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18 Vond. falschen Spitzfindigkeit d. vier syllogistischen Figuren.

praedicatum ipsi identicum; alle verneinende unter dem Satze des Widerspruchs: nulli subjecto competit praedicatum ipsi oppositum. Alle bejahende Vernunftschlüsse sind unter der Regel enthalten: nota notae est nota rei ipsius; alle verneinende unter dieser: oppositum notae opponitur rei ipsi. Alle Urtheile, die unmittelbar unter den Sätzen der Einstimmung oder des Widerspruchs stehen, das ist, bei denen weder die Identität, noch der Widerstreit durch ein Zwischenmerkmal (mithin nicht vermittelst der Zergliederung der Begriffe), sondern unmittelbar eingesehen wird, sind unerweisliche Urtheile; diejenigen, wo sie mittelbar erkannt werden kann, sind erweislich. Die menschliche Erkenntniss ist voll solcher unerweislicher Urtheile. Vor jeglicher Definition kommen deren etliche vor, sobald man, um zu ihr zu gelangen, dasjenige, was man zunächst und unmittelbar an einem Dinge erkennt, sich als ein Merkmal desselben vorstellt. Diejenigen Weltweisen irren, die so verfahren, als wenn es gar keine unerweislichen Grundwahrheiten ausser einer gebe. Diejenigen irren eben so sehr, die ohne genugsame Gewährleistung zu freigebig sind, verschiedene ihrer Sätze dieses Vorzugs zu würdigen. 4)

Versuch

den Begriff

der negativen Grössen

in die Weltweisheit einzuführen.

1763.

Vorrede.

Der Gebrauch, den man in der Weltweisheit von der Mathematik machen kann, besteht entweder in der Nachahmung ihrer Methode, oder in der wirklichen Anwendung ihrer Sätze auf die Gegenstände der Philosophie. Man sieht nicht, dass der erstere bis daher von einigem Nutzen gewesen sei, so grossen Vortheil man sich auch anfänglich davon versprach; und es sind auch allmählich die vielbedeutenden Ehrennamen weggefallen, mit denen man die philosophischen Sätze aus Eifersucht gegen die Geometrie ausschmückte, weil man bescheidentlich einsah, dass es nicht wohl stehe, in mittelmässigen Umständen trotzig zu thun und das beschwerliche non liquet allem diesem Gepränge keineswegs weichen wollte.

Der zweite Gebrauch ist dagegen für die Theile der Weltweisheit, die er betroffen hat, desto vortheilhafter geworden, welche dadurch, dass sie die Lehren der Mathematik in ihrem Nutzen verwandten, sich zu einer Höhe geschwungen haben, darauf sie sonsten keinen Anspruch hätten machen können. Es sind dieses aber auch nur die zur Naturlehre gehörigen Einsichten, man müsste denn etwa die Logik der Erwartungen in Glücksfällen auch zur Weltweisheit zählen wollen. Was die Metaphysik anlangt, so hat diese Wissenschaft, anstatt sich einige von den Begriffen oder Lehren der Mathematik zu Nutze zu machen, vielmehr sich öfters wider sie bewaffnet, und, wo sie vielleicht sichere Grundlagen hätte entlehnen können, um ihre Betrachtungen darauf zu gründen, sieht man sie bemüht, aus den Begriffen des Mathematikers nichts, als feine Erdichtungen zu machen, die ausser seinem Felde wenig Wahres an sich haben. Man kann leicht errathen,

auf welcher Seite der Vortheil sein werde in dem Streite zweier Wissenschaften, deren die eine alle insgesammt an Gewissheit und Deutlichkeit übertrifft, die andere aber sich allererst bestrebt, dazu zu gelangen.

Die Metaphysik sucht z. E. die Natur des Raumes und den obersten Grund zu finden, daraus sich dessen Möglichkeit verstehen lässt. Nun kann wohl hierzu nichts behülfflicher sein, als wenn man zuverlässig erwiesene Data irgend woher entlehnen kann, um sie in seiner Betrachtung zum Grunde zu legen. Die Geometrie liefert deren einige, welche die allgemeinsten Eigenschaften des Raumes betreffen, z. E. dass der Raum gar nicht aus einfachen Theilen bestehe; allein man geht sie vorbei und setzt sein Zutrauen lediglich auf das zweideutige Bewusstsein dieses Begriffs, indem man ihn auf eine ganz abstrakte Art denkt. Wenn denn die Spekulation nach diesem Verfahren mit den Sätzen der Mathematik nicht übereinstimmen will, so sucht man seinen erkünstelten Begriff durch den Vorwurf zu retten, den man dieser Wissenschaft macht, als wenn die Begriffe, die sie zum Grunde legt, nicht von der wahren Natur des Raumes abgezogen, sondern willkürlich ersonnen worden. Die mathematische Betrachtung der Bewegung, verbunden mit der Erkenntniss des Raumes, geben gleicher Gestalt viele Data an die Hand, um die metaphysische Betrachtung von der Zeit in dem Gleise der Wahrheit zu erhalten. Der berühmte Herr Euler hat hierzu unter anderen einige Veranlassung gegeben, *) allein es scheint bequemer, sich in finstern und schwer zu prüfenden Abstraktionen aufzuhalten, als mit einer Wissenschaft in Verbindung zu treten, welche nur an verständlichen und augenscheinlichen Einsichten Theil nimmt.

Der Begriff des unendlich Kleinen, darauf die Mathematik so öfters hinauskommt, wird mit einer angemaassten Dreistigkeit so geradezu als erdichtet verworfen, anstatt dass man eher vermuthen sollte, dass man noch nicht genug davon verstände, um ein Urtheil darüber zu fällen. Die Natur selbst scheint gleichwohl nicht undeutliche Beweisthümer an die Hand zu geben, dass dieser Begriff sehr wahr sei. Denn wenn es Kräfte giebt, welche eine

*) Hist. de l'Acad. Royale des sc. et belles lettr. L'ann. 1748.

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