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Zeit hindurch kontinuirlich wirken, um Bewegungen hervorzubringen, wie allem Ansehen nach die Schwere ist, so muss die Kraft, die sie im Anfangsaugenblicke oder in Ruhe ausübt, gegen die, welche sie in einer Zeit mittheilt, unendlich klein sein. Es ist schwer, ich gestehe es, in die Natur dieser Begriffe hineinzudringen; aber diese Schwierigkeit kann allenfalls nur die Behutsamkeit unsicherer Vermuthungen, aber nicht entscheidende Aussprüche der Unmöglichkeit rechtfertigen.

Ich habe für jetzt die Absicht, einen Begriff, der in der Mathematik bekannt genug, allein der Weltweisheit noch sehr fremd ist, in Beziehung auf diese zu betrachten. Es sind diese Betrachtungen nur kleine Anfänge, wie es zu geschehen pflegt, wenn man neue Aussichten eröffnen will, allein sie können vielleicht zu wichtigen Folgen Anlass geben. Aus der Verabsäumung des Begriffs der negativen Grössen sind eine Menge von Fehlern oder auch Missdeutungen der Meinungen Anderer in der Weltweisheit entsprungen. Wenn es z. E. dem berühmten Herrn D. Crusius beliebt hätte, sich den Sinn der Mathematiker bei diesem Begriffe bekannt zu machen, so würde er die Vergleichung des Newton nicht bis zur Bewunderung falsch gefunden haben, *) da er die anziehende Kraft, welche in vermehrter Weite, doch nahe bei den Körpern nach und nach in eine zurückstossende ausartet, mit den Reihen vergleicht, in denen da, wo die positiven Grössen aufhören, die negativen anfangen. Denn es sind die negativen Grössen nicht Negationen von Grössen, wie die Aehnlichkeit des Ausdrucks ihn hat vermuthen lassen, sondern etwas an sich selbst wahrhaftig Positives, nur was dem anderen entgegengesetzt ist. Und so ist die negative Anziehung nicht die Ruhe, wie er dafür hält, sondern die wahre Zurückstossung.

Doch ich schreite zur Abhandlung selbst, um zu zeigen, welche Anwendung dieser Begriff überhaupt in der Weltweisheit haben könne. 1)

*) Crusius Naturl. 1. Th. §. 295.

Der Begriff der negativen Grössen ist in der Mathematik lange im Gebrauch gewesen, und daselbst auch von der äussersten Erheblichkeit. Indessen ist die Vorstellung, die sich die Mehrsten davon machten, und die Erläuterung, die sie gaben, wunderlich und widersprechend; obgleich daraus auf die Aufwendung keine Unrichtigkeit abfloss; denn die besonderen Regeln vertraten die Stelle der Definition und versicherten den Gebrauch, was aber in dem Urtheil über die Natur dieses abstrakten Begriffs geirrt sein mochte, blieb müssig und hatte keine Folgen. Niemand hat vielleicht deutlicher und bestimmter gewiesen, was man sich unter den negativen Grössen vorzustellen habe, als der berühmte Herr Professor Kästner, *) unter dessen Händen Alles genau, fasslich und angenehm wird. Der Tadel, den er bei dieser Gelegenheit auf die Eintheilungssucht eines grundabstrakten Philosophen wirft, ist viel allgemeiner, als er daselbst ausgedrückt wird, und kann als eine Aufforderung angesehen werden, die Kräfte der angemaassten Scharfsinnigkeit mancher Denker an einem wahren und brauchbaren Begriffe zu prüfen, um seine Beschaffenheit philosophisch festzusetzen, dessen Richtigkeit durch die Mathematik schon gesichert ist; welches ein Fall ist, dem die falsche Metaphysik gerne ausweicht, weil hier gelehrter Unsinn nicht so leicht wie sonst das Blendwerk von Gründlichkeit zu machen vermag. Indem ich es unternehme, der Weltweisheit den Gewinn von einem noch ungebrauchten, obzwar höchst nöthigen Begriffe zu verschaffen, so wünsche ich auch keine anderen Richter zu haben, als von der Art, wie derjenige Mann von allgemeiner Einsicht ist, dessen Schriften mir hierzu die Veranlassung geben. Denn was die

