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den sehr wenige Bauern in Vorpommern geblieben sein, wenn diese Verbindung nicht gewesen wäre, mithin ein jeder Bauer seine Conservation nur selbst hätte wahrnehmen sollen.

Noch jego würde Vorpommern von Bauern entblößet werden, wenn solche Verbindung cessiren sollte; weil kein Bauer im Stande ist, den Hof, das Zuchtvieh und Ackergeräth zu bezahlen; keiner aber auf den Fall, es ihm umsonst zu lassen schuldig; folglich ein jeder sich anderswohin zu begeben bedacht sein würde. Wir können uns aber allerunterthänigst versichert halten, daß Ew. K. M. Allerhöchste Intention dahin nicht, sondern nach Inhalt Dero allergnädigster Declaration nur auf die Leibeigenschaft gehe. Und da in Vorpommern seit undenklichen Jahren die Leibeigenschaft nicht mehr im Gebrauch gewesen; so sind wir allerunterthänigst gerne zufrieden; daß

A. die Leibeigenschaft gänzlich aufgehoben werde, sodaß dem Gutsherrn aus dem Grunde der Leibeigenschaft niemals ein Recht an des Bauern Person und Vermögen zustehe, sondern der Bauer

B. über alles, was er erwirbt, außer der Hofwehr und was ihm von der Grundherrschaft vorschussweise gegeben, freie Disposizion habe.

Nur daß es bei obgedachter Gutspflichtigkeit und Verbindung verbleibe, und daß Inhalts derselben der Bauer nicht aus dem Hofe noch ohne der Herrschaft Einwilligung aus dem Gute ziehen dürfe, daß, wenn er Alters halber unvermögend wird oder stirbt, der Hof wiederum einem seiner Söhne, wenn derselbe ein guter Wirth ist, eingegeben werde, und daß, wenn des Bauern Sohn und Tochter als Knecht oder Magd dienen, selbige dem Gutsherrn vorzüglich zu dienen schuldig gegen den Lohn, so einem freien Menschen gegeben wird.

Sollte diese Verbindung nicht beibehalten werden, so würde wider Ew. K. M. huldreiche Intention eine Depeuplirung Vorpom merns erfolgen.

Die Dienste sind in Vorpommern zwar so mäßig und so leidlich angerichtet, daß kein Bauer jemals sich darüber beklagen dürfe; dennoch aber würde 1) das junge unverständige Volk, weil es hier nicht so, wie in Sachsen was eigenes zu verlieren hat, alsbald in Meinung, bei solcher gänzlicher Freiheit, anderswo noch besser zu

fahren, davon ziehen; andere würden sich zur Erlernung einer Profession nach den Städten begeben, auch denen wenigen Bauern, so alsdenn sich hier annoch zu ernähren gedächten, würde es an Gesinde fehlen. Solches würde durch keine Gesindeordnung abzuwen. den sein, und dergestalt der in dieser Provinz so nothwendige Ackerbau, als das einzige Productam derselben, zum Schaden des Publici gänzlich gehindert werden. Eben so würden 2) die auf Höfen wohnenden Bauern, in Hoffnung es anders wo noch besser zu finden, austreten; andern, die allhier noch zu bleiben willens, würde es an Mitteln fehlen den Hof zu bezahlen, oder auch sich selbst Vich und was zum Ackerbau erforderlich anzuschaffen; keiner aber würde doch in dem Fall verbunden sein, den Bauern mit Bich, Ackergeräthe und andern Bedürfnissen zu versehen: Vorpommern würde also in weniger Zeit von Bauern gänzlich entblößet werden. So empfindlich der Verlust bei jedem Gutsherrn, der das Gut in dem bisherigen Nexu acquiriret, sein würde; so allgemein würde auch der Schaden fürs Publicum werden, weil der Mangel des Ackerbauez eine drückende Theurung, der, so in Städten als auf dem Laude nöthigen Lebensmittel nach sich ziehet. 3) Obengedachte Verbindung ist bishero nur das Mittel gewesen, die Bauern im Lande zu erhalten, auch die, welche ihrer Größe halber aus Furcht der Werbung geflüchtet oder austreten wollen; immaßen ein jeder Gutsherr sich gngelegen sein lässet, seine Gutspflichtige jedesmal zu reclamiren, worin auch jedesmal in Schwedisch - Pommern sowohl, als in Mecklenburg Justice erlangt, und auf solche Anzeige die Auslieferung sofort verfügt: Dieses aber würde hinführo cessiren; keiner würde bei Aufhebung solches Nexus einen ausgetretenen Bauern zu verfolgen Recht haben, noch weniger alsdenn in Schwedisch - Pommern oder Mecklenburg dessen Auslieferung fernerhin verhoffen dürfen.

