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wesen; so waren die Schüler unterrichteter, als der unter den Waffen ergraute Lehrer. Übrigens wandte der König auch hie und da noch bei günstigen Gelegenheiten den Landschulen seine Geldhülfe zu, z. B. als er 1782 dem pommerschen Adel 175,000 Thlr. zu 2 und zu 1 p. C. vorschoff'); da bestimmte er diese Zinsen zu Gnadengeldern für Offizierswitwen oder Waisen und zur Unterhaltung einer gewissen Anzahl Schulmeister. Unter ähnlichen Bedingungen gab er das Jahr darauf für denseiben Adel noch 218,000 Thlr. 2).

Bei dem Allen begründen sich in dieser Zeit die dem preußischen State jezt so sehr zum Ruhme gereichenden Schullehrerseminare 3). Das erste stiftete Hecker bei der Realschule in Berlin 1750); das zweite der Konsistorialrath Struensee, 1778, in Halberstadt; das dritte, in den ersten achtziger Jahren, bildete der Rektor Funk aus den Chorschülern der Magdeburger Domschule; für Pomdie Neumark und Westpreußen errichtete der König selbst 1783 zu Stettin ein Landschullehrerseminar, dessen sich der Generalsuperintendent Göhring sehr erfolgreich annahm.

mern,

Jezt haben wir, für unsre 23,000 Volksschulen 28 königliche, evangelische und katholische, Schulmeisterseminare, außer welchen sich noch manche Geistliche mit der Vorbereitung zum Elementarschulamte segensreich beschäftigen.

Auch mit unsern gegenwärtigen, zum Theil so reichbedachten 113 Gymnasien kann die damalige Zeit im Großen und Ganzen

1) Was Friedrich zum Besten des Adels gethan, hat der Minister v. Herzberg in den Betrachtungen über die innerliche Stärke der Staten und ihre verhältnissmåßige Macht gegen einander (1782) S. 12—14 zusammengestellt; vergl. desselben Ministers Abhandlung über die beste Regirungsform S. 30 f. und seine Abhandlung über die großen Veränderungen der Staten, besonders in Deutschland (1783) S. 30 f.

2) v. Herzberg 3te Abhandlung. Über die geringe Besoldung der Schulmeister in der Kurmark s. Büsching Reise nach Rekahn. 2te Aufl. 1780. S. 352.

3) Schon König Friedrich Wilhelm I. hatte an diese heilsamen Anstalten gedacht; s. Beilage 6.

4) S. Auszug aller bisher ergangenen K. Pr. und Kurfürßlich Brandenburgischen Geseße, Befehle und Verordnungen, welche das gesammte Schulwesen betreffen. Berlin 1764. 196 Quartseiten, S. 184 ff.

sich nicht messen. Im Allgemeinen stand es zu Friedrichs Zeiten so, daß alle Stadtschulen, ohne Rücksicht auf die künftige Bestimmung des Handwerkers, des Kaufmanns - des Gewerbetreibenden überhaupt, einen gewissen gelehrten Zuschnitt an sich trugen, und weder für den künftigen Geschäftsmann, noch für den Studirenden genug leisteten, womit nicht gesagt werden soll, daß selbst in einzelnen kleinen und Mittel - Städten nicht allseitig wackere Männer seien gebildet worden, wie denn auch die Troßendorf und Comenius ohne äußere Beihülfe da Wunder gethan, wo Andere ihrer nicht mächtig sein dürften; was denn auch von den eigentlichen Gymnasien und Lyzeen unter Friedrichs Regirung gilt, deren allgemeine Einrichtung darauf hinauslief, daß sie das Latein als den wesentlichsten Lehrgegenstand ansahen; Griechisch wurde fast gar nicht gelehrt: vier wöchentliche Stunden fielen dem griechischen neuen Testamente zu. Die Mathematik galt nichts; die Geschichte schöpfte man dürftig aus Hübner's Fragen und aus Hilmar Curas, nur als Gedächtnisswerk, indem man, wie beim Latein, viel auf den Buchstaben, desto weniger auf den Geist gab. Eben so gings mit dem Rechnen und mit dem wenigen für Geographie ausgegebenen statistischen Notizenkram. Von der Muttersprache klagt Sulzer: daß sie in den Schulen Deutschlands zum Erstaunen der klügeren Nach. welt beinahe ganz vernachlässiget werde '); der eigentliche Gelehrte, 3. B. David Ruhnken, 1723 zu Stolpe in Pommern geboren, hielt sie gradezu unter seiner Würde.

