verlust des Beifalls von dieser Art zu empfinden, sehe ich es einer so schlüpfrigen Erkenntniss, wie die metaphysische ist, für viel gemässer an, seine Gedanken zuvörderst der öffentlichen Prüfung darzulegen in der Gestalt unsicherer Versuche, als sie sogleich mit allem Ausputz von angemasster Gründlichkeit und vollständiger Ueberzeugung anzukündigen, weil alsdann gemeiniglich alle Besserung von der Hand gewiesen und ein jedes Uebel, das darin anzutreffen ist, unheilbar wird.

1.

Jedermann versteht leicht, warum etwas nicht ist, insofern nämlich der positive Grund dazu mangelt; aber wie dasjenige, was da ist, aufhört zu sein, dieses ist so leicht nicht verstanden. Es existirt z. E. anjetzo in meiner Seele die Vorstellung der Sonne durch die Kraft meiner Einbildung. Den folgenden Augenblick höre ich auf, diesen Gegenstand zu gedenken. Diese Vorstellung, welche war, hört in mir auf zu sein, und der nächste Zustand ist das Zero vom vorigen. Wollte ich zum Grunde hiervon angeben, dass darum der Gedanke aufgehört wäre, weil ich im folgenden Augenblicke unterlassen hätte, ihn zu bewirken, so wäre die Antwort von der Frage gar nicht unterschieden; denn es ist eben hiervon die Rede, wie eine Handlung, die wirklich geschieht, könne unterlassen werden, d. i. aufhören könne zu sein.

Ich sage demnach: ein jedes Vergehen ist ein

negatives Entstehen, d. i. es wird, um etwas Positives, was da ist, aufzuheben, eben sowohl ein wahrer Realgrund erfordert, als um es hervorzubringen, wenn es nicht ist. Der Grund hiervon ist in dem Vorigen enthalten. Es sei a gesetzt, so ist nur a a = 0, d. i. nur insofern ein gleicher, aber entgegengesetzter Realgrund mit dem Grunde von a verbunden ist, kann a aufgehoben werden. Die körperliche Natur bietet allerwärts Beispiele davon dar. Eine Bewegung hört niemals gänzlich oder zum Theil auf, ohne dass eine Bewegungskraft, welche derjenigen gleich ist, die die verlorene Bewegung hätte hervorbringen können, damit in der Entgegensetzung verbunden wird. Allein auch die innere Erfahrung über die Aufhebung der durch die Thätigkeit der Seele wirklich gewordenen Vorstellungen und Begierden stimmt damit sehr wohl zusammen. Man empfindet es in sich selbst sehr deutlich, dass, um einen Gedanken voll Gram bei sich vergehen zu lassen und aufzuheben, wahrhafte und gemeiniglich grosse Thätigkeit erfordert wird. Es kostet wirkliche Anstrengung, eine zum Lachen reizende lustige Vorstellung zu vertilgen, wenn man sein Gemüth zur Ernsthaftigkeit bringen will. Eine jede Abstraktion ist nichts Anderes, als eine Aufhebung gewisser klaren Vorstellungen, welche man gemeiniglich darum anstellt, damit dasjenige, was übrig ist, desto klarer vorgestellt werde. Jedermann weiss aber, wie viel Thätigkeit hierzu erfordert wird, und so kann man die Abstraktion eine negative Aufmerksamkeit nennen, das ist, ein wahrhaftes Thun und Handeln, welches derjenigen Handlung, wodurch die Vorstellung klar wird, entgegengesetzt ist und durch die Verknüpfung mit ihr das Zero, oder den Mangel der klaren Vorstellung zuwege bringt. Denn sonst, wenn sie eine Verneinung und Mangel schlechthin wäre, so würde dazu eben so wenig Anstrengung einer Kraft erfordert werden, als dazu, dass ich etwas nicht weiss, weil niemals ein Grund dazu war, Kraft nöthig ist.

Eben dieselbe Nothwendigkeit eines positiven Grundes zu Aufhebung eines inneren Accidens der Seele zeigt sich in der Ueberwindung der Begierden, wobei man sich der oben angeführten Beispiele bedienen kann. Ueberhaupt aber, auch ausser den Fällen, da man sich dieser entgegengesetzten Thätigkeit sogar bewusst ist und die wir