Ew. K. M. Allerhöchste Intention ist auf Peuplicung Dero Reich und Lande huldreichst gerichtet; wir können dahero der devotesten Zuversicht sein, daß Dero allergnädigste Willensmeinung nicht auf die Aufhebung dieser Verbindung, sondern nur auf die Aufhebung der Leibeigenschaft gehe. Die allergnädigsten Ordres wegen Beförderung und Verbesserung des Ackerbaues überzeugen uns davon auf das vollkommenste, weil dieser Nexus in Vorpommern nur

das Mittel bei der Ritterschaft ist, diese Allerhöchste Landesväterliche Absicht pflichtschuldigst nach allen Kräften zu befolgen.

Wir verhoffen demnach allerunterthänigst, Ew. K. M. werden diese unsere Vorschläge allergnädigst zu approbiren allerhöchst geruhen. Die wir in getreuester Devotion ersterben

Ew. K. M.

allerunterthänigste

Vorpommersche Landstände.

Diese Vorstellung hatte mit so scheinbaren Gründen die Entvölkerung des Landes und das Austreten der waffenfähigen jungen Mannschaft als Folge von Friedrichs landesväterlichen Ideen zum Besten der hörigen Leute dargestellt daß er dieselben nicht nur ganz aufgab, sondern vielmehr den Edelleuten und Landbegüterten bei etlichen hundert Dukaten Strafe für jeden wüsten Hof anbefahl, denselben, wie in alten Zeiten, mit Bauern wieder zu beseßen ').

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1764 erschien die Königliche Bauerordnung für das Herzogthum Vor- und Hinterpommern 2). In der Deklarazion derselben 3) wird es jeder gutspflichtigen Weibesperson freigegeben, sich unter einer andern Herrschaft nach ihrer Willkür zu verheirathen, ohne daß von ihrer Gutsherrschaft ihr deshalb etwas in den Weg gelegt, oder sonst Schwierigkeit gemacht werden soll; aber die Verordnung vom 7. April 1777 bestimmte, daß abgedankte Soldaten nicht nur aufs Neue ihrer alten Grundherrschaft unterthänig sein sollen, sondern daß dies Los auch ihre im freien Stande gebornen Frauen, Witwen und Kinder treffe. Die Verordnung, Berlin den 8. Nov. 1773 bestimmte, wie in Ansehung der Dienste sowohl, als der Unterthanen selbst, in Ost- und Westpreußen verfahren werden solle“ *). Dadurch hörte die Leibeigenschaft in den ehemals polnischen Bezir ken auf.

1) a. a. D. S. 356.

2) Mylius N. C. C. M. Bd. 3. Nr. 93. p. 531-544.

3) Vom 30. Mai 1766. Mylius N. C. C. M. Bd. 4. Nr. 47. S. 471–474. Die nähere Bestimmung dieser Deklarazion v. 3. Januar 1767 findet man a. a. D. Bd. 4. Nr. 1. S. 673.

4) Mylius N. C. C. Band V c. p. 2471-2486.

Die Vertreibung der Sophie Schünemann aus ihrem väterlichen Bauerhofe veranlasste die Kabinetsordre vom 20. Febr. 1777, in welcher dem Generaldirektorium befohlen wurde, ohne Anstand zu reguliren und zu verfügen, daß an allen Orten die unter die Ämter gehörenden Bauergüter den Unterthanen erb- und eigenthümlich übergeben würden. Seit der Zeit geschah in Königlichen Ämtern und Stadtkämmereidörfern Manches für die Dienstaufhebung.

