Page images
PDF
EPUB

dern auch generisch übereinstimmende Formen an Naturdingen zu erkennen, setzt doch voraus, dass die Natur auch in Ansehung ihrer empirischen Gesetze eine gewisse, unserer Urtheilskraft angemessene Sparsamkeit und eine für uns fassliche Gleichförmigkeit beobachtet habe, und diese Voraussetzung muss als Prinzip der Urtheilskraft a priori vor aller Vergleichung vorausgehen.

Die reflectirende Urtheilskraft verfährt also mit gegebenen Erscheinungen, um sie unter empirische Begriffe von bestimmten Naturdingen zu bringen, nicht schematisch, sondern technisch, nicht gleichsam blos mechanisch, wie ein Instrument, unter der Leitung des Verstandes und der Sinne, sondern künstlich, nach dem allgemeinen, aber zugleich unbestimmten Prinzip einer zweckmässigen Anordnung der Natur in einem Systeme, gleichsam zu Gunsten unserer Urtheilskraft, in der Angemessenheit ihrer besondern Gesetze, (über die der Verstand nichts sagt,) zu der Möglichkeit der Erfahrung als eines Systems, ohne welche Voraussetzung wir nicht hoffen können, uns in einem Labyrinthe der Mannigfaltigkeit möglicher besonderer Gesetze zurecht zu finden. Also macht sich die Urtheilskraft selbst a priori die Technik der Natur zum Princip ihrer Reflexion, ohne doch diese erklären, noch näher bestimmen zu können, oder dazu einen objektiven Bestimmungsgrund der allgemeinen Naturbegriffe (aus einem Erkenntniss der Dinge an sich selbst) zu haben, sondern nur um nach ihrem eigenen subjektiven Gesetze, nach ihrem Bedürfnisse, dennoch aber zugleich einstimmig mit Naturgesetzen reflectiren zu können.

Das Prinzip der reflectirenden Urtheilskraft, dadurch die Natur als System nach empirischen Gesetzen gedacht wird, ist aber blos ein Prinzip für den logischen Gebrauch der Urtheilskraft, zwar ein transscendentales Prinzip seinem Ursprunge nach, aber nur, um die Natur a priori als qualificirt zu einem logischen Systeme ihrer Mannigfaltigkeit unter empirischen Gesetzen anzusehen.

Die logische Form eines Systems besteht blos in der Eintheilung gegebener allgemeiner Begriffe, (dergleichen hier der einer Natur überhaupt ist,) dadurch, dass man sich das Besondere (hier das Empirische) mit seiner Verschiedenheit als unter dem Allgemeinen enthalten, nach

einem gewissen Prinzip denkt. Hierzu gehört nun, wenn man empirisch verfährt und vom Besondern zum Allgemeinen aufsteigt, eine Classification des Mannigfaltigen, d. i. eine Vergleichung mehrerer Classen, deren jede unter einem bestimmten Begriffe steht, untereinander, und, wenn jene nach dem gemeinschaftlichen Merkmale vollständig sind, ihre Subsumtion unter höhern Classen (Gattungen), bis man zu dem Begriffe gelangt, der das Prinzip der ganzen Classification in sich enthält (und die oberste Gattung ausmacht). Fängt man dagegen vom allgemeinen Begriffe an, um zu dem besondern durch vollständige Eintheilung herabzugehen, so heisst die Handlung die Specification des Mannigfaltigen unter einem gegebenen Begriffe, da von der obersten Gattung zu niedrigeren (Untergattungen oder Arten) und von Arten zu Unterarten fortgeschritten wird. Man drückt sich richtiger aus, wenn man, anstatt (wie im gemeinen Redegebrauch) zu sagen, man müsse das Besondere, welches unter einem Allgemeinen steht, specificiren, lieber sagt, man specificire den allgemeinen Begriff, indem man das Mannigfaltige unter ihm anführt. Denn die Gattung ist (logisch betrachtet) gleichsam die Materie oder das rohe Substrat, welches die Natur durch mehrere Bestimmungen zu besondern Arten und Unterarten verarbeitet, und so kann man sagen, die Natur specificire sich selbst nach einem gewissen Prinzip (oder der Idee eines Systems), nach der Analogie des Gebrauchs dieses Worts bei den Rechtslehrern, wenn sie von der Specification gewisser roher Materien reden.

