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für scheinbar zu erklären und alle Vermögen aufs blosse Erkenntnissvermögen zu bringen gesucht. Allein es lässt sich sehr leicht darthun, und seit einiger Zeit hat man es auch schon eingesehen, dass dieser, sonst im ächten philosophischen Geiste unternommene Versuch, Einheit in diese Mannigfaltigkeit der Vermögen hereinzubringen, vergeblich sei. Denn es ist immer ein grosser Unterschied zwischen Vorstellungen, sofern sie, blos aufs Objekt und die Einheit des Bewusstseins derselben bezogen, zum Erkenntniss gehören, imgleichen zwischen derjenigen objektiven Beziehung, da sie, zugleich als Ursache der Wirklichkeit dieses Objekts betrachtet, zum Begehrungsvermögen gezählt werden, und ihrer Beziehung blos aufs Subjekt, da sie für sich selbst Gründe sind, ihre eigene Existenz in demselben blos zu erhalten, und sofern im Verhältnisse zum Gefühle der Lust betrachtet werden; welches letztere schlechterdings kein Erkenntniss ist, noch verschafft, ob es zwar dergleichen zum Bestimmungsgrunde voraussetzen mag. 5)

Die Verknüpfung zwischen dem Erkenntnisse eines Gegenstandes und dem Gefühle der Lust und Unlust an der Existenz desselben, oder die Bestimmung des Begehrungsvermögens, ihn hervorzubringen, ist zwar empirisch kennbar genug; aber da dieser Zusammenhang auf keinem Prinzip a priori begründet ist, so machen insofern die Gemüthskräfte nur ein Aggregat und kein System aus. Nun gelingt es zwar, zwischen dem Gefühle der Lust und den andern beiden Vermögen eine Verknüpfung a priori herauszubringen und, wenn wir ein Erkenntniss a priori, nämlich den Vernunftbegriff der Freiheit mit dem Begehrungsvermögen als Bestimmungsgrund desselben verknüpfen, in dieser objektiven Bestimmung zugleich subjektiv ein in der Willensbestimmung enthaltenes Gefühl der Lust anzutreffen. Aber auf die Art ist das Erkenntnissvermögen nicht vermittelst der Lust oder Unlust mit dem Begehrungsvermögen verbunden; denn sie geht vor diesem nicht vorher, sondern folgt entweder allererst auf die Bestimmung des letztern, oder ist vielleicht nichts Anderes, als die Empfindung dieser Bestimmbarkeit des Willens durch Vernunft selbst, also gar kein besonderes Gefühl und eigenthümliche Empfänglichkeit, die unter den Gemüthseigenschaften eine besondere Abtheilung erforderte.

Da nun in der Zergliederung der Gemüthsvermögen überhaupt ein Gefühl der Lust, welches, von dem Bestimmungsvermögen unabhängig, vielmehr einen Bestimmungsgrund desselben abgeben kann, unwidersprechlich gegeben ist, zu der Verknüpfung desselben aber mit den beiden andern Vermögen in einem Systeme erfordert wird, dass dieses Gefühl der Lust, so wie die beiden andern Vermögen nicht auf blos empirischen Gründen, sondern auch auf Prinzipien a priori beruhe, so wird zur Idee der Philosophie, als eines Systems, auch (wenngleich nicht eine Doctrin, dennoch) eine Kritik des Gefühls der Lust und Unlust, sofern sie nicht empirisch begründet ist, erfordert werden.

Nun hat das Erkenntnissvermögen nach Begriffen seine Prinzipien a priori im reinen Verstande (seinem Begriffe von der Natur), das Begehrungsvermögen in der reinen Vernunft (ihrem Begriffe von der Freiheit), und da bleibt noch unter den Gemüthseigenschaften überhaupt ein mittleres Vermögen oder Empfänglichkeit, nämlich das Gefühl der Lust und Unlust, so wie unter den obern Erkenntnissvermögen ein mittleres, die Urtheilskraft, übrig. Was ist natürlicher, als zu vermuthen, dass die letztere zu dem erstern ebensowohl Prinzipien a priori enthalten werde?