Die Bauern auf dem Amte zu Borne in der Mittelmark, mit ihrem Amtmann unzufrieden, der ihnen schwere Lasten auflegte und sie dabei öfters prügelte, sodaß einige davongelaufen waren, trafen in der Heuernte 1777 den König an, als er in der Gegend manövrirte. Er ließ sich bewegen, selbst ins Dorf zu reiten. Der Amtmann, der nicht gleich angezogen war, musste im Negligé erscheinen und wurde schlecht empfangen. Den andern Tag beschied Friedrich das ganze Dorf, die Bauern und den Amtmann nach Sans-Souci, ließ den Geheimenrath Stellter kommen und verhörte die Sache selbst in seinem Zimmer, was zu den lächerlichsten Auftritten Anlass gab. Selbst der König lachte mehrmals. Der Amtmann aber kam bei dem Verhöre schlechtweg. Der König versicherte ihm, daß er ihm den Spißbuben in den Augen ansehe. Das Verhör ging zur weiteren Untersuchung an die Kammer; der ganze Vorgang erregte viel Aufsehen 1).

Als der König in den baierschen Erbfolgekrieg ging, verbot er, die Unterthanen in seiner Abwesenheit zu drücken 2).

1784 gab der König, ermüdet von den Klagen der schlesischen Bauern und von ihren Prozessen mit den Herrschaften, den beiden Ministern der Provinz auf, durch eigene Kommissionen die Dienste und Schuldigkeiten der Bauern gegen ihre Herrschaften im ganzen Lande zu bestimmen und schriftlich in Urbarien verfassen zu lassen. Diese Einrichtung aber, welche künftigen Unruhen vorbeugen sollte, erregte eben bei ihrer Ausführung die größesten. Denn der Bauer hoffte auf Erleichterung, während der Edelmann nur die alten Schuldigkeiten aufgeschrieben und befestigt zu sehen wünschte. In der

1) Blick auf Gesinnung und Streben S. 74.

2) Mylius N. C. C. M. 1778. Nr. 15.

That wollte die Regirung auch nur, Alles was Herkommen gewesen, schriftlich feststellen. Die alten Verhältnisse blieben ').

Wer wollte, nach den angeführten Thatsachen läugnen, daß Friedrich mit dem landesväterlichsten, wohlwollendsten Herzen für das Aufkommen des ehrenwerthen Bauernstandes gesorgt? Aber, bei dem Allen, in dem Wesen blieb der Landmann gebunden, scholleigen der Masse nach; und vielleicht erst das zweite, dritte Geschlecht wird, wenn alle Wunden der neueren Zeit geheilt sein werden, es einsehen, welch ein Unterschied zwischen dem Bauernstande der älteren Zeit, und dem freien Bauer der jezigen Gesetzgebung sei. Es ist gewiss, daß Wenige von der ackerbauenden Klasse schon gegenwärtig mit der gebührenden Dankbarkeit die überglückliche Wendung ihres Schicksals durch das Gesez, Memel, den 9. Oktober 1807 erkennen, nach welchem vom Martinitage 1810 an die Erbunterthänigkeit im preußischen State aufgehört hat; aber gewiss noch wenigere begreifen, daß erst die Zeit erfüllet sein muss, wenn die Verhältnisse der Völker umgewandelt, die Privilegien schwinden, die Bevormundeten in einen freieren Zustand edlerer Regsamkeit verseßt werden sollen. Es hat nie im Geiste der brandenburgischen Fürsten aus dem Hause Hohenzollern gelegen, den Zeitgeist aufzuhalten, das Fortschreiten zu hindern; am wenigsten kann man dessen den König zeihen, der durch seine Akademie im J. 1780 die außerordentliche Preisfrage aufstellen ließ: „Ob es jemals nützlich sein könne, das Volk zu hintergehen; oder ob es besser sei, ihm in allen Dingen die Wahrheit zu entdecken?" Nur warf aber grade auch die allgemeine Aufklärung, welche der König so sehr hegte, über Jedermanns Rechte und Pflichten ein neues, sonst nie geahnetes Licht, welchem in allen Verhältnissen des States zu folgen eben noch nicht für zeitgemäß galt. Dies brachte den großen Monarchen nicht hier, in Bezug auf den Bauern, allein, in Widerspruch mit sich selbst. Privilegien jeglicher Art gedeihen nur in dem Schatten sehr beschränkter Erkenntniss; Aufklärung ist die Wurzel der Freiheit.

Die Städte unterwarf Friedrich Wilhelm I. einer beinahe völligen Vormundschaft. Bis dahin hatten die Magisträte im Kämmereiwesen größtentheils freie Hand gehabt. Aber schon 1713, als

1) Garve Briefe an Weiße Thl. 1. S. 208 ff.

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