Friedrich dachte oftmals, wie an die Schulen des Landvolks und der kleinen Städte; so auch an seine Gymnasien. Aber er scheint sie, nach seiner Lettre sur l'éducation vom Jahre 1770 2), wenig gekannt zu haben. Indess erhellet aus Sulzer's Lebensbeschreibung ), daß der König recht ernstlich um die Verbesserung dieser Gelehrtenschulen bemüht war. Johann Georg Sulzer, 1720

1) Kurzer Inbegriff aller Wissenschaften. (Zuerst) Leipzig 1745; ganz verändert 1759. S. 11 dieser neuen Auflage v. 1759 steht die im Texte angeführte Stelle.

2) Oeuvres publiées du vivant de l'auteur. T. 2.

3) Von Sulzer selbst geschrieben und von Friedr. Nicolai 1809 auf 68 Großoktavseiten herausgegeben. S, 50.

zu Winterthur im Kanton Zürich geboren, wurde durch Maupertuis dem Monarchen empfohlen und 1747 als Professor der Mathematik beim Joachimsthalschen Gymnasium berufen, auch 1750 zum Mitgliede der Akademie der Wissenschaften ernannt. Er erwarb sich Friedrich's großes Zutrauen im Schulfache und wurde 1766, als der Hofprediger Sack dieses Amt niederlegte, zum Visitator des Joachimsthalschen Gymnasiums bestellt, um auf demselben eine Reform durchzuführen, welche der König zwar genehmigte, welche aber erst der Direktor Meierotto ganz in's Leben zu stellen fähig war. Friedrich hatte immer sehr viel auf das Joachimsthalsche Gymnasium gehalten, auch sich mit dem alten Rektor Heinius 1763 über dasselbe und über gelehrte Gegenstände unterhalten. Heinius bekam 1768 an Dr. Stosch einen Gehülfen und im folgenden Jahre einen wirklichen Nachfolger, welcher indeff schon 1771 als Generalsuperintendent nach Detmold ging; wobei man bemerken kann, daß der Theologe damals zugleich Pädagoge war und das Schulamt wie ein Fegfeuer ansah, welches die Regirung dann mit einer guten Pfarre vergütigte. Vier Jahre vergingen nun im Joachimsthale, ehe ein neuer Rektor ernannt war. Man könnte, sagt der Professor Brunn '), als Lebensbeschreiber seines Kollegen Meierotto, diese Periode füglich die Zeit der Anarchie nennen. Es herrschte in derselben ein sehr roher und wilder Renommistenton. Die Neuankommenden auf das Gröbste zu misss handeln, die Inspektoren zu verhönen und öffentlich zu beschimpfen, ja selbst manche Lehrer in den Klassen und im Speisesale auszuzischen und auszutrommeln, Karzer- und Arreststrafe für eine Ehre zu halten, war so ziemlich in der Regel. Im Äußern zeichneten sich die Alumnen aus durch lange, bis weit über die Knie gehende, gewichste Stülpstiefeln, durch gelbe lederne Beinkleider und durch große Hüte, deren Seitenspißen fast die Schultern berührten. Die Schüler der untern Klassen mussten sich von den Primanern und Sekundanern Alles gefallen lassen, und die geringste Widerseßlichkeit zog ihnen körperliche Misshandlungen zu. Fremde, und vornehmlich die Vorbeigehenden, wurden häufig beleidigt und gekränkt. Des Abends in großen Gesellschaften.

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1) Meierotto's Leben von Brunt. S. 155.

Taback zu rauchen (welches nach den Gesetzen durchaus verboten ist), dabei Bier im Übermaß zu trinken und rohe Studentenlieder zu fingen, oft ganze Nächte beisammen zu bleiben und Karten zu spielen, war nichts Ungewöhnliches; ja, es kam selbst mehrmals zu wirklichen Ausbrüchen der wilden Rohheit. Die Gymnasiasten standen in der Stadt in dem übelsten Rufe und die Eltern und Vormünder fingen an, dem Institute ihr Zutrauen zu entziehen, wodurch eine merkliche Abnahme der Zahl der Schüler die unmittelbare Folge war." Meierotto, dessen Name noch immer in ruhmvollem Andenken lebt, hatte dieses Unwesen bald vertilgt.

