Page images
PDF
EPUB

Katholischen Gottesdienst beyzuwohnen, sich zu solcher Kirche zu halten und von einem Katholischen Prediger darunter besorget zu werden, und zwar auf gleiche Art und Weise, wie es darunter allhier bei den Regimentern mit den Soldaten, so Katholischer Religion seynd, gehalten wird“1).

Friedrich an Algarotti, den 20. Februar 1751, als der Pabst sich in einem Briefe an diesen über die glückliche Lage der katholi schen Kirche in Preußen freudig dankbar ausgesprochen:

وو

Vous pouvez mieux qu'un autre être le garant de mon admiration et de mes sentimens pour le Saint-Père, et de la façon dont les Catholiques sont non seulement tolerés, mais même protegés dans mes etats").

Wie der katholische, so hatte jeder andere Glaube in Frie drich's Staten das Recht eines freien Bekenntnisses; ja, der König bot allen Geistlichen, wie allen Wahrheitsforschern überhaupt, welche ihrer Überzeugungen, oder freisinniger Schriften wegen in andern Gegenden verfolgt wurden, in seinem Gebiete einen ungestörten Aufenthalt.

Wir fühlen eine wahrhaft preußische Freude, wenn wir die Hugenotten, und Salzburger, und andere Gesellschaften einwandern sehen und neben ihnen Christian Thomasius aus Leipzig vertrieben, Philipp Jacob Spener durch harte Kränkungen in Dresden zur Auswanderung genöthigt, August Herman Francke aus Erfurt verjagt, Johann Wilhelm Petersen von seiner Superintendentur in Lüneburg verdrängt und in Magdeburg aufgenommen, auch den Kirchen- und Keßerhistoriker Gottfried Arnold nach Perleberg sich flüchten sehen und dann auf das hellsehende Jahrhundert Friedrichs des Zweiten kommen,,,der gleich Valentinian dem Ersten seine Regirung auch dadurch verherrlichet, daß er Niemand seiner Religion wegen beunruhigen lässt, und zwischen allen Religionsparteien mit so viel stärkerem Arm das Gleichgewicht hält, um so viele Zentner schwerer es seit dem 4. Jahrhunderte geworden ist." So Wilhelm Abraham Teller, welcher als Generalsuperintendent und Profeffor in

[ocr errors]

1) Urkundlich.

2) Correspondance de Fr. II. avec Algarotti. p. 151.

Helmstädt 1764 sein berühmtes „Lehrbuch des christlichen Glaubens,“ die erste freisinnigere Dogmatik herausgab, und sich dadurch so viele Verfolgungen zuzog, daß er den Ruf nach Berlin als Probst bei St. Petri gern annahm: der Oberkonsistorialrath Diterich und der Minister von Münchhausen hatten das Verdienst, dem preußischen State diesen helldenkenden Gottesgelehrten zuzuwenden; der landschaftliche Sekretär aber dankte, wie der Abt Henke 1793 dem Buchhändler Nicolai erzälte, dem Herzoge von Braunschweig öffentlich auf dem Landtage,,, daß er einen so bösen Mann, wie Teller, aus dem Lande gebracht;" Teller wurde von seinem eigenen Bruder, Prediger in Zeiz, in einer Schrift verdammt; Kursachsen konfiszirte das Buch.

[ocr errors]

Johann August Hermes, Präpositus zu Wahren in Mecklenburg, gab seit 1771 ein Wochenblatt,,Beiträge zur Beförderung wahrer Gottseligkeit" heraus und wurde deshalb von seiner Regirung, namentlich von den beiden Konsistorialräthen Doederlein und Fidler so lieblos bedrängt, daß er auswandern musste; Preußen nahm ihn gastlich auf; er wurde 1773 auf Friedrich's Ruf Inspektor zu Jerichow; dann Prediger in Dittfurt; 1780 Oberhofprediger in Quedlinburg.

Der gelehrte und rechtschaffne Töllner, seit 1756 Professor der (lutherischen) Theologie und seit 1760 auch Profeffor der Philosophie in Frankfurt, fand hier und außerhalb vielen Widerspruch; aber in Friedrichs Staten konnte er wirken und viele aufgeklärte Schüler zichen.