*) Anfangsgr. d. Arithm. S. 59–62.

metaphysischen Intelligenzen von vollendeter Einsicht anlangt, so müsste man sehr unerfahren sein, wenn man sich einbildete, dass zu ihrer Weisheit noch etwas könnte hinzugethan oder von ihrem Wahne etwas könnte hinweggenommen werden.

Erster Abschnitt.

Erläuterung des Begriffes von den negativen Grössen überhaupt.

Einander entgegengesetzt ist, wovon Eines dasjenige aufhebt, was durch das Andere gesetzt ist. Diese Entgegensetzung ist zwiefach; entweder logisch durch den Widerspruch, oder real, d. i. ohne Widerspruch.

Die erste Opposition, nämlich die logische, ist diejenige, worauf man bis daher einzig und allein sein Augenmerk gerichtet hat. Sie besteht darin, dass von ebendemselben Dinge etwas zugleich bejaht und verneint wird. Die Folge dieser logischen Verknüpfung ist gar Nichts (nihil negativum irrepraesentabile), wie der Satz des Widerspruchs es aussagt. Ein Körper in Bewegung ist auch Etwas (cogitabile); allein ein Körper, der in Bewegung und in ebendemselben Verstande zugleich nicht in Bewegung wäre, ist gar Nichts.

Die zweite Opposition, nämlich die reale, ist diejenige, da zwei Prädikate eines Dinges entgegengesetzt sind, aber nicht durch den Satz des Widerspruchs. Es hebt hier auch Eins dasjenige auf, was durch das Andere gesetzt ist; allein die Folge ist Etwas (cogitabile). Bewegkraft eines Körpers nach einer Gegend, und eine gleiche Bestrebung eben desselben in entgegengesetzter Richtung widersprechen einander nicht und sind als Prädikate in einem Körper zugleich möglich. Die Folge davon ist die Ruhe, welche Etwas (repraesentabile) ist. Es ist dieses gleichwohl eine wahre Entgegensetzung. Denn was durch die eine Tendenz, wenn sie allein wäre, gesetzt wird, wird durch die andere aufgehoben, und beide Tendenzen sind wahrhafte Prädikate eines und ebendesselben Dinges, die ihm zugleich zukommen. Die Folge davon

ist auch Nichts, aber in einem anderen Verstande, wie beim Widerspruch (nihil privativum, repraesentabile). Wir wollen dieses Nichts künftighin Zero: O nennen, und es ist dessen Bedeutung mit der von einer Verneinung (negatio), Mangel, Abwesenheit, die sonst bei Weltweisen im Gebrauch sind, einerlei, nur mit einer näheren Bestimmung, die weiter unten vorkommen wird.