Nächst dem Joachimsthalschen Gymnasium lag dem Könige die alte, schon zu Anfange des elften Jahrhunderts als Musterschule sehr berühmte Lehranstalt zu Kloster - Bergen bei Magdeburg am Herzen, welche 1810 unter westphälischer Regirung geschlossen wurde. Sie hatte 1732 den Abt Steinmeß zum Vorsteher bekommen, welcher, neben August Hermann Francke als Stern erster Größe am pädagogischen Himmel glänzte, durch Gelehrsamkeit (ohne drucken zu lassen) und durch wahre Frömmigkeit gleich ausgezeichnet, Pietist, wie Francke, im vollen Sinne des Wortes; kein Phantast, kein Kopfhänger, kein Heuchler. „In Kloster-Bergen hat Wieland, 1748 bis 50, in allen konzentrirten jugendlichen Zartgefühlen gewandelt, zu höherer literarischer Bildung den Grund gelegt, wo Abt Steinmetz im frommen Sinne, vielleicht einseitig, doch redlich und kräftig wirkte. Und wohl bedarf die Welt in ihrer unfrommen Einseitigkeit, auch solcher Licht- und Wärmequellen, um nicht durchaus im egoistischen Irrsale zu erfriern und zu verdursten“ '). Steinmetz waltete 30 Jahre in Licht und Wärme religioser Begeisterung und Selbstständigkeit zum Segen von Kloster - Bergen und erfreuete sich der schmeichelhaftesten Theilnahme des großen Königs 2). Sein Nachfolger, der Abt Hähn, war ein schwacher Kopf, eigensin

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1) v. Githe's Werke. Vollständige Ausgabe lehter Hand. 31. Band. Stutg. und Tübingen 1831. kl. 8. S. 210. Auch S. 238 des 32. Bandes kommt Göthe auf Kloster-Bergen zurück: wo eine Erziehungsund Lehranstalt unter der Aufsicht des wahrhaft frommen Abtes Steinmeh in gutem Rufe stand."

2) Urkundenbuch. Thl. 1. S. 195. Nr. 510.

nig, herrschsüchtig und von falschem Pietismus getrieben, welcher zur Heuchelei führt; so schildern ihn die Annalen der Anstalt 1). Und, wie seine Karakterlosigkeit des wahrhaft religiosen Lebens in der Formelsucht kirchlicher Hülle entbehrte; so erfand er sich auch als Pädagog in der sogenannten Literalmethode, welche er zuerst in der Realschule zu Berlin verkündigte, einen ähnlichen didakti= schen Mechanismus. Methoden aller Art finden an dem oberflächlichen großen Haufen immer einen breiten und bereitwilligen Bekenner, weil der bodenlose Lehrer eben in ihnen stets den Zauberstab zu finden wähnen wird, welcher doch allein wohlthuendes Eigenthum des gründlich gebildeten Geistvollen sein kann. Die Literalmethode erregte, so geisttödtend sie war, ein großes Aufsehen und machte ein unverdientes Glück. Silberschlag, des vortrefflichen, religiosen Hecker Nachfolger, führte sie bei der Realschule ein, ohne die Schmach ihres Verfalles von sich abwehren zu können; denn Heckers Geist fehlte, dessen pietistische Vortrefflichkeit Friedrich's schmeichelhafte Anerkennung genossen 2). Hähn brachte seine nichtsnußige Ausgeburt der Methodensucht3) nach Kloster-Bergen und nach Magdeburg, wo Resewiß jedoch sie bald wieder ausrottete. Kloster - Bergen aber, bis dahin Friedrich's Freude und der Stolz des preußischen Stats, verfiel. Da erhob sich der König in Unwillen gegen den schlechten Haushalter. Der Abt Tauget nichts, schrieb er den 11. Jun 1770 auf den Rand einer Ministerialeingabe, Man Mus Einen Andern in der Stelle haben Kein Mensch wil jezo Seine Kinder dahin Schicken weil der Kerel ein übertriebener pietistischer Narr ist“ *). Darauf

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1) Kurze Geschichte der Schule zu Kloster-Bergen bis zu ihrer Aufhebung. Magdeburg 1812. 98 S. 8. 12 gr.

2) S. Urkundenbuch Thl. 1. S. 191. Nr. 498.

3) Håhn's Abhandlung von der Litteralmethode. Berlin 1777; beurtheilt im 2. Bande der Berlinschen Monatschrift. 1784. S. 164 ff. — Niemeyer spricht von der unglücklichen“ Hähnschen Litteralmethode in den Grundsäßen der Erziehung und des Unterrichts. Thl. 3. (6. Ausgabe.) S. 460; 2. Thl. S. 296.

4) Büsching's Charakter Friedrich's des Zweiten K. v. Pr. 2. Ausgabe. Halle 1788. S. 67; wo man auch S. 62 bis 71 alle auf Hähn bezüg= liche Kabinetsordres und Anderes der Art beisammen findet.

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