Johann August Eberhard, an dessen „Neuer Apologie des Sokrates oder Untersuchung der Lehre von der Seligkeit der Heiden" das Volk mit etlichen blödsichtigen Führern Ärgerniss nahm, fand 1774 an dem Könige selbst einen unmittelbaren Fürsprecher wegen der Pfarre in Charlottenburg; 1778 bekam er, nach Meyer's Tode, den philosophischen Lehrstuhl in Halle: die theologische Fakultät der Universität aber ertheilte dem verdienten Manne, grade in Rücksicht auf die Neue Apologie des Sokrates und für sein „Urchristenthum," die Würde eines Doktors der Gottesgelahrtheit.

In Halle durfte auch der, wenigstens sehr seltsame Dr. Bahrdt seit 1779 als Privatdozent der schönen Wissenschaften mit seinen Talenten wirken. Der Reichshofrath hatte ihn, seiner „Überseßùng

des Neuen Testaments" wegen, widerrechtlich aus dem deutschen Reiche verbannt. Der Minister von Zedliß begrüßte ihn schriftlich als willkommen in den preußischen Staten und sagte: „Genießen Sie nun, nach so vielen überstandenen Leiden und Gefahren der Ruhe." Der Minister von Münchhausen brachte ihm selbst seinen Sohn zur weiteren philologischen Ausbildung. Als Bahrdt eine ,,Appellazion an das Publikum" schrieb gegen eine vermeintliche Zensurbedrückung; so gab die in der That hochwürdige theologische Fakultät in Halle: Semler, Nöffelt, Schulze, Knapp, Niemeyer, 1785, als betheiligte Behörde, eine Erklärung über dieselbe in Druck ').

1764 erschien die „Übersetzung des neuen Testaments" von dem Rektor Damm in Berlin und erregte durch ganz Deutschland erstaunliche Aufmerksamkeit. Seine Freimüthigkeit, die gewiss auch nicht ohne Einfluss geblieben ist, galt selbst in Berlin noch Einigen für Verwegenheit. Als er einst auf dem Schlossplate ging, trat ihn ein Mann mit der Frage an: „ob er der Rektor Damm sei?" Dieser bejahete es; jener aber spie aus und sprach: „Bist du der Bösewicht, der uns den Herrn Christum rauben will? Verflucht sei dein Ausgang und dein Eingang!" Damm antwortete ruhig: ,,Gott vergebe es ihm, daß er flucht. Christus sagt: „Segnet, die „Gott euch fluchen; bittet für die, die euch beleidigen." So ging er un ter Verwünschungen des Pöbels nach Hause. Aber des Königs Adler schüßte ihn vor andern Verfolgungen. - In den 70ger Jahren verargte man dem würdigen Prediger Eberhard den Umgang mit Moses Mendelssohn. So groß war das Vorurtheil in Berlin: Friedrich hat es gemildert, gehoben.

Johann Michael von Loen kam, als er sein Buch „die einzig wahre Religion, verwirrt durch die Sekten, vereiniget in Christo“ 1750 schrieb, welches Duldsamkeit, besonders zwischen Lutheranern und Reformirten befördern sollte, mit den Theologen in Streit; er verließ seine Vaterstadt Frankfurt a. M. und nahm von Friedrich), der ihn als einen vorurtheilsfreien Mann schäßte, die Stelle eines Geheimen Rathes und Regirungspräsidenten der Grafschaften Tecklen

1) S. Bahrdt's Geschichte seines Lebens, den 4. Band. Berlin bei Vieweg 1791.

burg und Lingen an. v. Loen starb 1776 in Lingen 1). Was ihn aus Frankfurt vertrieben hatte, war damals im preußischen State schon so allgemeiner Grundsaß, daß selbst unter den vorzüglicheren Theologen darüber kein Hader war; wie denn auch der Prediger Lütke in Berlin 1774 schon ein kostbares Buch „Über Toleranz und Gewissensfreiheit“ schrieb.

van der Mark, Professor des Natur- und Völkerrechts auf der Universität Gröningen, wurde von seinem Amtsgenossen, dem theologischen Professor Chevalier beschuldigt, daß er wider die kontraremonstrantische Lehre von der Erbsünde und dem geistlichen Unvermögen des Menschen in seinen Vorlesungen angestoßen habe. van der Mark, 1772 von der Synode verurtheilt und genöthigt mit neun Kindern auszuwandern, wurde von Preußen aufgenommen als Professor am akademischen Gymnasium in Lingen 2).