Bei der logischen Repugnanz wird nur auf diejenige Beziehung gesehen, dadurch die Prädikate eines Dinges einander und ihre Folgen durch den Widerspruch aufheben. Welches von beiden wahrhaftig bejahend (realitas), und welches wahrhaftig verneinend (negatio) sei, darauf hat man hierbei gar nicht Acht. Z. E. finster und nicht finster in einerlei Verstande zugleich sein, ist in ebendemselben Subjekt ein Widerspruch. Das erstere Prädikat ist logisch bejahend, das andere logisch verneinend, obgleich jenes im metaphysischen Verstande eine Negation ist. Die Realrepugnanz beruht auch auf einer Beziehung zweier Prädikate ebendesselben Dinges gegen einander; aber diese ist von ganz anderer Art. Durch eines derselben ist dasjenige nicht verneint, was durch das andere bejaht ist, denn dieses ist unmöglich, sondern beide Prädikate A und B sind bejahend; nur da von jedem besonders die Folgen a und b sein würden, so ist durch beide zusammen in einem Subjekt nicht Eins, auch nicht das Andere; also ist die Folge Zero. Setzet, Jemand habe die Aktivschuld A 100 Rthlr., gegen einen Anderen, so ist dieses ein Grund einer eben so grossen Einnahme. Es habe aber eben derselbe auch eine Passivschuld B = 100 Rthlr., so ist dieses ein Grund, so viel wegzugeben. Beide Schulden zusammen sind ein Grund vom Zero, d. i. weder Geld zu geben, noch zu bekommen. Man sieht leicht ein, dass dieses Zero ein verhältnissmässiges Nichts sei, indem nämlich nur eine gewisse Folge nicht ist, wie in diesem Falle ein gewisses Kapital, und in dem oben angeführten eine gewisse Bewegung nicht ist; dagegen ist bei der Aufhebung durch den Widerspruch schlechthin Nichts. Demnach kann das nihil negativum nicht durch Zero = 0 ausgedrückt werden, denn dieses enthält keinen Widerspruch. Es lässt sich denken, dass eine gewisse Bewegung nicht sei; dass sie aber zugleich sei und nicht sei, lässt sich gar nicht denken.

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Die Mathematiker bedienen sich nun der Begriffe dieser realen Entgegensetzung bei ihren Grössen, und um solche anzuzeigen, bezeichnen sie dieselbe mit und -. Da eine solche Entgegensetzung gegenseitig ist, so sieht man leicht, dass eine die andere entweder ganz oder zum Theil aufhebe, ohne dass desfalls diejenigen, vor denen + steht, von denen, vor welchen steht, unterschieden seien. Ein Schiff reise von Portugal aus nach Brasilien. Man bezeichne alle die Strecken, die es mit dem Morgenwinde thut, mit +, und die, so es durch den Abendwind zurücklegt, mit -. Die Zahlen selbst sollen Meilen bedeuten. So ist die Fahrt in sieben Tagen +12+7 58 19 Meilen, die es nach Westen gekommen ist. Diejenigen Grössen, vor denen steht, haben dieses nur als ein Zeichen der Entgegensetzung, insofern sie mit denen, die vor sich haben, zusammen genommen werden sollen; stehen sie aber mit denen, vor welchen auch ist, in Verbindung, so findet hier keine Entgegensetzung mehr statt, weil diese ein Gegenverhältniss ist, welches nur zwischen + und angetroffen wird. Und da die Subtraktion ein Aufheben ist, welches geschieht, wenn entgegengesetzte Grössen zusammengenommen werden, so ist klar, dass das eigentlich nicht ein Zeichen der Subtraktion sein könne, wie es gemeiniglich vorgestellt wird, sondern das + und zuerst eine Abziehung bezeichnen. Daher -4—5—— 9 gar keine Subtraktion war, sondern eine wirkliche Vermehrung und Zusammenthuung von Grössen einerlei Art. Aber+9 54 bedeutet eine Abziehung, indem die Zeichen der Entgegensetzung andeuten, dass die eine in der anderen, so viel ihr gleich ist, aufhebe. Ebenso bedeutet das Zeichen für sich allein eigentlich keine Addition, sondern nur insofern die Grösse, davor es steht, mit einer anderen, davor auch steht oder gedacht wird, soll verbunden werden. Soll sie aber mit einer, davorsteht, zusammengenommen werden, so kann dieses nicht anders, als vermittelst der Entgegensetzung geschehen, und da bedeutet das Zeichen + sowohl', als das eine Subtraktion, nämlich dass eine Grösse in der anderen, so viel ihr gleich ist, aufhebe, 4 == - 5. Um deswillen bedeutet das Zeiin dem Falle 9 — 4 —— 13, keine Sub

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