Ohne noch etwas über die Möglichkeit dieser Verknüpfung auszumachen, so ist doch hier schon eine gewisse Angemessenheit der Urtheilskraft zum Gefühle der Lust, um diesem zum Bestimmungsgrunde zu dienen oder ihn darin zu finden, insofern unverkennbar, dass, wenn, in der Eintheilung des Erkenntnissvermögens durch Begriffe, Verstand und Vernunft ihre Vorstellungen auf Objekte beziehen, um Begriffe davon zu bekommen, die Urtheilskraft sich lediglich aufs Subjekt bezieht und für sich allein keine Begriffe von Gegenständen hervorbringt. Ebenso, wenn, in der allgemeinen Eintheilung der Gemüthskräfte überhaupt, Erkenntnissvermögen sowohl, als Begehrungsvermögen eine objektive Beziehung der Vorstellungen enthalten, so ist dagegen das Gefühl der Lust und Unlust nur die Empfänglichkeit einer Bestimmung des Subjekts, so dass, wenn Urtheilskraft überall etwas für sich allein bestimmen soll, es wohl nichts Anderes, als das Gefühl der Lust sein

könnte, und umgekehrt, wenn dieses überall ein Prinzip a priori haben soll, es allein in der Urtheilskraft anzutreffen sein werde. 4)

Von der Erfahrung, als einem System für die Urtheilskraft.

Die Urtheilskraft, welcher es obliegt, die besondern Gesetze, auch nach dem, was sie unter den allgemeinen Naturgesetzen Verschiedenes haben, dennoch unter höhere, obgleich immer noch empirische Gesetze zu bringen, muss ein transscendentales Prinzip ihrem Verfahren zum Grunde legen; denn durch Herumtappen unter Naturformen, deren Uebereinstimmung untereinander zu gemeinschaftlichen empirischen, aber höhern Gesetzen, die Urtheilskraft gleichwohl als ganz zufällig ansähe, würde es noch zufälliger sein, wenn sich besondere Wahrnehmungen einmal glücklicher Weise zu einem empirischen Gesetze qualificirten; vielmehr aber, dass mannigfaltige empirische Gesetze sich zur systematischen Einheit der Naturerkenntniss in einer möglichen Erfahrung, in ihrem ganzen Zusammenhange schickten, ohne durch ein Prinzip a priori eine solche Form in der Natur vorauszusetzen.

Von der reflectirenden Urtheilskraft.

Die Urtheilskraft kann entweder als blosses Vermögen über eine gegebene Vorstellung, zum Behuf eines dadurch möglichen Begriffs, nach einem gewissen Prinzip zu reflectiren, oder als ein Vermögen einen zum Grunde liegenden Begriff durch eine gegebene empirische Vorstellung zu bestimmen angesehen werden. Im ersten Fall ist sie die reflectirende, im zweiten die bestimmende Urtheilskraft. Reflectiren (überlegen) aber ist: gegebene Vorstellungen entweder mit andern, oder mit seinem Erkenntnissvermögen in Beziehung auf einen dadurch möglichen Begriff zu vergleichen und zusammenzuhalten. Die reflectirende Urtheilskraft ist diejenige,

welche man auch das Beurtheilungsvermögen (facultas dijudicandi) nennt.

Das Reflectiren (welches selbst bei Thieren, obzwar nur instinktmässig, nämlich nicht in Beziehung auf einen dadurch zu erlangenden Begriff, sondern eine dadurch etwa zu bestimmende Neigung vorgeht,) bedarf für uns ebensowohl eines Prinzips, als das Bestimmen, in welchem der zum Grunde gelegte Begriff vom Objekte der Urtheilskraft die Regel vorschreibt und also die Stelle des Prinzips vertritt.

Das Prinzip der Reflexion über gegebene Gegenstände der Natur ist dass sich zu allen Naturdingen empirisch bestimmte Begriffe finden lassen, *) welches eben so viel