Ernst Joseph Alexander Seyfert, in Böhmen geboren, wurde Piaristenmönch und flüchtete sich, als er seiner unabhängigeren Religionsansichten wegen nach Rom gefordert wurde, in die preußischen Staten; er machte sich in Halle mit der evangelischen Theologie vertraut und ließ sich dann in Magdeburg nieder, um der Wissenschaft zu leben 3).

Denina, als Priester und als Professor in seinem Vaterlande Piemont verfolgt, wünschte in der Fremde eine Zuflucht zu finden, um ein Werk über die Revoluzionen Deutschlands zu schreiben. Als der preußische Resident am Turiner Hofe, von Chambrier, das erfuhr, so gab er dem Minister von Herzberg und dem Marquis Lucchesini Nachricht davon, worauf Friedrich ihm sagen ließ: er finde an seinem Hofe alle nöthige Mittel und Freiheiten zu arbeiten. So kam Denina 1782 nach Berlin als Mitglied der Akademie der Wissenschaften ").

1) über v. Loen (Göthe's Verwandten) s. „Aus meinem Leben Dichtung und Wahrheit" (Göthe's Werke 1818. Thl. 7. S. 115.)

2) S. Lüdke über Toleranz S. 304.

3) Seyfert wurde 1745 den 11. April zu Zittolip geboren, lebte seit 1780 in Magdeburg und starb daselbst 1832 den 25. April. Er ist Verfaffer der „Auf Geschichte und Kritik gegründeten lateinischen Sprachlehre." Brandenburg 1798 bis 1802. 5 Bånde.

4) S. Geschichte der italiänischen Literatur seit der 2ten Hälfte des 18ten Jahrhunderts. Von Camillo Ugoni in Brescia. Aus dem Italiani

[ocr errors]

Christian Ernst Wünsch, welchem sein,,Horus, oder astrognostisches Endurtheil über die Offenbarung Johannis und über die Weissagungen auf den Messias, wie auch über Jesum und seine Jünger"1). Ebenezer (Berlin) 1783, in Sachsen Verfolgung zuzog, wurde 1783 als Profeffor der Mathematik und Naturlehre nach Frankfurt an der Oder berufen.

Im Februar 1748 kam der, seiner freilich sehr materialistischen Schriften wegen in Frankreich verfolgte de la Metrie nach Berlin, auf welchen der König eine Lobrede schrieb, in der die merkwürdigen Worte stehen: Le titre de Philosophe et de Malheureux fut suffisant pour procurer à Mr. la Metrie un asyle en Prusse, avec une pension du Roi;“ zu seinem Ruhme aber fügt der Verfasser hinzu:,, er hatte une ame pure et un coeur serviable."

وو

Aber Friedrich erwies nicht den unglücklichen Freisinnigen allein eine Wohlthat. Viele dieser Vertriebenen waren herrliche Männer, welche dem neuen Vaterlande in dankbarem Wirken mancherlei wohlthätige Segnungen zubrachten. Wir wollen, da der eingewanderten Schriftsteller schon gedacht ist, beispielsweise nur noch der Bereicherung des Heeres durch Einwanderer erwähnen. Im öfterreichischen Heere wurden damals die Evangelischen immer zurückgeseßt, wenn nicht Männer wie Eugen sich ihrer annahmen. Friedrich hieß viele solche Missvergnügte willkommen, namentlich viele geborne Ungarn, Siebenbürgen und andere Ausländer: die Ruesch, Dieuri, Hallasch, Somogy, Nagi, Keöeszegy, Szerdehaly, Székely, die beiden Malachowsky, Podjursky, Favrat, Keith, Rothenburg 2) und

[ocr errors]

schen. Zürich 1830. Theil 3.- Denina's Prusse littéraire machte die Italiåner und Franzosen mit unsrer Literatur bekannt. 1792 ging Denina nach Italien zurück, wurde 1804 Napoleons Bibliothekar und starb 1813 den 5. Dez. in Paris.

1) Gegen den Horus schrieben Lüderwald (1784) und SandbuchIer (1785). Wünsch starb 1828 den 28. Mai zu Frankf. a. d. O. im 84. Jahre. Er hat unter dem Titel „Esoterica" sein Leben selbst geschrieben.

2) Franz Andreas v. Favrat, aus Savoyen, war katholisch; eben so der 1720 im Bisthume Ermeland geborene Pole v. Podjursky; Graf Rothenburg, 1710 zu Polnisch - Netkau geboren, war Freund des Königs und betrieb, als Haupt der Katholiken in Berlin, unter Frie

« PreviousContinue »