Nun ist klar, dass die reflectirende Urtheilskraft es ihrer Natur nach nicht unternehmen könne, die ganze Natur nach ihren Verschiedenheiten zu classificiren, wenn sie nicht voraussetzt, die Natur specificire selbst ihre transscendentalen Gesetze nach irgend einem Prinzip. Dieses Prinzip kann nun kein anderes, als das der Angemessenheit zum Vermögen der Urtheilskraft selbst sein, in der unermesslichen Mannigfaltigkeit der Dinge nach möglichen empirischen Gesetzen genugsame Verwandtschaft derselben anzutreffen, und sie unter empirische Begriffe (Classen) und diese unter allgemeinere Gesetze (höhere Gattungen) zu bringen, und so zu einem empirischen Systeme der Natur gelangen zu können.

Sowie

nun eine solche Classification keine gemeine Erfahrungserkenntniss, sondern eine künstliche ist, so wird die Natur, sofern sie so gedacht wird, dass sie sich nach einem solchen Prinzip specificire, auch als Kunst angesehen, und die Urtheilskraft führt also nothwendig a priori ein Prinzip der Technik der Natur bei sich, welche von der Nomothetik derselben, nach transscendentalen Verstandesgesetzen, darin unterschieden ist, dass diese ihr Prinzip als Gesetz, jene aber nur als nothwendige Voraussetzung geltend machen kann.

Das eigenthümliche Prinzip der Urtheilskraft ist also: die Natur specificirt ihre allgemeinen Gesetze zu empirischen, gemäss der Form eines logischen Systems zum Behuf der Urtheilskraft.

Hier entspringt nun der Begriff einer Zweckmässigkeit der Natur, und zwar als ein eigenthümlicher Begriff der reflectirenden Urtheilskraft, nicht der Vernunft; indem der Zweck gar nicht im Objekte, sondern lediglich im Subjekte, und zwar dessen blossem Vermögen zu reflectiren gesetzt wird. Denn zweckmässig nennen wir dasjenige, dessen Dasein eine Vorstellung desselben Dinges vorauszusetzen scheint; Naturgesetze aber, die so beschaffen und auf einander bezogen sind, als ob sie die Urtheilskraft zu ihrem eigenen Bedarfe entworfen hätte, haben Aehnlichkeit mit der Möglichkeit der Dinge, die eine Vorstellung dieser Dinge als Grund derselben voraussetzt. Also denkt sich die Urtheilskraft durch ihr Prinzip eine Zweckmässigkeit der Natur in der Specification ihrer Formen durch empirische Gesetze.

[ocr errors]

Dadurch werden aber diese Formen selbst nicht als zweckmässig gedacht, sondern nur das Verhältniss derselben zu einander, und die Schicklichkeit, bei ihrer grossen Mannigfaltigkeit, zu einem logischen Systeme empirischer Begriffe. Zeigte uns nun die Natur nichts mehr, als diese logische Zweckmässigkeit, so würden wir zwar schon Ursache haben, sie hierüber zu bewundern, indem wir nach den allgemeinen Verstandesgesetzen keinen Grund davon anzugeben wissen; allein dieser Bewunderung würde schwerlich Jemand anders, als etwa ein Transscendentalphilosoph fähig sein, und selbst dieser würde doch keinen bestimmten Fall nennen können, WO

sich diese Zweckmässigkeit in concreto bewiese, sondern sie nur im Allgemeinen denken müssen. 5)

Von der Aesthetik des Beurtheilungs-
vermögens.