*) Dieses Prinzip hat beim ersten Anblicke gar nicht das Ansehen eines synthetischen und transscendentalen Satzes, sondern scheint vielmehr tautologisch zu sein und zur blossen Logik zu gehören. Denn diese lehrt, wie man eine gegebene Vorstellung mit einer andern vergleichen und dadurch, dass man dasjenige, was sie mit verschiedenen gemein hat, als ein Merkmal zum allgemeinen Gebrauche herauszieht, sich einen Begriff machen könne. Allein ob die Natur zu jedem Objekte noch viele andere als Gegenstände der Vergleichung, die mit ihm in der Form Vieles gemein haben, aufzuzeigen habe, darüber lehrt sie nichts; vielmehr ist diese Bedingung der Möglichkeit der Anwendung der Logik auf die Natur ein Prinzip der Vorstellung der Natur, als eines Systems für unsere Urtheilskraft, in welchem das Mannigfaltige, in Gattungen und Arten eingetheilt, es möglich macht, alle vorkommenden Naturformen durch Vergleichung auf Begriffe (von mehrerer oder minderer Allgemeinheit) zu bringen. Nun lehrt zwar schon der reine Verstand (aber auch durch synthetische Grundsätze) alle Dinge der Natur als in einem transscendentalen Systeme nach Begriffen a priori (den Kategorien) enthalten zu denken; allein die Urtheilskraft, die auch zu empirischen Vorstellungen, als solchen, Begriffe sucht (die reflectirende), muss noch überdem zu diesem Behuf annehmen, dass die Natur in ihrer grenzenlosen Mannigfaltigkeit eine solche Eintheilung derselben in Gattungen und Arten getroffen habe, die es unserer Urtheilskraft möglich macht, in der Vergleichung der Naturformen Einhelligkeit anzutreffen, und zu empirischen Begriffen und dem Zusammenhange derselben untereinander, durch Aufsteigen zu allgemeinern gleichfalls empirischen Begriffen zu gelangen, d. i. die Urtheilskraft setzt ein System der Natur auch nach empirischen Gesetzen voraus, und dieses a priori, folglich durch ein transscendentales Prinzip.

sagen will, als dass man allemal an ihren Produkten eine Form voraussetzen kann, die nach allgemeinen, für uns erkennbaren Gesetzen möglich ist. Denn dürften wir dieses nicht voraussetzen, und legten unserer Behandlung der empirischen Vorstellungen dieses Prinzip nicht zum Grunde, so würde alles Reflectiren blos aufs Gerathewohl und blind, mithin ohne gegründete Erwartung ihrer Zusammenstimmung mit der Natur angestellt werden.

In Ansehung der allgemeinen Naturbegriffe, unter denen überhaupt ein Erfahrungsbegriff (ohne besondere empirische Bestimmung) allererst möglich ist, hat die Reflexion im Begriffe einer Natur überhaupt, d. i. im Verstande, schon ihre Anweisung, und die Urtheilskraft bedarf keines besondern Prinzips der Reflexion, sondern schematisirt dieselbe a priori und wendet diese Schemate auf jede empirische Synthesis an, ohne welche gar kein Erfahrungsurtheil möglich wäre. Die Urtheilskraft ist hier in ihrer Reflexion zugleich bestimmend, und der transscendentale Schematismus derselben dient ihr zugleich zur Regel, unter der gegebene empirische Anschauungen subsumirt werden.

Aber zu solchen Begriffen, die zu gegebenen empirischen Anschauungen allererst sollen gefunden werden, und welche ein besonderes Naturgesetz voraussetzen, darnach allein besondere Erfahrung möglich ist, bedarf die Urtheilskraft eines eigenthümlichen, gleichfalls transscendentalen Prinzips ihrer Reflexion, und man kann sie nicht wiederum auf schon bekannte empirische Gesetze hinweisen und die Reflexion in eine blosse Vergleichung mit empirischen Formen, für die man schon Begriffe hat, verwandeln. Denn es fragt sich, wie man hoffen könne, durch Vergleichung der Wahrnehmungen zu empirischen Begriffen desjenigen, was den verschiedenen Naturformen. gemein ist, zu gelangen, wenn die Natur (wie es doch zu denken möglich ist,) in diese, wegen der grossen Verschiedenheit ihrer empirischen Gesetze, eine so grosse Ungleichartigkeit gelegt hätte, dass alle, oder doch die meiste Vergleichung vergeblich wäre, eine Einhelligkeit und Stufenordnung von Arten und Gattungen unter ihnen herauszubringen. Alle Vergleichung empirischer Vorstellungen, um empirische Gesetze und diesen gemässe specifische, durch dieser ihre Vergleichung aber mit an

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