angeführt haben, hat man keinen genugsamen Grund, sie alsdann in Abrede zu ziehen, wenn wir sie nicht klar in uns bemerken. Ich gedenke z. E. anjetzt an den Tiger. Dieser Gedanke verliert sich und es fällt mir dagegen der Schakal ein. Man kann freilich bei dem Wechsel der Vorstellungen eben keine besondere Bestrebung der Seele in sich wahrnehmen, die da wirkte, um eine von den gedachten Vorstellungen aufzuheben. Allein welche bewundernswürdige Geschäftigkeit ist nicht in den Tiefen unseres Geistes verborgen, die wir mitten in der Ausübung nicht bemerken, darum weil der Handlungen sehr viel sind, jede einzelne aber nur sehr dunkel vorgestellt wird. Die Beweisthümer davon sind Jedermann bekannt; man mag unter diesen nur die Handlungen in Erwägung ziehen, die unbemerkt in uns vorgehen, wenn wir lesen, so muss man darüber erstaunen. Man kann unter anderen hierüber die Logik des Reimarus nachsehen, welcher hierüber Betrachtung anstellt. Und so ist zu urtheilen, dass das Spiel der Vorstellungen und überhaupt aller Thätigkeiten unserer Seele, insofern ihre Folgen, nachdem sie wirklich waren, wieder aufhören, entgegengesetzte Handlungen voraussetzen, davon eine die Negative der anderen ist, zu Folge den gewissen Gründen, die wir angeführt haben, ob uns gleich nicht immer die innere Erfahrung davon belehren kann.

Wenn man die Gründe in Erwägung zieht, auf welchen die hier angeführte Regel beruht, so wird man alsbald inne, dass, was die Aufhebung eines existirenden Etwas anlangt, unter den Accidentien der geistigen Naturen desfalls kein Unterschied sein könne von den Folgen wirksamer Kräfte in der körperlichen Welt, nämlich dass sie niemals anders aufgehoben werden, als durch eine wahre entgegengesetzte Bewegkraft eines Anderen; und ein inneres Accidens, ein Gedanke der Seele kann nicht aufhören zu sein, ohne eine wahrhaft thätige Kraft eben desselben denkenden Subjekts. Der Unterschied betrifft hier nur die verschiedenen Gesetze, welchen diese zweierlei Arten von Wesen untergeordnet sind; indem der Zustand der Materie niemals anders, als durch äussere Ursache, der eines Geistes aber auch durch eine innere Ursache verändert werden kann; die Nothwendigkeit der

Realentgegensetzung bleibt indessen bei diesem Unterschiede immer dieselbe.

Ich bemerke nochmals, dass es ein betrügerischer Begriff sei, wenn man die Aufhebung der positiven Folgen der Thätigkeit unserer Seele glaubt verstanden zu haben, wenn man sie Unterlassungen nennt. Es ist überaus merkwürdig, dass, je mehr man seine gemeinsten und zuversichtlichsten Urtheile durchforscht, desto mehr man solche Blendwerke entdeckt, da wir mit Worten zufrieden sind, ohne etwas von den Sachen zu verstehen. Dass ich jetzt einen gewissen Gedanken nicht habe, ist, wenn er vorher auch nicht gewesen ist, daraus freilich verständlich genug, wenn ich sage: ich unterlasse dieses zu denken; denn dieses Wort bedeutet alsdann den Mangel des Grundes, woraus der Mangel der Folge begriffen wird. Heisst es aber: woher ist ein Gedanke in mir nicht mehr, der kurz vorher war? so ist die vorige Antwort ganz nichtig. Denn dieses Nichtsein ist nunmehr eine Beraubung und das Unterlassen hat anjetzt einen ganz anderen Sinn,*) nämlich die Aufhebung einer Thätigkeit, die kurz vorher war. Dieses ist aber die Frage, die ich thue, und bei der ich mich durch ein Wort nicht so leicht abspeisen lasse. Bei der Anwendung der gedachten Regel auf allerlei Fälle der Natur hat man viel Behutsamkeit nöthig, damit man nicht fälschlich etwas Verneinendes für positiv halte, welches leicht geschieht. Denn der Sinn des Satzes, den ich hier angeführt habe, geht auf das Entstehen und Vergehen von Etwas, das da positiv ist. Z. E. das Vergehen einer Flamme, weil die Nahrung erschöpft ist, ist kein negatives Entstehen, d. i. es gründet sich nicht auf eine wahrhafte Bewegkraft, die derjenigen, wodurch sie entsteht, entgegengesetzt ist. Denn die Fortdauer einer Flamme ist nicht die Dauer einer Bewegung, die schon da ist, sondern die beständige Erzeugung neuer Bewegungen anderer brennbarer Dunsttheilchen. **) Demnach ist

*) Dieser Sinn selbst kommt dem Worte nicht einmal eigentlich zu.

**) Ein jeder Körper, dessen Theile sich plötzlich in Dunst verwandeln und also die Zurückstossung ausüben, die dem Zusammenhange entgegengesetzt ist, sprüht Feuer von sich und brennt, weil das Elementarfeuer, das vorher im Stande der Zusammendrückung war, behende frei wird und sich ausbreitet.

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