Der Ausdruck einer ästhetischen Vorstellungsart 1st ganz unzweideutig, wenn darunter die Beziehung der Vorstellung auf einen Gegenstand, als Erscheinung, zur Erkenntniss desselben verstanden wird; denn alsdann bedeutet der Ausdruck des Aesthetischen, dass einer solchen Vorstellung die Form der Sinnlichkeit (wie das Subjekt afficirt wird,) nothwendig abhänge und diese daher unvermeidlich auf das Objekt (aber nur als Phänomen) übertragen werde. Daher konnte es eine transscendentale Aesthetik, als zum Erkenntniss vermögen gehörige Wissenschaft geben. Seit geraumer Zeit aber ist es Gewohnheit geworden, eine Vorstellungsart ästhetisch, d. i. sinnlich, auch in der Bedeutung zu heissen, dass darunter die Beziehung einer Vorstellung nicht aufs Erkenntnissvermögen, sondern aufs Gefühl der Lust und Unlust gemeint wird. Ob wir nun gleich dieses Gefühl (dieser Benennung gemäss) auch einen Sinn (Modification unseres Zustandes) zu nennen pflegen, weil uns ein anderer Ausdruck mangelt, so ist er doch kein objektiver Sinn, dessen Bestimmung zum Erkenntniss eines Gegenstandes gebraucht würde, (denn etwas mit Lust anschauen oder sonst erkennen, ist nicht blosse Beziehung der Vorstellung auf das Objekt, sondern eine Empfänglichkeit des Subjekts,) sondern der gar nichts zum Erkenntnisse der Gegenstände beiträgt. Eben darum, weil alle Bestimmungen des Gefühls blos von subjektiver Bedeutung sind, so kann es nicht eine Aesthetik des Gefühls als Wissenschaft geben, etwa wie es eine Aesthetik des Erkenntnissvermögens giebt. Es bleibt also immer eine unvermeidliche Zweideutigkeit in dem Ausdrucke einer ästhetischen Vorstellungsart, wenn man darunter bald diejenige versteht, welche das Gefühl der Lust und Unlust erregt, bald diejenige, welche blos das Erkenntniss vermögen angeht, sofern darin sinnliche

Anschauung angetroffen wird, die uns die Gegenstände nur als Erscheinungen erkennen lässt.

Diese Zweideutigkeit kann indessen doch gehoben werden, wenn man den Ausdruck: ästhetisch, weder von der Anschauung, noch weniger aber von Vorstellungen des Verstandes, sondern allein von Handlungen der Urtheilskraft braucht. Ein ästhetisches Urtheil, wenn man es zur objektiven Bestimmung brauchen wollte, würde so auffallend widersprechend sein, dass man bei diesem Ausdrucke wider Missdeutung genug gesichert ist. Denn Anschauungen können zwar sinnlich sein, aber das Urtheilen gehört schlechterdings nur dem Verstande (in weiterer Bedeutung genommen) zu, und ästhetisch oder sinnlich urtheilen, sofern dieses Erkenntniss eines Gegenstaudes sein soll, ist selbst alsdann ein Widerspruch, wenn Sinnlichkeit sich in das Geschäft des Verstandes einmengt und (durch ein vitium subreptionis) dem Verstande eine falsche Richtung giebt; das objektive Urtheil wird vielmehr immer nur durch den Verstand gefällt, und kann sofern nicht ästhetisch heissen. Daher hat unsere transscendentale Aesthetik des Erkenntniss vermögens wohl von sinnlichen Anschauungen, aber nirgends von ästhetischen Urtheilen reden können, weil, da sie es nur mit Erkenntnissurtheilen, die das Objekt bestimmen, zu thun hat, ihre Urtheile insgesammt logisch sein müssen. Durch die Benennung eines ästhetischen Urtheils über ein Objekt wird also sofort angezeigt, dass eine gegebene Vorstellung zwar auf ein Objekt bezogen, in dem Urtheile aber nicht die Bestimmung des Objekts, sondern des Subjekts und seines Gefühls verstanden werde. Denn in der Urtheilskraft werden Verstand und Einbildungskraft in Verhältniss gegen einander betrachtet, und dieses kann zwar erstlich objektiv, als zum Erkenntniss gehörig, in Betracht gezogen werden, (wie in dem transscendentalen Schematismus der Urtheilskraft geschah;) aber man kann eben dieses Verhältniss zweier Erkenntnissvermögen doch auch blos subjektiv betrachten, sofern eines das andere in eben derselben Vorstellung befördert oder hindert, und dadurch den Gemüthszustand afficirt, und also als ein Verhältniss, welches empfindbar ist, (ein Fall, der bei dem abgesonderten Gebrauche keines andern Erkenntnissvermögens stattfindet.) Obgleich nun diese Empfindung

« PreviousContinue »